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Promi in Bad Vilbel: Bettina Wulff bei »Talk unterm Turm«

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Von: Christine Fauerbach

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Bei »Talk unterm Turm« in der Christuskirche Bad Vilbel begrüßte Ulrike Mey die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf und Reformationsbotschafterin und Ex-First-Lady Bettina Wulff.

Vor 60 Teilnehmern diskutierten Pfarrerin Mey, Scherf und Wulff über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft. Musikalisch umrahmt wurde die mehr als zweistündige Veranstaltung mit Schlagern und Filmmusik von den sieben Musikern des Purcell Brass Ensembles. Ausgangspunkt des lebhaften Gesprächs zwischen Pfarrerin Mey und ihren Gästen waren die Fragen »(Wozu) braucht unsere Gesellschaft Kirche heute? Welche Bedeutung haben Christentum und Religion in der Postmoderne?«

Sie sei in einem lutherisch geprägten Elternhaus groß geworden, sagte Bettina Wulff. Das Interesse, die Neugier am evangelischen Glauben und für die Kirche habe bei ihr der Pastor geweckt, der sie konfirmiert habe. »Ich habe Jugendgruppen geleitet, im Kirchenchor gesungen, engagiere mich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Erwachsene in der Kirche. Als Reformationsbotschafterin lade ich alle Menschen ein, sich über ihren Glauben Gedanken zu machen, sich mit der Kirche zu beschäftigen.«  

Das Prägendste in mir ist der kleine Luther. Ich bin ein freier Mensch, trage Verantwortung für mein Tun und Handeln

Bettina Wulff

Scherf betonte, dass das Reformationsjahr unter dem Aspekt, »Gott neu zu entdecken«, gefeiert werde – so wie Martin Luther den liebenden Gott entdeckt habe. »Wie lautet der reformatorische Auftrag?«, wollte Mey wissen. Scherf: »Ohne den Buchdruck und die Übersetzung der Bibel ins Deutsche hätte die Reformation nie diese Strahlkraft gehabt. Kirche sollte heute die Angebote nutzen, dort wo viele Menschen sind, wie beim Hessentag oder der Landesgartenschau, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.« Das besondere Profil, das die evangelische Kirche ausmache – wie Beharrlichkeit, Diskussionsfreude und den Mut, zu seinem Glauben, seiner Meinung zu stehen, sie zu verteidigen und Position zu beziehen – gelte es zu stärken, sagte Wulff.

»Viele sagen, Glaube ist etwas Privates. Ich sage, wenn ich von meinem Glauben überzeugt bin, dann stelle ich ihn nach außen. Bereits Martin Luther schrieb 1520 den kraftvollen, programmatischen Satz: ›Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt auszuüben.‹ Wir sind gefragt, in der Welt für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten«, sagte Scherf. Auch Distanz zu Äußerungen Luthers

Dem stimmte Wulff zu: »Das Prägendste in mir ist der kleine Luther. Ich bin ein freier Mensch, trage Verantwortung für mein Tun und Handeln.« Wulff bewunderte den Reformator »für seinen unglaublichen Mut, sich für den Ruf Gottes einzusetzen, trotz der Gefahr für Leib und Leben, für seine unglaubliche Schaffenskraft, seine Strukturiertheit und sein großes Netzwerk«.

Auch wenn man Martin Luther als Mann seiner Zeit beurteile, gelte es, sich von seinen Äußerungen zu Juden oder Türken zu distanzieren, betonte Scherf. Sie bewundere an Luther allerdings seinen kritischen Geist, Freiheit, Vielfalt und das Widersprüchliche. Wulff wünschte, dass Kirche sich schneller bei aktuellen Themen – Polemik oder rassistischen Äußerungen – einmische. Dies würde ihren Einfluss in der Gesellschaft stärken. Sie finde Kirche gut, obwohl es Dinge gebe, die ihr nicht gefallen.

Scherf: »Kirche ist ein Solidarsystem. Ihr größter Schatz sind die über eine Million Ehrenamtlichen.«

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Drei Fragen an Bettina Wulff

Welche Rolle gefällt Ihnen besser, die der Reformationsbotschafterin oder die damals als First Lady? Bettina Wulff: Es ist ein Geschenk, so viele Dinge tun zu dürfen. Ich bin seit einem Jahr für die Kirche unterwegs. Das Ehrenamt als Reformationsbotschafterin ist mir so wichtig wie das als Botschafterin für das Charity- und Präventionsprojekt Stadthelm, als Mitarbeiterin beim Notruf Mirjam der Inneren Mission Niedersachsen für Schwangere und Mütter in Not, als Botschafterin für die Lernwerkstätten an Grundschulen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und mein Engagement bei der Initiative »Begegnungen – Schutzräume für Kinder«. Ein besonderes Privileg war für mich, als Frau des ehemaligen Bundespräsidenten aktiv sein zu dürfen. Welche Stellung hat der Glaube für Sie? Wulff: Glaube ist ein großer Halt im Leben, eine geistige Heimat. Glaube gibt mir eine innere Gelassenheit. Ich muss vor Aufgaben im Leben keine Angst haben, weil ich mich auf meinen Glauben, der in mir verwurzelt ist, verlassen kann. Das schafft eine bewusstere Wahrnehmung der Welt, nicht getrieben zu sein, sondern ein Stück zur Seite treten zu können, um sich Dinge erst einmal anzuschauen. In dem guten Wissen, dass ich geborgen bin. Religion und Glaube und auch lutherischer Glaube sind in unserer Familie auch im Alltag relevant. Dazu gehören das Beten vor dem Essen, gemeinsam in die Kirche gehen, Lieder singen und meinen Kindern den Segen geben vor dem Einschlafen. Wie geben Sie Glauben an ihre Kinder weiter? Wulff: Ich habe meine Kinder spielerisch in den Glauben hineinwachsen lassen. Ich habe sie in die genannten Rituale wie das Gebet vor dem Abendessen eingebunden. Wenn ich nicht zu Hause bin, dann rufen mich meine Kinder an, lassen sich den Segen telefonisch geben. Mein älterer Sohn ließ sich konfirmieren. Er diskutiert gern darüber, was er in der Kirche gern verändert sehen möchte, was er vielleicht auch selber verändern kann, was er gut findet, was er schlecht findet.

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