Vorfahrt für die Elektro-Fahrzeuge: Bad Nauheim soll mehr Ladesäulen aufstellen

Die Stadt Bad Nauheim soll hinsichtlich der Infrastruktur für E-Ladesäulen einen Zahn zulegen, da der Bedarf immer rascher steigt. Die Freien Wähler haben deshalb einen Antrag gestellt.
Der Bad Nauheimer FDP-Stadtverordnete Sven Klausnitzer ist Elektroingenieur und auf dem Gebiet der E-Mobilität tätig. Daher war er ganz besonders bei der Sache, als die FW/UWG in der jüngsten Stadtparlamentssitzung in der Nieder-Mörler Frauenwaldhalle beantragte, die diesbezügliche Infrastruktur in Bad Nauheim auszubauen.
Inhalt des Antrags: Der Magistrat soll sicherstellen, dass die Stadtwerke und die Gesellschaft »Wettertal Netz« in diesem Jahr Ladesäulen für E-Autos und E-Bikes errichten. In jedem Stadtteil soll ein Angebot von zwei bis vier Ladepunkten geschaffen, der Strom aus regenerativen Energiequellen gewonnen werden. Förderungen sind zu berücksichtigen, die Ortsbeiräte bei der Auswahl der Standorte einzubinden.
Matthias Lüder-Weckler verweist auf Lücke bei Ladepunkten
Der Freie Wähler Matthias Lüder-Weckler begründete den Antrag. »Die Mobilität der Zukunft ist klar ausgerichtet, die Autoindustrie stellt immer mehr auf Elektroantriebe um«, sagte der Nieder-Mörler. Schaue man sich in der Stadt um, stelle man fest: »Außer in der Kernstadt gibt es keine Möglichkeit zu laden.« Er zitierte eine Studie des Bundesverkehrsministeriums, wonach der Bestand an E-Fahrzeugen zwischen 2025 und 2030 deutlich stärker ansteigen könne als heute angenommen. »Autohersteller gehen von bis zu 14,8 Millionen E-Autos und Plug-in-Hybriden bis zum Jahr 2030 aus.« Bis zu diesem Zeitpunkt stehe an 61 Prozent der privaten Stellplätze ein Ladepunkt zur Verfügung. »Öffentliche Ladepunkte sind daher zwingend nötig, um diese Lücke zu schließen«, folgerte Lüder-Weckler. Der Verbrennungsmotor habe keine richtige Zukunft mehr. »Ob batteriebetriebene E-Fahrzeuge der Weisheit letzter Schluss sind, steht in den Sternen«, räumte er ein. Momentan gebe die Autoindustrie diese Technologie aber vor.
Bad Nauheimer Stadtwerke haben für dieses Jahr 22 neue Ladepunkte vorgesehen
Manfred Jordis (CDU) nannte zwei Änderungswünsche der Kenia-Koalition: Nicht zwei bis vier Ladesäulen sollen die Stadtwerke demnach errichten, sondern es solle »bedarfsgerecht« geschehen. Zudem hält die Koalition Schnellladesäulen für wichtig.
Laut Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) haben die Stadtwerke für dieses Jahr insgesamt 22 neue Ladepunkte vorgesehen. »Damit sind wir letztlich auch an der Kapazitätsgrenze«, sagte er. Seiner Ansicht nach leisten die Stadtwerke in dieser Hinsicht sehr viel. Kreß weiter: »Darunter sind auch zwei Ladesäulen im Neubaugebiet Rödgen geplant. Schwalheim, Wisselsheim und Steinfurth stehen für 2022 auf der Agenda.« Der Bürgermeister verwies auf insgesamt 51 private und öffentliche Ladepunkte in der Stadt. Wie Adela Yamini (SPD) sagte, hätten Bürger die geringe Anzahl an Ladestationen in der Kernstadt bemängelt. »Es gibt auch kaum Gelegenheit, die Batterien über einen längeren Zeitraum zu laden«, fügte sie hinzu.
Unterschiedliche Technologien
FDP-Mann Klausnitzer brachte ebenfalls einen Änderungsantrag ein. Der zielte darauf ab, jedem Bürger Ladekonzepte für die verschiedenen Eventualitäten anbieten zu können. Eine bedarfsgerechte Planung zu wollen, ist laut Klausnitzer das eine - sie umzusetzen das andere. »Da muss man etwas Zeit investieren«, sagte er. Je nach Größe des Autos gebe es unterschiedliche Ladegeschwindigkeiten. Auch die Technologien seien verschieden, man unterscheide zwischen Wechselstrom- (AC) und Gleichstrom-Laden (DC). Und Bewohner von Mietwohnungen haben laut dem Freidemokraten einen anderen Bedarf als Eigenheimbesitzer.
FW/UWG-Fraktionsvorsitzender Markus Theis fährt ebenfalls E-Auto. Er sieht die bedarfsgerechte Planung als größte Herausforderung. Theis regte an, den Antrag samt der zwei Änderungsanträge in den städtischen Bauausschuss zu überweisen. Das Hohe Haus folgte diesem Vorschlag geschlossen mit einer Gegenstimme aus der CDU.
Drei Fragen an Sven Klausnitzer
Welche Bedarfe haben Bürger in puncto E-Mobilität?
Bürger mit privaten Parkplätzen benötigen Unterstützung, wenn sie einen Ladepunkt errichten möchten. Bei Mietwohnungen mit eigenem Stellplatz besteht bereits das Recht auf einen eigenen Ladepunkt, aber nicht, dass der Vermieter diesen auch finanzieren muss. Es gibt jedoch gute Förderangebote. Steht kein privater Parkplatz zur Verfügung, ist man auf öffentliche Ladepunkte angewiesen. Pendler, Über-Nacht-Besucher und Anwohner ohne privaten Parkplatz haben lange Standzeiten. Sie können aber die gleiche langsame Wechselstrominfrastruktur nutzen: Während Besucher und Anwohner während der Nacht laden, lädt am Tag der Pendler, der in Bad Nauheim arbeitet. Zusätzlich sollten Schnellladepunkte zur Verfügung stehen.
Wie kann man den unterschiedlichen Bedarfen begegnen?
Wir benötigen eine Lade-Infrastruktur mit sehr vielen Ladepunkten für das langsame AC-Laden, schwerpunktmäßig in Stadtgebieten, in denen wenig private Parkräume verfügbar und die Bürger auf öffentliche Ladepunkte angewiesen sind. An diesen Ladepunkten muss eine lange Standzeit gewährleistet sein, damit die Anwohner nicht am späten Abend oder nachts das Auto umparken müssen. Das gilt auch für Pendler mit einem Acht-Stunden-Arbeitstag. Ergänzt würden diese Punkte mit DC-Schnellladern für das Nachladen, den Taxibetrieb und Kurzzeitbesucher.
Zerstören so viele Ladesäulen nicht das Stadtbild?
Die langsamen AC-Ladepunkte benötigen keine große Elektronik. Sie sind klein und lassen sich leicht in bestehender Infrastruktur anbringen, etwa Laternen, Poller oder in Bodennähe. Es gibt eine Vielzahl von Anbietern, die den Stadtplanern viel gestalterische Möglichkeit bieten und die rechtzeitig mit eingebunden werden sollten. Die zusätzlichen Schnellladepunkte, die von der Bauform mehr Platz beanspruchen, sollten stadtnah dort aufgestellt werden, wo sie optisch nicht stören, wie an großen Parkplätzen und Parkdecks.
Der Bad Nauheimer FDP-Stadtverordneter Sven Klausnitzer arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Bereich der Elektromobilität als Elektroingenieur. Das Unternehmen, in dem der 52-Jährige tätig ist, liefert Leistungselektroniken - sowohl für den Bereich der Automobilindustrie, als auch zur Lade-Infrastruktur.