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Bad Nauheim nimmt Hochwasser-Gefahr in den Blick: „Karten sind veraltet“

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Von: Bernd Klühs

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Friedlich fließt die Usa entlang der Zanderstraße. 1981 hatte das Flüsschen für erhebliche Hochwasserschäden gesorgt, doch auch nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sehen die zuständigen Behörden keinen akuten Bedarf, den Schutz zu verbessern.
Friedlich fließt die Usa entlang der Zanderstraße. 1981 hatte das Flüsschen für erhebliche Hochwasserschäden gesorgt, doch auch nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sehen die zuständigen Behörden keinen akuten Bedarf, den Schutz zu verbessern. © Nicole Merz

Übergeordnete Behörden stufen Bad Nauheim nicht als besonders hochwassergefährdet ein. Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wird die Stadt gleichwohl aktiv.

Bad Nauheim – Durch das zerstörerische Hochwasser, das im Sommer in den Nachbar-Bundesländern mehr als 180 Todesopfer forderte und Milliarden-Schäden anrichtete, sehen Politik und Verwaltung in Hessen offensichtlich Handlungsbedarf. Das lässt sich der Antwort von Bad Nauheims Bürgermeister Klaus Kreß auf eine Anfrage der Kenia-Koalition (CDU, Grüne, SPD) zum Thema Hochwasserschutz entnehmen. »Das Thema genießt extrem hohe Priorität. So hat die Landesregierung für Dezember zu einer Informationsveranstaltung eingeladen«, sagte der Rathauschef in der jüngsten Stadtverordnetensitzung.

Kreß hatte sich von Amtskollegen in betroffenen Kurstädten aus erster Hand über die Katastrophe informieren lassen. In der Folge kündigte er eine Prüfung des Hochwasserschutz-Konzepts für Bad Nauheim an (die WZ berichtete). Akuten Handlungsbedarf gibt es offenbar nicht. »Bad Nauheim wird weder vom Regierungspräsidium Darmstadt noch von den Wasserbehörden als besonders gefährdet eingestuft«, betonte der Bürgermeister.

Kommunen wie Bad Nauheim fordern aktuellere Karten zur Hochwassergefahr

Er verwies auf die zwischen 2004 und 2012 realisierten Bauprojekte an der Usa. »Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sollte der Hochwasserschutz ausreichend sichergestellt sein. Allerdings handelt es sich bei allen Hochwasser-Berechnungen, die den umgesetzten Maßnahmen zugrunde liegen, nur um Simulationsmodelle, die eine hundertprozentige Sicherheit gegen Hochwasserschäden nie gewährleisten können«, heißt es in der Antwort der Verwaltung auf die Anfrage. Diese Bauprojekte waren nach dem Jahrhundert-Hochwasser in Bad Nauheim geplant worden, bei dem 1981 unter anderem der Sprudelhof überflutet worden war. Es dauerte also mehr als zwei Jahrzehnte, ehe daraus praktische Konsequenzen gezogen wurden.

Grundlage aller kommunalen Planungen sind nach Auskunft der Verwaltung Hochwasserrisiko-Karten, die vom Regierungspräsidium Darmstadt erstellt werden. »Diese Karten sind veraltet«, kritisierte CDU-Fraktionsvorsitzender Manfred Jordis in der Parlamentssitzung. Wie Kreß sagte, hätten sich seit der Flutkatastrophe etliche Städte und Kommunen wegen einer Aktualisierung an das Regierungspräsidium gewandt. Laut Angaben im Internet sind die aktuell gültigen Hochwasserrisiko-Karten im November 2015 erstellt worden.

Sollte es bei einer Aktualisierung der Karten zu einer Neubewertung der Gefährdungslage in Bad Nauheim kommen, müsste die Stadt den Schutz im Bereich der Usa anpassen. Für die Wetter ist dagegen der Wasserverband Nidda verantwortlich.

Hochwasserschutz in Bad Nauheim: Geld für Gutachten im Haushalt 2022

»Die Themen Hochwasser und Starkregen müssen getrennt betrachtet werden«, sagte der Bürgermeister weiter. Das Hessische Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie hat eine Starkregen-Hinweiskarte herausgegeben. Danach wird die Gefahr eines Starkregen-Ereignisses in der Bad Nauheimer Gemarkung als mittel bis hoch eingestuft. Handlungsempfehlungen können aus dieser Übersicht allerdings nicht abgeleitet werden.

»Wir werden im Haushalt 2022 50 000 Euro für eine lokale Starkregen-Karten bereitstellen. Dafür erhalten wir Fördermittel des Landes in Höhe von 35 000 Euro«, berichtete Kreß. Mit dieser Karte könnten Fließwege und mögliche Überflutungen durch »wild abfließendes Wasser« simuliert werden. Potenzielle Gefahren für bestimmte Gebäude und Infrastruktur-Einrichtungen sollen ersichtlich werden.

Außerdem beschäftigt sich die Verwaltung aktuell damit, die Belastung der Regenwasser-Kanäle zu verringern. Auch das dient dem Schutz vor Starkregen-Ereignissen. Der Bürgermeister verwies auf neuere Bebauungspläne, die Regenwasserzisternen und weniger Flächenversiegelung vorsähen. Standard sei es in diesen Gebieten, Regen- und Schmutzwasser in getrennten Systemen abzuleiten. In der Dieselstraße soll im kommenden Jahr ein Stauraumkanal gebaut werden. In solchen Kanälen wird das Wasser bei heftigen Regenfällen zunächst gestaut und dann gedrosselt an das nachfolgende Kanalsystem abgegeben.

Hochwasser und Starkregen

Im Katastrophenschutz wird unterschieden zwischen Hochwasser und Starkregen-Ereignissen. Bei Hochwasser steigen die Pegelstände größerer Flüsse meist durch Dauerregen immer weiter an. Oft dauert es länger, bis das Wasser über die Ufer tritt, für die Gefahrenabwehr bleibt mehr Zeit. Zum Hochwasserschutz werden meist Dämme gebaut.

Starkregen entsteht in der Regel durch bestimmte Wetterlagen im Sommer, wie kürzlich in kleineren Regionen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Wenn mehr als 25 Liter Regen pro Quadratmeter in einer Stunde oder mehr als 35 Liter/Quadratmeter in sechs Stunden fallen, spricht der Deutsche Wetterdienst von einem unwetterartigen Starkregen. Fallen große Regenmengen in kurzer Zeit, können durch eine Kombination von schnell ansteigenden Gewässerpegeln, überlasteter Kanalisation, großflächiger Versiegelung und schnell abfließendem Hangwasser Überschwemmungen mit verheerender Wirkung entstehen. Wie sich bei der jüngsten Flutkatastrophe gezeigt hat, sind die Vorhersagen schwierig und die Reaktionszeiten kurz.

Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass es angesichts des Klimawandels häufiger zu Starkregen-Ereignissen kommen wird.

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