Eine Wanne Abwasser pro Sekunde

Die Bad Vilbeler Kläranlage ist die größte in der ganzen Wetterau. Sie darf sich auch in den kommenden fünf Jahren »Ausbildungskläranlage« nennen.
Bad Vilbel – Mit Vorurteilen kennt sich Hans von Dungen bestens aus. Der Betriebsleiter der Bad Vilbeler Kläranlage steht vor einem großen Abwasserbecken. Kleine Bläschen sind zu sehen. »Nicht jedes Becken hier riecht«, sagt er und lacht. Und in der Tat: Beim Rundgang über die städtische Anlage unweit des Freibades wird die Nase kaum von unangenehmen Gerüchen konfrontiert. »Viele Leute haben das automatisch im Kopf, aber das ist nicht so.« Um Geruchsbelästigungen zu vermeiden, sind die einzelne Bauwerke nämlich nicht nur abgedeckt, sondern mit einer Luftabsaugung versehen.
Größte Kläranlage der Wetterau: Neun Mitarbeiter, ein Azubi
Neun Mitarbeiter und ein Auszubildender sind auf der größten Kläranlage der Wetterau an 365 Tagen im Jahr im Einsatz. Auch an Feiertagen und am Wochenende gibt es eine Bereitschaft. »Wir müssen bereit sein, falls Fehlermeldungen kommen.« Meistens bleibt es allerdings ruhig, wie der 56-Jährige berichtet. Es gilt: Besonders auf Säuren und Laugen zu achten. »Das liegt an der spezifischen Industrie in Bad Vilbel«, sagt Hans von Dungen. An einen spektakulären Fall erinnert sich der Betriebsleiter aber noch ganz genau. Bei einer Wartung in einer Firma habe ein Mitarbeiter ein Mittel in den Abfluss gegeben. Es dauerte nicht lange, bis die Mitarbeiter auf der Anlage die Auswirkungen spürten - und sahen. »Es war alles voller Schaum«, sagt Hans von Dungen. »Zwei Meter große Schaumwürfel sind durch die Luft geflogen. Ein Bild, was es nicht häufig gibt.« Das Wasser wurde sofort in ein Notfallbecken umgeleitet, um den restlichen Ablauf nicht zu gefährden.
Größte Kläranlage der Wetterau: 9000 Kubikmeter Wasser
9000 Kubikmeter Wasser sind auf der Anlage am Tag im Umlauf. Zuständig sind die Mitarbeiter für 89 000 Einwohnergleichwerte. Mit diesem Maß lässt sich die Schmutzfracht aus dem gewerblichen Abwasser mit einrechnen. »Die Industrie spielt auf unserer Anlage eine größere Rolle als auf etwas kleineren«, sagt Hans von Dungen.
Diese darf auch in den kommenden fünf Jahren offiziell die Bezeichnung »Ausbildungskläranlage« führen. Von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) hat die Anlage hierzu ein Zertifikat und das entsprechende Gütesiegel erhalten. Doch ausgebildet wird auf der Anlage schon länger. Hans von Dungen betont, dass »viele Betriebsfremde auf Kläranlagen anfangen«. Das Spektrum sei breit. »Um allerdings auf einer Anlage arbeiten zu dürfen, bedarf es einen 14-tägigen Kurs auf einer Ausbildungskläranlage und das sind wir.«
Ausbildung in der größten Kläranlage der Wetterau
Der Nachwuchs fliegt dem Betriebsleiter nicht gerade zu. »Es war immer mal wieder schwer, Auszubildende zu finden. Für dieses Jahr haben wir wieder jemanden gefunden.« Elektrik, Labor, Wassertechnik. »Die drei Jahre sind anspruchsvoll«, sagt Hans von Dungen. Der Betriebsleiter spricht von einem »hochkomplexen technischen Feld«.
Den Kreislauf des Wassers simpel und einfach erklären? »Das wird schwer«, sagt er und lacht. Zunächst wird das Schmutzwasser im Rohwasserpumpwerk aus den Vilbeler Stadtteilen und aus Nieder-Erlenbach auf eine Höhe von 4,60 Meter gefördert, um im freien Gefälle durch die Kläranlage zu fließen. In der folgenden mechanischen Reinigungsstufe wird mit Rechen Sand und Dreck aus dem Wasser geholt. »Leider wird zu viel Müll ins Wasser gegeben, der dort nichts zu suchen hat«, sagt Hans von Dungen. Das Abwasser wird gemessen. »Was an Abwasser reinkommt, muss auch wieder raus, sonst machen wir was verkehrt.«
Größte Kläranlage der Wetterau in Corona: Steuerung aus dem Home-Office
Anschließend geht’s übers Vorklärbecken ins sogenannte Bio-Pho-Becken. Dort wird der im Abwasser enthaltene Phosphor über die im Schlamm enthaltenen Bakterien entfernt. Das mechanisch vorgereinigte Abwasser wird danach auf die vier Becken der biologischen Stufe verteilt. In den Belebungsbecken übernehmen Bakterien und Sauerstoff die biologische Abwasserreinigung. Nach der mechanischen und biologischen Reinigung geht’s in die Nachklärbecken. »Dort sieht man dann auch das saubere Wasser«, sagt von Dungen. Nach der erneuten Messung wird das Wasser über Auslaufbauwerk in die Nidda eingeleitet.
Hans von Dungen erläutert, wie viel Arbeit, das im einzelnen sei. »Es läuft so viel mechanisch, wir müssen immer aktuelle Werte messen und die Geräte warten. Denn von einer funktionierenden Anlage profitiert schließlich die ganze Stadt.« In Corona-Zeiten habe man deshalb in Teams gearbeitet. »Um Ausfälle besser zu kompensieren. Ich selbst habe viel im Home-Office gesessen. Ich habe auch von dort Zugriff auf die Steuerung.« Einfach die Arbeit einstellen gehe ja auch schlecht. »Eine Kläranlage ruht nicht.«
Informationen zur Technik und zum Wasserkreislauf gibt es unter www.ka-badvilbel.de/index.html.