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Vorschlag: Straßen nach Antifaschisten benennen

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Bekannter Antifaschist: Gastwirt Robert Wiedermann.
Bekannter Antifaschist: Gastwirt Robert Wiedermann. © pv

Bad Nauheim (bk). Angesichts des 70. Jahrestags des Weltkrieg-Endes hat der Hobbyhistoriker Martin Fink vorgeschlagen, Straßen nach zwei Antifaschisten zu benennen. Es handelt sich um Robert Wiedermann und Franz Metz.

Der 70. Jahrestag des Weltkrieg-Endes hat in Bad Nauheim in zweierlei Hinsicht eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ausgelöst. Zum einen folgte der Entscheidung von Bürgermeister Armin Häuser, die Porträts von zwei Rathauschefs, die unter den Nazis dienten, aus der »Ahnengalerie« zu entfernen, für eine kontroverse Diskussion. Zum anderen soll ein nach Ansicht vieler Bürger längst überfälliger Schritt vollzogen werden: Ein Erinnerungsmal für die 270 während des Holocaust ermordeten Bad Nauheimer Bürger jüdischen Glaubens wird errichtet. Einen dritten Aspekt würde der Bad Nauheimer Hobbyhistoriker Martin Fink gerne behandelt wissen. Ihm geht es um ein Gedenken an Bad Nauheimer Antifaschisten und Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Terrorregime. »Ich würde mir die Benennung von Straßen nach Robert Wiedermann und Franz Metz wünschen«, sagt Fink.

Der Name Wiedermann dürfte vielen Bad Nauheimern etwas sagen, gibt es doch ein gleichnamiges Gasthaus am Friedrich-Ebert-Platz. Der 1883 geborene Sozialdemokrat war Wirt dieser Gaststätte und Gründungsmitglied der Gewerkschaft Gastwirtsgehilfenverband. Für die SPD saß er im Stadtrat (heute Stadtverordnetenversammlung), wo er auch Fraktionschef war, und im Kreistag. Nachdem Hitler Reichskanzler wurde, war auch Robert Wiedermann der Verfolgung ausgesetzt. Im Nachruf auf den 1960 verstorbenen Gastwirt hieß es in der WZ: »Das Jahr 1933 und die darauffolgende Zeit brachten auch für Robert Wiedermann harte Schläge. Neben Hausdurchsuchungen und Boykott des Geschäftsbetriebs wurde auch er ins Gefängnis und in verschiedene Konzentrationslager verschleppt. Seine Standfestigkeit war auch durch diese Repressalien nicht zu erschüttern.«

Bürgermeister? Nein, danke

Im Gegensatz zu manchen Sozialdemokraten, die ihre politische Arbeit komplett einstellten, um sich selbst zu schützen, scheint Wiedermann also weiter aktiv gewesen zu sein – ansonsten wäre die anhaltende Verfolgung durch die Nazi-Schergen kaum zu erklären. Belege dafür gibt es allerdings nicht. Martin Fink schätzt die Haltung als »stummen Widerstand« ein. Direkt nach Kriegsende wurde Wiedermann als bekannter Antifaschist von der US-Militärregierung gebeten, das Amt des Bad Nauheimer Bürgermeisters zu übernehmen, er lehnte allerdings ab. Beim Wiederaufbau demokratischer Strukturen spielte er trotzdem eine wichtige Rolle. 1956 erhielt Wiedermann als erster Bad Nauheimer das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, ein Jahr später wurde er zum Stadtältesten ernannt.

Weniger bekannt als der Gastwirt vom Friedrich-Ebert-Platz ist Franz Metz. Das gilt allerdings nur für die Kurstadt, denn der 1878 geborene Metz war von 1928 bis 1933 SPD-Reichstagsabgeordneter. In dieser Funktion verweigerte er den Nazis 1933 die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz. Vor Übernahme des Reichstagsmandats war Metz in führender Rolle für den Deutschen Metallarbeiter-Verband tätig. 1933 wurde der Sozialdemokrat von den Nazis entlassen, zog von Berlin nach Frankfurt um und eröffnete dort das Café Metz.

Ähnlich wie das Gasthaus Wiedermann in Bad Nauheim dürfte es als Treffpunkt für Bürger gedient haben, die den Nationalsozialisten kritisch gegenüberstanden.

KZ und Todesmarsch

Über das Leben von Franz Metz hat Hobbyhistoriker Martin Fink umfangreiche Recherchen angestellt, vor allem im Stadtarchiv Frankfurt. Dort stieß er auch auf Tagebuchauszüge des ehemaligen Reichstagsabgeordneten. Wie daraus hervorgeht, haben sich Metz und Wiedermann gut gekannt, vermutlich als Parteifreunde und Gewerkschaftsfunktionäre. Als die Familie Metz Anfang 1944 in Frankfurt ausgebombt wurde, nahm Franz Metz sofort Kontakt mit dem Bad Nauheimer Wirt auf, der eine Wohnung in der Homburger Straße vermittelte. Dort zog die Familie am 9. Februar 1944 ein.

Spätestens nach dem Attentat auf Hitler (20. Juli 1944) gerieten die beiden Sozialdemokraten wieder ins Visier der Nazi-Schergen. Laut den Tagebuchaufzeichnung, die von Frau Metz fortgeführt wurden, verhaftete die Gestapo die beiden Männer am 22. August 1944. Während man Wiedermann relativ schnell wieder entließ, wurde Metz über die Gestapo-Gefängnisse Gießen und Frankfurt ins KZ Dachau transportiert.

Kurz vor Kriegsende trieben die Nazis die überlebenden gut 7000 Häftlinge in einem Todesmarsch Richtung Alpen. Franz Metz landete im Außenlager Buchberg/Geretsried. Dort verstarb er am 13. Juni an den Folgen von KZ-Haft und Gewaltmarsch. Wo er bestattet wurde, ist nicht bekannt. Martin Fink hat auch das Bad Nauheimer Melderegister eingesehen. Wie daraus hervorgeht, hat sich die Familie Metz am 14. Februar 1944 in der Kurstadt angemeldet. Als Todesdatum von Franz Metz wird der 29. Juni 1945 aufgeführt. Das ist ebenso falsch wie der Eintrag, der ehemalige Reichstagsabgeordnete sei in Bad Nauheim verstorben.

Debatte um Rudolf Thauer

Martin Fink will mit seinen Recherchen und seinem Vorschlag, Straßen nach Wiedermann und Metz zu benennen, einen Beitrag zur lokalen Aufarbeitung der Zeit von 1933 bis 1945 leisten. Schon vor zehn Jahren hatte er sich mit einer solchen Initiative zu Wort gemeldet. »Damals gab es keine Reaktion vonseiten der Politik, auch aus der SPD nicht.«

Fink erinnert in diesem Zusammenhang an die 2003/2004 geführte kontroverse Diskussion über den ehemaligen Direktor des Kerckhoff-Instituts, Prof. Rudolf Thauer. Wie Untersuchungen des Historikers Ernst Klee ergeben hatten, war Thauer von 1934 bis 1936 SA-Mitglied und ab 1937 in der NSDAP. Er soll laut Klee an Menschenversuchen beteiligt gewesen sein, die militärischen Zwecken dienten. Außerdem sei er über die brutalen Menschenversuche im KZ Dachau informiert gewesen. Weil nach Rudolf Thauer ein Weg im Wohngebiet Sichler benannt ist, stellten die Grünen damals eine Anfrage im Parlament.

Der damalige Bürgermeister Bernd Rohde stellte Thauer allerdings einen »Persilschein« aus und berief sich dabei in erster Linie auf Aussagen anderer Wissenschaftler (darunter auch verfolgte Antifaschisten). Danach habe sich Thauer aus Karrieregründen zur NSDAP-Mitgliedschaft entschlossen, sei aber kein überzeugter Nationalsozialist gewesen. Bei den Menschenversuchen, an denen er beteiligt gewesen sei, habe niemand gesundheitliche Schäden davongetragen. Auch der Sohn von Rudolf Thauer meldete sich zu Wort, um seinen Vater zu verteidigen. Den Rudolf-Thauer-Weg gibt es noch heute.

Nach Ansicht von Martin Fink ist es höchste Zeit, in Bad Nauheim auch Straßen nach den beiden ausgewiesenen Antifaschisten Robert Wiedermann und Franz Metz zu benennen.

(Fotos: S 7 P, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Fotograf unbekannt/Stadtarchiv Bad Nauheim).

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