Hessentag: Image-Gewinn oder jahrelanges Defizit?
Bad Vilbel (cf). Der Hessentag ist ein Image- und Profil-Gewinn für die Stadt, schweißt die Bürger zusammen, bringt viel Arbeit für die Verwaltung, aber auch Infrastruktur und Projekte auf den Weg. Kehrseite der Medaille ist ein gewaltiges Defizit in der städtischen Haushaltskasse für viele Jahre.
Das ist das Fazit einer Diskussionsveranstaltung, die der Ortsverband der Grünen am Montagabend organisiert hat. Zu den 25 Teilnehmern im Kurhaus gehörten neben Kommunalpolitikern diverser Parteien wie Magistratsmitglied Udo Landgrebe (SPD) auch Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann (CDU) und seine Mitarbeiterin Maria Ochs.
Kathrin Anders, Vorsitzende des Ortsverbandes der Grünen, ihr Vize Jens Matthias und Ralph Mallmann hatten drei Parteimitglieder eingeladen, die über ihre Sicht und Erfahrungen berichteten. Aus landespolitischer Sicht beleuchtete Landtagsabgeordnete Sigrid Erfurth, finanzpolitische Sprecherin ihrer Partei, das Großereignis. Über die Erfahrungen der Hessentagsstadt Oberursel im vergangenen Jahr berichtete Christof Fink, Grünen-Fraktionsvorsitzender und ab März Erster Stadtrat. Über die langfristigen Konsequenzen des Hessentages 2007 in Butzbach berichtete Rüdiger Maus, Mitglied des Kreistages.
Nur noch alle zwei Jahre?
Mit Blick auf die Landesfinanzen sprach sich Erfurth für eine Umgestaltung des Hessentags aus. So sollte darüber nachgedacht werden, ob der Hessentag jährlich stattfinden müsse. Ihre Fraktion habe einen Antrag gestellt, das Mega-Event nur noch alle zwei Jahr zu organisieren. »Zum ersten, drei Tage dauernden Hessentag in Alsfeld kamen 40 000 Besucher«, sagte sie. Der Schwerpunkt der Veranstaltung habe auf der Präsentation hessischen Brauchtums, Künstlern und Vereinen gelegen. »Beim vierten Hessentag in Kassel kamen 430 000 Zuschauer, in Oberursel waren es 2011 bereits 1,375 Millionen Besucher.« Gradmesser für den Erfolg eines Hessentages sei »irrtümlicherweise« ein neuer Besucherrekord, kritisierte Erfurth. Sie bemesse den Erfolg vielmehr an einem gemeinsamen Weg der Stadtgesellschaft.
Die Landtagsabgeordnete kritisierte, dass das Hessentags-Buch nichts über die Kosten der Massenveranstaltung sage. Bürgermeister Jörg Muth (CDU) von Langenselbold habe gesagt, der Hessentag sei das Zaubermittel für Dinge, für die man sonst sehr viel länger brauche. Die Absage Vellmars zeige aber, dass viele Kommunen mit der Ausrichtung finanziell überfordert seien.
Nach Ansicht von Erfurth müsse sich der überdimensionierte Hessentag »neu erfinden«. Man müsse auf das Landesfest nicht verzichten, sollte es aber auf die jeweiligen Kommunen und das eigentliche Ziel zuschneiden.
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Frank Kaufmann habe versucht, die Kosten des Hessentages in Oberursel für das Land zu ermitteln. Demnach verbuche die Staatskanzlei ein Minus von 3,3 Millionen Euro und habe 5,7 Millionen Euro für Investitionen ausgegeben. Hinzu seien 2,9 Millionen Euro aus Mitteln des Landesausgleichs für weitere elf Projekte gekommen. Hinzugerechnet werden müssten 1,2 Millionen Euro bei der Polizei für Sicherheitskosten, 650 000 Euro für Stand-Dienste und 11 000 Überstunden. Erfurths Fazit: »Für jede Stadt fällt ein Strauß von Kosten an.« Wie hoch diese ausfallen, sei Verhandlungssache zwischen Staatskanzlei und Kommune.
Fink listete Probleme des Hessentages in Oberursel auf: 1 Million Euro Gage für das Konzert der Rockband Aerosmith, zwei Millionen Euro für die Hilfsdienste, »die niemand auf der Rechnung hatte«. Auch das Parkhaus sei nur dank zusätzlicher Investitionen rechtzeitig fertig geworden. Da es kein Pflichtenheft gebe, müssten die Kommunen ihre Ziele selbst definieren. »Beim Hessentag handelt es sich um ein Forum für die Politprominenz, einen Rummel und Brauchtumspflege.« So finde ein Jahr vorher ein Trachtenfest mit 10 000 Kindern, viele kleine und sportliche Events und Großveranstaltungen statt – in Oberursel seien das 1048 gewesen. Hinzu kämen Präsentationen von Streitkräften und Polizei und der Berufseinsteiger-Tag.
»In Oberursel kamen 1,4 Millionen Besucher, die 170 000 Eintrittskarten für 4,5 Millionen Euro kauften«, berichtete Fink. 3500 Ehrenamtliche seien im Einsatz gewesen. »Das operative Defizit beträgt bis jetzt vier Millionen Euro.« Die Endabrechung stehe indes noch nicht fest.
Veranstalter ist das Land
Der Ausrichter des Hessentags müsste eines bedenken: »Veranstalter ist das Land, die Stadt kann nur einige Aspekte einbringen, da zahlreiche Veranstaltungen fest zum Programm gehören«, betonte Fink. Er empfahl, eine Checkliste mit den Punkten Defizitsteuerung, Bürgerbeteiligung, ökologischer Preis, Stadtentwicklung, Verkehrskonzept, Einschränkungen für die Bevölkerung und städtische Ausgaben zu erstellen. »Ich würde den Hessentag noch einmal machen, aber wegen der Belastungen erst wieder in 20 Jahren«, sagte Fink.
Der Butzbacher Maus sagte, die Höhe der Landeszuschüsse entspräche ungefähr denen der städtischen Kosten. »Der Hessentag ist nicht mehr zeitgemäß, er kostet zu viel, die Verwaltung ist jahrelang überlastet, ich würde keinen mehr nach Butzbach holen.«
Bürger und Parlament haben bis Ostern Zeit, eine Entscheidung zum Hessentag zu fällen. Welche Stadt den Zuschlag für 2015 erhält, soll auf dem diesjährigen Hessentag im Juni in Wetzlar bekannt gegeben werden.