»Was fehlt uns denn? Ein Arzt in Nieder-Mörlen«
Bad Nauheim-Nieder-Mörlen (ihm). Der Wegzug der einzigen Hausarztpraxis aus Nieder-Mörlen beschäftigte am Mittwoch den Ortsbeirat. Dr. Denise Lucas, die mit Dr. Alexander Jakob jetzt in der Frankfurter Straße 111 praktiziert, erklärte dem Gremium die Hintergründe.
Die alte Praxis sei zu klein gewesen, geeignete Räume hätten sich in Nieder-Mörlen nicht finden lassen. Die neue Praxis liege nur unweit des Ortsschilds, zu Hausbesuchen bei Gehbehinderten und sehr kranken Menschen sei man bereit. Der Ober-Mörler Allgemeinmediziner Dr. Götz Sailer brachte die Idee einer wöchentlichen Sprechstunde in einer Dependance ins Spiel. Ortsvorsteher Albert Möbs (CDU) will dem Gedanken nachgehen, um vor allem für Senioren den Hausarztbesuch zu vereinfachen.
Zum Schluss meldete sich der Allgemeinmediziner im Ruhestand, Dr. Siegfried Baumgärtel, zu Wort. Laut Bürgermeister Armin Häuser soll künftig eine Straße im Stadtteil nach Dr. Luise Frey benannt werden. Sie war Baumgärtels Vorgängerin in der Praxis Frauenwaldstraße 8. Seit 1946 praktizierte sie dort, 1974 löste Baumgärtel sie ab. Es folgten Lucas und Jakob. Seit Dezember ist es vorbei mit der Hausarztpraxis in Nieder-Mörlen: Die Doktoren zogen um in die Frankfurter Straße 111.
Neben Baumgärtel waren auch Nachfolgerin Lucas sowie Dr. Sailer aus Ober-Mörlen gekommen. Ortsvorsteher Möbs sagte, in der Kernstadt fänden sich deutlich mehr Hausarzt-Praxen als in den Stadtteilen. Auch ein Arzt müsse wirtschaftlich denken. Doch komme es zur Ungleichverteilung von Praxen, sei die Politik gefragt. Notfalls müssten Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) geführt werden. Durch den Wegzug würden die guten Lebensbedingungen in Nieder-Mörlen nachhaltig beeinträchtigt. Das gelte vor allem für Senioren, die nicht mehr mobil sind. Ihm schwebt ein Prüfantrag an den Magistrat vor, nach Räumen für eine Praxis im Stadtteil zu suchen. Markus Philipp (UWG) widersprach. Die WZ-Ankündigung der Ortsbeirats-Debatte habe »bedauerlicherweise« für »extreme Unruhe« bei den Bürgern gesorgt. Die Praxis sei um »500 Meter« verlegt, sei modern und barrierefrei. Es gebe Parkplätze, der Bus fahre bis vor die Tür.
Hans-Peter Thyssen (SPD) äußerte, man müsse den Umzug wohl akzeptieren. »Es ist natürlich ein besseres Gefühl, wenn der Arzt im Ort ist.« Einen neuen Doktor für Nieder-Mörlen zu finden, halte er wegen der festgelegten Zahl der Kassenarztsitze aber für schwierig. Medizinerin Lucas bat ums Wort: »Das Haus Frauenwaldstraße 8 wurde nicht für die medizinische Versorgung gebaut.« Drei Jahre hätten sie und ihr Kollege erfolglos nach Räumen gesucht. Die Praxis sei nur um einen Kilometer verlegt worden. »Manche Nieder-Mörler haben es vielleicht jetzt schwerer. Dafür haben es andere Nieder-Mörler nun leichter, beispielsweise aus der Katharinenstraße«, gab sie zu bedenken. Sie und ihr Kollege seien zu Hausbesuchen gern bereit. Jakob bestätigte das im Telefonat mit der WZ: Hausbesuche »bei klarer Begründung« erfolgten quasi täglich. Die Praxis in Nieder-Mörlen sei zu klein gewesen. Behandlungszimmer für Ultraschall und Betriebsmedizin hätten gefehlt. Hautarzt Dr. Nicolai Wroblewski habe kürzlich ein Haus in der Frankfurter Straße 111 errichtet. Er habe Räume angeboten. Außer Lucas und Jakob praktizieren dort Wroblewski, eine Physiotherapeutin und eine Podologin.
Der Ober-Mörler Arzt Sailer sagte, Gespräche mit der KV halte er für zwecklos. Die KV werde die Versorgung für luxuriös halten und eine weitere Praxis nicht zulassen. »Wenn allerdings eine Dependance gewünscht ist, kann man sich das überlegen. Da stellt sich allerdings wieder die Frage nach den Räumen.« In seinen Anfangszeiten habe er zeitweise noch in einem Wohnzimmer in Lich Sprechstunden gehalten. Sailer lobte die unbürokratische Kooperation mit der Rosenapotheke, der einzigen Apotheke in Nieder-Mörlen, mit der er viel über Telefon abklären könne. Das Team fahre täglich Medikamente aus.
»Außenstelle wird teuer«
Allgemeinmedizinerin Lucas hält eine Sprechstunde in einer Außenstelle nicht für ausgeschlossen. »Das wird allerdings teuer. Eine Sprechstunde, das ist nicht nur Arzt und Patient.« Auch Geräte seien notwendig. »Es wäre günstiger, einmal pro Woche einen Bus zu mieten.« Eine Idee, die wohl nicht zum Tragen kommt. Wie Stadtrat Wolfgang Mahr (CDU) zu bedenken gab, müssten die Patienten bei einem solchen Modell den ganzen Vormittag auf die Rückfahrt warten. Ortsvorsteher Möbs lobte die Bereitschaft zu Hausbesuchen. »Die Überlegung einer Dependance behalte ich im Auge«, sagte er zur WZ. Auch ohne aufwändige Apparaturen könne das eine Lösung sein.