Schlotter! Bibber! Fröstel! Frier! Die Kälte ist da
Friedberg/Bad Nauheim (jw). Brrrrrrrr! Kalt ist es. Bitterkalt. Und schuld daran ist Dieter. So heißt das Kältehoch, das eisige Temperaturen von Sibirien nach Westeuropa bringt und nun auch die Wetterau frieren lässt.
Kleiner Trost: Im Norden von Sibirien herrschen minus 60 Grad, so kalt wird’s hierzulande dann doch nicht. Aber wie geht man mit minus 15 Grad um? Was muss man beachten, was sollte man tunlichst vermeiden? Die WZ hat sich umgehört, von der Obdachloseneinrichtung bis zum Heizungsbauer.
Der Waldkindergarten »Wurzelpurzel« ist bei Wind und Wetter draußen. Warum nicht auch bei Kälte? »Wenn man warm angezogen ist, sich bewegt und die Sonne scheint, geht das«, sagt Katrin Allstädt, Vorsitzende des Trägervereins. Die Kinder machen jetzt zwar vermehrt Ausflüge, aber in den Wald geht’s trotzdem fast jeden Tag. Nur der Schnee fehlt. »Im letzten Jahr konnten wir Schlitten fahren und Popo-Rutschen. Zweimal runterfahren und den Hang wieder hochlaufen: Da wird’s einmal schnell warm«, weiß Allstädt.
»Obdachlose sind alle untergekommen«
Kein Spaß ist die Kälte für Obdachlose. In der Wetterau sei das aber kein Problem, sagt Klaus Zschernitz vom Karl-Wagner-Haus in Friedberg. Der Einrichtung für Wohnsitzlose ist derzeit niemand bekannt, der auf der Straße lebt. »Wenn es diese Leute gäbe, wären sie akut gefährdet.« Dass alle untergebracht sind, ist laut Zschernitz »das Resultat unserer guten ambulanten Arbeit«: Die Sozialarbeiter sprechen Obdachlose an, bieten Beratung sowie Schlafstätten in Notunterkunft oder Wohnheim. In Frankfurt sei die Lage anders. Zschernitz: »Dort fährt der Kältebus von Platz zu Platz und versorgt die, die ›Platte machen».« Im Karl-Wagner-Haus gebe es noch freie Plätze und auch mit warmer Kleidung könne man helfen.
Daunenjacken haben Konjunktur
Überhaupt ist warme Bekleidung derzeit unerlässlich. Roman Ruths, Mitinhaber des gleichnamigen Bekleidungshauses auf der Friedberger Kaiserstraße, berichtet, dass die Kundenfrequenz seit Montag deutlich zugenommen hat; an diesem Tag startete früher der Winterschlussverkauf. Vor allem Mäntel, Daunenjacken und Parkas würden viel verkauft, Markenprodukte zum regulären Preis, dafür erhalten die Kunden einen Obolus: »Zu Daunenjacke oder Parka gibt’s die passenden Handschuhe oder eine Kapuze mit Fell kostenlos dazu«, sagt Ruths. Im Handel gebe es ein Umdenken. Zwar würden 90 Prozent der Bekleidungsgeschäfte jetzt reduzierte Ware anbieten. Immer mehr Inhaber und die Industrie setzten aber auf Qualität zum regulären Preis. »In den Alpen ist das gang und gäbe. Das Rhein-Main-Gebiet zieht nach.«
Hautarzt rät: Warm anziehen
Ärzte warnen bei Minustemperaturen vor Erfrierungen. Bei Kälte verengen sich die Gefäße, das Gewebe wird weniger durchblutet und daher auch mit weniger Sauerstoff versorgt, Zellen sterben ab, Taubheitsgefühle sind die ersten Anzeichen von Erfrierungen. Andere Krankheitsbilder verschlechtern sich bei extremer Kälte, sagt der Bad Nauheimer Hautarzt Dr. Volker Weiss. Deshalb gelte: »Warm anziehen, dicke Socken, warme Schuhe und Handschuhe, besonders bei Menschen mit Durchblutungsstörungen.« Ein Krankheitsbild, dass Weiss im Winter öfter diagnostiziert, sind Fettgewebsentzündungen, besonders bei Patientinnen, die sich sehr lange im Freien aufhalten. Das kann sehr schmerzhaft sein. Wichtig sei die Rückfettung der Haut, sagt der Dermatologe, am besten mit Pflegemitteln ohne Duftstoffe.
Viel trinken und scharf essen
Eine andere Möglichkeit, auf die Kälte zu reagieren, ist die Nahrungsaufnahme. Die Ernährungsberaterin Dr. Sabine Reichhold aus Friedberg empfiehlt wegen der trockenen Heizungsluft viel zu trinken, außerdem verliert der Körper bei Kälte viel Flüssigkeit. Alkohol gaukelt kurzzeitig ein Wärmegefühl vor, wirkt aber kontraproduktiv: Die Durchblutung wird verbessert, der Körper gibt Wärme noch schneller ab. »Vitaminreiche Nahrung ist wichtig«, sagt Reichhold. Auch kleinere, über den Tag verteilte Mahlzeiten werden empfohlen, gerne mit scharfen Gewürzen wie Chili, die zusätzlich wärmen. Und bewegen sollte man sich, zum Beispiel beim Eislaufen auf der Seewiese.
Kfz-Fachmann rät: Autobatterie überprüfen
Auch »des Deutschen liebstes Kind« ist vor Frost nicht gefeit: das Auto. Wird’s kalt, verweigert die Batterie schon mal den Dienst. »Autofahrer sollten das Alter ihrer Batterie überprüfen«, sagt Heiko Rieß vom Autohaus Kuhl in Friedberg. Älter als sechs Jahre sollte die nicht sein, ab fünf Jahren verlieren Autobatterien an Ladekapazität, der Wagen springt nicht mehr an.
Zweiter Punkt: Frostschutzmittel. »Peilstab raus und nachgucken«, empfiehlt Rieß, sowohl beim Kühlerfrostschutz wie auch bei der Scheibenwaschanlage. Der Kfz-Experte empfiehlt Markenprodukte vom Fachhändler. »Frostschutzmittel aus dem Baumarkt ist zwar billiger, aber die Dosierung ist oft niedriger.« Außerdem sollte man Schlösser und Türgummis einfetten, am besten schon im Herbst. Sonst lässt sich der Wagen erst gar nicht öffnen.
Stadtwerke: Gashahn wird nicht abgedreht
Wird’s kalt, verdienen die Stadtwerke beim Erdgasverkauf richtig gutes Geld. Stimmt das? »Nein«, sagt Rainer Rothaug, Leiter des Vertriebs bei den Stadtwerken Bad Nauheim. »Wir haben zwar einen höheren Absatz. Aber der Januar war sehr mild, und die paar kalten Tage jetzt können nicht aufholen, was in einem normalen Jahr verbraucht wird.« Im letzten (recht milden) Jahr haben die Stadtwerke 25 Prozent weniger Erdgas abgesetzt als 2010. Müssen säumige Zahler fürchten, ausgerechnet jetzt werde ihnen der Gashahn zugedreht? Auch das verneint Rothaug. »Keiner muss befürchten, dass sowas von Heute auf Morgen passiert.
« Als lokales Unternehmen habe man daran kein Interesse. Bevor das (in Einzelfällen) geschehe, müsse ein gesetzlich vorgeschriebener Prozess eingehalten werden, der mehrere Monate dauere. »Die Kunden wissen das rechtzeitig und sollten das, bevor’s richtig kalt wird, mit uns abgeklärt haben.« Außerdem, ergänzt der Stadtwerke-Mitarbeiter, würde man bei Minustemperaturen Bauschäden in Kauf nehmen. Dann wird’s richtig teuer. Sperrandrohungen könnten aber trotzdem verschickt werden, egal ob’s Sommer oder Winter ist.
Handwerker: Heizung nicht zudrehen
Platzen Rohre und streikt die Heizung, sind Handwerker gefragt. Hermann Stamm, Heizungsbaumeister und Chef der Bad Nauheimer Firma Stamm-Haustechnik, rät, die Heizungen anzulassen, auch wenn man in Urlaub fährt. »Viele drehen die Ventile komplett runter.« Das ist ein Fehler. Offene Kellerfenster sollte man schließen, ungenutzte Wasserleitungen in Garten und Garage sollten entleert und abgeriegelt werden. Tückisch sind auch Unterputzspülkästen von Toiletten, die an (kalten) Außenwänden befestigt sind.
Die Reparatur sei nicht einfach, sagt Stamm. Ein anderer Tipp vom Fachmann: Wer in Urlaub fährt, sollte den Nachbarn Bescheid sagen. Stamm: »Wenn Strom und Heizung ausfallen, friert es innerhalb von 24 Stunden.« Dann ist es oft zu spät, die Schäden sind da und müssen behoben werden.
Hausratversicherung reicht nicht aus
Wer bezahlt Frostschäden? Die Versicherung. Vorausgesetzt, der Hausbesitzer hat eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Bei älteren Häusern sei das nicht immer der Fall, sagt Ronald Berg, Versicherungsfachmann mit Büro in Bad Nauheim. »Die alte Brandversicherung deckt nur Feuer ab, manche Eigentümer haben die Umstellung auf die erweiterte Gebäudeversicherung verpasst.« Auch die Hausratversicherung hilft nicht weiter, deckt sie doch nur Schäden am Mobiliar ab, nicht aber an Rohren und Gebäude. Damit die Versicherung zahlt, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Außenliegende Wasserleitungen müssen abgedreht worden sein, auch bei unbeheizten Räumen gibt’s Probleme. »Das große Desaster kommt nach der Frostperiode«, weiß Berg.
Oft werden die Schäden erst dann sichtbar, wenn die geplatzten Leitungen auftauen. Dass es dann endlich Frühjahr wird, ist angesichts der Schäden nur ein schwacher Trost.