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Main-Weser-Bahn: Streckenausbau immer später

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Von: Holger Pegelow

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Der Ausbau der Main-Weser-Bahn scheint zwischen Bad Vilbel und Friedberg in weite Ferne zu rücken. Einwendungen der Anlieger, neue Gutachten und die vom Regierungspräsidium geforderte erneute Offenlage aller Unterlagen werfen den Zeitplan der Bahn über den Haufen.

Das dürften die fast 100 Interessierten und Betroffenen gerne gehört haben, die zur Mitgliederversammlung des Aktionsbündnisses »Ba(h)nane« in der Eschersheimer Turnhalle sitzen. Michael Hub sagt: »Der Baubeginn für den Abschnitt zwischen Bad Vilbel und Friedberg für das Jahr 2023 kann nicht eingehalten werden.« Für die Behauptung kann er Belege vorweisen, denn das Aktionsbündnis, das seit Jahren gegen den viergleisigen Ausbau der Main-Weser-Bahn kämpft, zeigt interne Schriftverkehre sowohl zwischen der Deutschen Bahn und dem Regierungspräsidium Darmstadt als auch zwischen Aufsichtsbehörde Eisenbahnbundesamt (EBA) und Bahn.

Neues Planänderungsverfahren

Sowohl das EBA als auch das RP geben der Bahn darin ein komplett neues Planänderungsverfahren »mit Offenlage« aller Unterlagen auf. Begründung: Die Zahl der Änderungen der ursprünglichen Pläne ist zu hoch und die Zahl betroffener Dritter ebenfalls. Herrin des Verfahrens ist das RP Darmstadt. Das hatte der Bahn schon nach den Anhöruungen im Mai 2017 in Dortelweil etwa die Überarbeitung der Erschütterungsgutachten an der Strecke aufgetragen. Der Sprecher der Behörde, Christoph Süß, bestätigt auf Anfrage, es sei zutreffend, dass die DB Netz AG derzeit den zweiten Planungsabschnitt überplane und »umfangreiche Änderungen und Ergänzungen« vornehme. »Wegen der Änderungen wird eine erneute Offenlage erforderlich.« Zurzeit sei aber nicht absehbar, bis wann die geänderten Unterlagen vorgelegt werden. Hub erinnert daran, »dass zwischen der ersten Offenlage und dem Erörterungstermin für den zweiten Bauabschnitt sechs Jahre gelegen haben«. Selbst wenn es noch in diesem Jahr zu einer Offenlage kommen sollte, dürfte der von der Bahn anvisierte Baubeginn 2023 nicht zu halten sein.

Mit zu den RP-Auflagen für die Bahn gehörten neue Erschütterungsmessungen. Die sind vom beauftragten Ingenieurbüro zwar durchgeführt worden. Nach Angaben des Karbener Ba(h)nane-Mitglieds Christian Böhm »aber genauso falsch wie vorher«. Er reklamiert, dass die durch die Züge verursachten Erschütterungen »nur in einer Richtung gemessen worden sind statt in drei«. Horizontale Erschütterungen seien gar nicht erfasst worden. Das mache die Messungen angreifbar. Zudem kommt nun auch aus der Karbener Kommunalpolitik noch die Forderung nach nächtlichen Erschütterungsmessungen (WZ vom 11. Juni).

Böhm versuchte in der Mitgliederversammlung auch das Argument der Bahn zu widerlegen, die Gleise würden gebaut, um die S-Bahn pünktlicher zu machen. Er könne nachweisen, dass nur ein geringer Prozentteil der S-Bahnen verspätet seien. Der Ingenieur hat die tatsächlichen Uhrzeiten der Fahrten auf der Bahn-Webseite registriert und die Gründe dafür. Für die Verspätungen habe es im Vorjahr 32 verschiedene Ursachen gegeben, von denen nur 20 Prozent durch zusätzliche Gleise vermieden werden könnten.

VGH verhandelt im September

Dem Projekt droht weiteres Ungemach, vor allem für den ersten Bauabschnitt zwischen Bad Vilbel und Frankfurt-West. Nach Informationen dieser Zeitung befasst sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel im September in einer öffentlichen Verhandlung mit dem Projekt. Anlass dafür sind die Klagen von 25 Anliegern gegen die sogenannte Besitzeinweisung, also einer Enteignung der Grundstücke an der Bahnstrecke. Die Firmen müssen sie betreten und befahren können, um etwa Überführungen bauen zu können. Deshalb ist der Zeitplan für den ersten Bauabschnitt ins Rutschen gekommen. Ein Bahnsprecher bestätigt, dass es »eine Verzögerung um einige Wochen« gebe. So ist die Behelfsbrücke über die Nidda bei Bad Vilbel und deren Anschluss an die B 3 noch gar nicht gebaut. Der Zeitplan im Internet sieht die Inbetriebnahme bis 2021/22 vor. Einen neuen Plan habe man noch nicht.

Meinung

Stuttgart 21 lässt grüßen

Immer teurer, immer länger – beim Ausbau der Main-Weser-Bahn sind wir nicht mehr weit von Stuttgarter Verhältnissen entfernt. Das Regierungspräsidium hat bestätigt, was das Aktionsbündnis »Ba(h)nane« behauptet: Das Verfahren für den zweiten Bauabschnitt hat so viele Änderungen erfahren, dass eine erneute komplette Offenlage notwendig wird. Der von der Bahn angepeilte Termin für den Ausbau der Strecke zwischen Bad Vilbel und Friedberg im Jahr 2023 dürfte nicht mehr zu halten sein. Und Monat für Monat steigen die Baupreise, womit sich das Gesamtprojekt zwischen Friedberg und Frankfurt auf die Milliarde zubewegen dürfte. Für die Pendler, die Tag für Tag auf dieser Strecke mit all ihren Anfälligkeiten unterwegs sind, ist das eine Katastrophe. Bei den Kommunen, vor allem in Karben, sollte das Nachdenken über Alternativen einsetzen, etwa die Buslinie 30 über Bad Vilbel zu verlängern. Auf den Bahnausbau können sie wohl nicht mehr zuverlässig setzen. Holger Pegelow

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