Bis die Falle zuschnappt

Auch wenn der Weggefährte auf vier Pfoten noch so treu scheinen mag, er ist und bleibt ein Tier mit Instinkten. Und diese schalten gelegentlich auf Flucht. Ist der Hund entlaufen, finden verzweifelte Herrchen in Bad Vilbel Hoffnung bei Ramona Köhler. Denn sie ruht nicht, ehe der Vierbeiner wieder eingefangen ist.
Terrier Kenzo ist noch ganz neu bei seiner Bad Vilbeler Familie, als er sich beim Gassigehen mit der Leine um einen schmalen Baum wickelt. Kurz versucht das Herrchen, den jungen Hund aus seiner misslichen Lage zu befreien, ohne Erfolg, die Leine muss kurz ab. Warum Kenzo den Moment der Freiheit für seine Flucht nutzt, wird sein Geheimnis bleiben. Vielleicht war dort ein anderes Tier, dem er folgen wollte, vielleicht war es ein Spiel. Für die Familie beginnen jedenfalls Stunden des bangen Wartens und der Sorge.
»Dass Hunde weglaufen, passiert deutlich häufiger, als man denkt«, erklärt Ramona Köhler. Die Vilbelerin ist selbst erst vor vier Jahren auf den Hund gekommen und weiß seitdem den kleinen Langhaardackel-Chihuahua-Mix Luki an ihrer Seite. Kaum tappste der Vierbeiner täglich neben ihr her, passierte Köhler etwas, dass die meisten Frauchen und Herrchen nur allzu gut kennen: Ramona Köhler wurde Teil einer Hundegruppe.
Gemeinsam Flyer verteilen
Zusammen mit einigen anderen Bad Vilbelern geht sie regelmäßig mit den Hunden Gassi und tauscht ihr Wissen über das beliebteste Haustier der Deutschen aus. Und noch eine Tätigkeit kam mit der Gruppe auf sie zu: Flyer über entlaufene und gesuchte Hunde verteilen. »So ging das mit der Tiersicherung los«, erinnert sich die 46-Jährige.
Seit Jahren schon ist die ehemalige Bar-Besitzerin eine treibende Kraft in den regionalen sozialen Netzwerken. In diversen Gruppen auf Facebook bringt sie sich ein und knüpft Kontakte. Schnell war klar, dass es für sie nicht beim Verteilen der Flyer bleiben kann. Es gibt mehr Hebel, die man bewegen kann, wenn ein Hund entläuft. Die Bad Vilbeler Tiersicherung war geboren.
»Im Schnitt haben wir täglich einen Fall«, erklärt Köhler: »Die meisten Hunde kommen zurück.« Köhlers wichtigster Tipp an Hundehalter, die plötzlich ihren Vierbeiner aus den Augen verloren haben, ist: »Bleiben Sie an Ort und Stelle, schlagen Sie am besten ein Zelt auf. Meistens kommt Ihr Hund an den Ort des Entlaufens zurück.« War der Hund in gewohnten Gefilden unterwegs, sei es ebenso wahrscheinlich, dass er den Weg nach Hause findet. Ziellos und rufend durch die Gegend zu rennen, davon raten Experten ab. Ist der Hund dennoch über alle Berge, lassen Köhler und ihre Mitstreiterinnen nichts unversucht. »Wir verteilen Flyer und posten die Vermisstenmeldung in unseren Facebook-Gruppen.« So auch beim kleinen Kenzo.
Bloß nicht vertreiben
Schnell trudelten die ersten Meldungen von Spaziergängern, die dem flauschigen Vierbeiner begegneten, ein. Köhler sammelte die Meldungen und erstellte eine Karte mit den Sichtungspunkten. Sie entwickelte ein Gespür dafür, wo sich der Hund herumtreibt. Dadurch wurde deutlich, dass Kenzo sich nicht allzu weit von seinem Zuhause entfernte. Mit Futterstellen an den Sichtungsorten, versuchten Köhler und ihre Helferinnen Kenzo an diese Orte zu binden. Spaziergänger, die einen entlaufenden Hund sehen, sollten sich ihm daher nicht mehr als nötig nähern. »Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass er vertrieben wird.«
Kenzo blieb verschwunden. Über Hundefreunde aus dem Odenwald besorgte sich Köhler eine Lebendfalle und baute diese gut getarnt in den Nähe seines Zuhauses auf. Und tatsächlich: Von Futter angelockt, löste der Terrier eine Lichtschranke aus und war erfolgreich eingefangen. Die Erleichterung beim Herrchen war enorm.
Richtig fröhlich seien solche Wiedersehen meist nicht, erklärt Köhler: »Die Hunde schalten in einen Überlebensmodus.« Schon nach 48 Stunden würden sie dabei nicht mehr auf ihren Namen hören. Ist der eingefangene Hund gewaschen und von zahlreichen Zecken befreit, muss er sich erst wieder an sein altes Zuhause gewöhnen: »Aber die Hunde sind ganz schnell wieder so wie sie vorher waren«, beruhigt sie. Inzwischen ist Ramona Köhler weit vernetzt. Einmal musste ein Hund betäubt werden, um eingefangen zu werden. Dafür ließ sie einen Experten aus Bremen kommen. Sogar eine Hellseherin aus Darmstadt arbeitet ihr gelegentlich zu: »Mit beeindruckendem Erfolg, auch wenn ich nicht daran glaube.«
Manchmal hilft auch das nicht. Auf der Suche nach Essen bewegen sich entlaufene Hunde häufig in der Nähe von Straßen und Bahngleisen. Manch gesuchter Hund konnte da nur Tod gefunden werden: »Selbst wenn ich nichts mehr hätte machen können, fühle ich mich schuldig, dann sitze ich zu Hause und heule«, sagt Ramona Köhler. Doch die vielen positiven Augenblicke überwiegen, und das schenke ihr dann wieder die Motivation, weiterzumachen.
Angst, dass ihr kleiner Luki mal davonflitzen könnte, habe sie keine: »Der ist so sehr auf mich fixiert, der bleibt immer an meiner Seite«, sagt sie. »Das sagen aber alle Hundebesitzer, bis ihr Hund dann doch abhaut.«
Eine hundertprozentigen Schutz, damit Hunde nicht entlaufen, gibt es nicht, doch mit einigen Tipps können Hundebesitzer das Risiko minimieren. So sollten Welpen oder Hunde, die neu in einer Familie sind, behutsam an die Gegend herangeführt werden. Solange der Hund nicht zuverlässig hört und die Gegend nicht kennt, ist eine Leine Pflicht. Bei Hunden, die aus dem Ausland kommen, sollte stets bedacht werden, welche Erfahrungen sie bisher mit Menschen und anderen Tieren gemacht haben. Hunde sollten zudem gechipt sein und bei Organisationen wie Tasso registriert werden. Ist der Hund entlaufen, sollte auch die Polizei informiert werden. Wer auf Nummer sicher gehen will, bringt einen kleinen GPS-Sender am Halsband an. (rin)
Xxxx X
xxxx xxxx xxxxxx