Keine Nachfolgerin gefunden

Sie würde gerne weitermachen, aber sie kann sich die Miete nicht mehr leisten: Am 31. August zieht Susanne Otte-Seybold endgültig die Tür ihrer Hebammenpraxis in Dortelweil hinter sich zu. Eine Nachfolgerin gibt es nicht.
Eine gute Geburtshilfe und Betreuung nach der Geburt in Deutschland zu bekommen, könnte schon bald ein großer Glücksfall sein. »Nur noch jede zweite Frau findet eine Hebamme, obwohl dies ein bestehender Versorgungsauftrag ist«, sagt Susanne Otte-Seybold. Sie rät allen Frauen, bereits ab einem positiven Schwangerschaftstest eine Hebamme zu kontaktieren, damit sie eine Chance auf eine Betreuung haben.
Für einen Hausbesuch bekommt eine Hebamme 38 Euro brutto für 45 Minuten vergütet. Dies ist nur einer der Gründe für den Hebammenmangel neben hohen Versicherungskosten »Versicherung ist grundsätzlich ein Thema«, sagte Otte-Seybold, die Krankenkassenbeiträge erlaubten keine Finanzierung von Mieten zu ortsüblichen Preisen. Hier könnte die öffentliche Hand Hebammen mit preiswerten, großen Räumen unterstützen«, schlägt sie vor.
Rund um die Uhr abrufbereit
Belastungen bringe auch der zeitliche Aufwand der Betreuung mit sich. »Um Geburtshilfe leisten zu können, muss man rund um die Uhr auf Abruf bereitstehen. Jede Geburt und jede Frau haben ihren eigenen Rhythmus«. Fehlalarme nicht eingerechnet, kommen da etliche Stunden zusammen. Um das hohe Arbeitspensum mit Rufbereitschaften leisten zu können, dürfe man keinen Wert auf sein Privatleben legen.
Am 31. August zieht Susanne Otte-Seybold endgültig die Tür ihrer Praxis in Dortelweil hinter sich zu. »Ich arbeite seit 1995 als freiberufliche Hebamme in Bad Vilbel. Seit 2008 teile ich mir meine Praxisräume in der Theodor-Heuss-Straße mit der Physiotherapeutin Silke Mehltretter.« Diese werde in neuen Räumen weiterarbeiten. Sie habe keine Nachfolgerin finden können.
Nach der Geburt ist eine Hebamme gefordert
Für die gebürtige Rheinländerin Otte-Seybold ist eine berechtigte monatliche Mieterhöhung von 550 Euro seitens des Vermieters Grund für die Praxisschließung. Geeignete Praxisräume zu finden sei schwierig. Befinde sich die Praxis nicht im Erdgeschoss, dann sei ein Aufzug erforderlich. Und vor der Praxis müsse es einen geschützten Abstellplatz für Kinderwagen geben. Die Betreuung der werdenden Mütter beginne mit Geburtsvorbereitungskursen. Während der Geburt – »0,2 Prozent der Kinder kommen außerhalb von Kliniken auf die Welt« – begleiten Hebammen die Frauen, kümmern sich nur um die Gebärende und das Kind. Sie schützen, wahren und fördern die körperliche und seelische Gesundheit von Mutter und Kind. Doch erst nach der Geburt bekomme »die Arbeit einen richtigen Schwung.« Bis zum zehnten Lebenstag des Neugeborenen sind bis zu 20 Besuche täglich möglich. Danach bis zur zwölften Woche 16 Besuche nach Bedarf bis zum Ende der Stillzeit. »Manchmal auch bis zum Abstillen, egal wie alt das Kind dann ist.« Im Moment betreut Otte-Seybold zwei bis drei Mütter pro Monat, anfangs waren es 15. »Zu mir kamen 200 Frauen pro Jahr in meine Kurse und Sprechstunden.«
Ab September will sie sich für ihre Kolleginnen und deren Arbeitsbedingungen und Vergütungen im Verband einsetzen. »Ich bin Vorsitzende des Kreisverbands der Wetterauer Hebammen und 2. Vorsitzende des Landesverbandes Hessischer Hebammen. Im Herbst bewerbe ich mich für das Amt der Vorsitzenden des Hessischen Hebammenlandesverbandes.«
In Bad Vilbel gibt es derzeit fünf Hebammen, im Wetteraukreis sind es 60 Kolleginnen, die imDeutschen Hebammenverband (DHV) organisiert sind. »Die Zahlen täuschen, da viele nicht Voll-, sondern Teilzeit und nicht alle freiberuflich arbeiten«, erläutert Susanne Otte-Seybold. Freiberufliche und angestellte Hebammen seien zwar gut ausgebildet und mit Herzblut bei der Arbeit, aber wie viele im Gesundheitsbereich Tätige unterbezahlt. (cf)
Info
60 Hebammen in der Wetterau
In Bad Vilbel gibt es derzeit fünf Hebammen, im Wetteraukreis sind es 60 Kolleginnen, die im Deutschen Hebammenverband (DHV) organisiert sind. »Die Zahlen täuschen, da viele nicht Voll-, sondern Teilzeit und nicht alle freiberuflich arbeiten«, erläutert Susanne Otte-Seybold. Freiberufliche und angestellte Hebammen seien zwar gut ausgebildet und mit Herzblut bei der Arbeit, aber wie viele im Gesundheitsbereich Tätige unterbezahlt. (cf)