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Trinkkuranlage: Fass ohne Boden

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2008 ist mit der Trinkkuranlagen-Sanierung begonnen worden, erst 2020 wird sie enden. Die Instandsetzung des Dachs verschlingt weitere 2 Millionen Euro.
2008 ist mit der Trinkkuranlagen-Sanierung begonnen worden, erst 2020 wird sie enden. Die Instandsetzung des Dachs verschlingt weitere 2 Millionen Euro. © Nicole Merz

Bad-Nauheim (bk). Mitte 2005 war es soweit: Alle Staatsbad-Immobilien mit Ausnahme des Sprudelhofs gingen an die Stadt Bad Nauheim über. Bis heute hat die Kommune an diesem Erbe zu knabbern, das sich als schwere finanzielle Bürde erwiesen hat. Bestes Beispiel ist die Trinkkuranlage, deren Renovierung zusätzliche Millionen kostet.

Als der Staatsbad-Kommunalisierungsvertrag zwischen Land und Stadt vor elf Jahren unterzeichnet war, schienen goldene Zeiten anzubrechen. »Endlich Herr im eigenen Haus«, lautete der einmütige Tenor der Politik. Stimmen wie die des damaligen parteilosen Bürgermeisterkandidaten Prof. Walter Simon, der vor den finanziellen Folgen warnte, verhallten ungehört. Tatsächlich erschienen die Rahmenbedingungen akzeptabel, erhielt die Kurstadt doch neben allen Immobilien im Landesbesitz – eine Ausnahme bildete der Sprudelhof – unterm Strich einen Zuschuss von über 20 Millionen Euro (siehe Kasten).

Gerade die Sanierung der denkmalgeschützten Bauwerke wie Gradierbauten oder Trinkkuranlage erwies sich als Fass ohne Boden. So stellte das Land für die Instandsetzung der Trinkkuranlage sechs Millionen Euro bereit, bis das Ensemble mit seinen 37 000 Kubikmetern umbautem Raum komplett renoviert sein wird, hat die Stadt aber rund zehn Millionen Euro investiert.

Pokerpartie um Millionen
Über Jahre zogen sich die zähen Verhandlungen über den Vertrag zur Staatsbad-Kommunalisierung hin, der schließlich am 1. Juli 2005 in Kraft trat. Um die Verluste des Kurbetriebs bis 2010 decken zu können, erhielt die Stadt einen Zuschuss von 2,6 Millionen Euro pro Jahr, insgesamt also 13 Millionen. Zudem stellte Wiesbaden 12,5 Millionen Euro für die Sanierung von Gebäuden und Badewasserkanälen bereit (darunter sechs Millionen für die Trinkkuranlage). Dieser Betrag reichte bei weitem nicht aus, weil die Stadt auch Millionen in die Gradierbauten investieren musste. Vom Gesamtzuschuss von 25,5 Millionen Euro wurden 4,2 Millionen abgezogen. Diese Summe wurde dem Land für Grundstücke gutgeschrieben, die zwar ebenfalls ins Eigentum der Stadt übergingen, aber nichts mit dem Staatsbad zu tun hatten. Unter dem Strich blieben der Stadt somit 21,3 Millionen. (bk)

Derzeit ist eine Baufirma mit der Dachsanierung beschäftigt, die sich mit neun Bauabschnitten bis 2020 hinziehen wird. Ein Großteil der Holzbalken muss ausgetauscht werden, die Originalziegel können nur zum Teil wiederverwendet werden. Die restlichen Flächen müssen in Absprache mit dem Denkmalschutz mit teuren Spezialziegeln gedeckt werden. Wo es die Konstruktion zulässt, soll das Dach gedämmt werden. »Wir rechnen mit Investitionskosten von zwei Millionen Euro«, sagt Erste Stadträtin Brigitta Nell-Düvel.

Kosten zu hoch, Bauzeit zu lang

Drei Jahre nach der Staatsbad-Kommunalisierung hatte der damalige Bürgermeister Bernd Witzel den Startschuss für die Instandsetzung der Trinkkuranlage gegeben. Das Projekt nahm keinen glücklichen Verlauf. Immer wieder kam es zu unliebsamen Überraschungen und Fehlern der Baufirmen, was zu Verzögerungen und Mehrausgaben führte. Das Ziel, die Anlage bis zur Landesgartenschau 2010 fertigzustellen, wurde verfehlt. Erst Anfang 2011 erfolgte die offizielle Wiedereröffnung des Westflügels, der östliche Teil war zu diesem Zeitpunkt noch nicht saniert. Während der Arbeiten war es zu Schäden an Jugendstilelementen gekommen, zweimal erfolgte ein Baustopp.

Weil sich das Parlament unzureichend informiert fühlte, wurde ein Akteneinsichtausschuss gebildet, der im März 2011 seinen Abschlussbericht vorlegte. »Zu hohe Kosten, zu lange Bauzeit, kein Nutzungskonzept« – so lautete das äußerst kritische Urteil. Mit 7,3 Millionen Euro wurden die Kosten damals beziffert – ohne Ostflügel. Wie Witzel einräumte, werde sich die Gesamtrechnung letztlich wohl auf acht Millionen belaufen. Als sich abgezeichnet hatte, dass die sechs Millionen Euro des Landes bei weitem nicht ausreichen würden, hatte der Bürgermeister einige Gewerke ausgeklammert, darunter die Dachsanierung. Nur einige Löcher wurde damals geflickt, damit nicht überall Wasser eindringt. »Das Dach hält noch 15 Jahre«, zeigte sich Witzel Mitte 2009 optimistisch.

Nach Ansicht seiner Nachfolger kann davon keine Rede sein. Seit 2013 wird die dringend erforderliche Dachinstandsetzung geplant, die Mittel fehlten bisher allerdings. 2015 wurde mit dem ersten Bauabschnitt begonnen, richtig Schwung in das Projekt brachte aber erst ein Investitionsprogramm von Bund und Land für finanzschwache Kommunen. Bad Nauheim erhält aus diesen Fördertöpfen für unterschiedliche Vorhaben 3,25 Millionen Euro, muss bis 2020 aber 2,35 Millionen an Eigenmitteln aufbringen. Ein Teil des Geldes fließt in die Trinkkuranlage.

Zwei Millionen Euro werden also für das Dach veranschlagt. Damit steigen die Gesamtkosten für die Trinkkuranlage auf rund zehn Millionen Euro. Bei einem Landeszuschuss von sechs Millionen war die Übernahme ein schlechtes Geschäft. Dass die Stadt bei den Verhandlungen bezüglich des Jugendstil-Ensembles vermutlich über den Tisch gezogen worden war, erkannte Witzel erst, als die Sanierungarbeiten bereits im Gange waren. Damals tauchte nämlich ein vom Staatsbad in Auftrag gegebenes Gutachten von 2003 auf, das den Sanierungsaufwand sogar auf elf Millionen Euro beziffert hatte.

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