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Streit um Sicherheit auf dem Schulweg: »Schilda«-Fußgängerampel in Bad Nauheim darf nicht leuchten

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Von: Bernd Klühs

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Die nagelneue Ampel (im Hintergrund) darf nicht eingeschaltet werden. Über Ursache und Wirkung diskutieren (v. l). Ingo Kammer (Ortsbeirat), Philipp Leichner (Verkehrswacht), Andrea Burkhardt (Wettertalschule), Bürgermeister Klaus Kreß, Wolfgang Fertsch (Elternbeirat), Ortsvorsteherin Gisela Babitz-Koch und Heinz Euler (Verkehrswacht).
Die nagelneue Ampel (im Hintergrund) darf nicht eingeschaltet werden. Über Ursache und Wirkung diskutieren (v. l). Ingo Kammer (Ortsbeirat), Philipp Leichner (Verkehrswacht), Andrea Burkhardt (Wettertalschule), Bürgermeister Klaus Kreß, Wolfgang Fertsch (Elternbeirat), Ortsvorsteherin Gisela Babitz-Koch und Heinz Euler (Verkehrswacht). © Nicole Merz

Zugegeben: Bei behördlichen Pannen von Schildbürgerstreichen zu sprechen ist abgegriffen. Doch im Fall der neuen Fußgängerampel in Rödgen, die nicht leuchten darf, ist der Begriff sehr zutreffend.

Bad Nauheim – Die Ferien sind zu Ende. Viele Eltern, deren Kinder die Wettertal-Grundschule in Rödgen besuchen, freuen sich über die jüngst installierte Fußgängerampel. Die Anlage in der Rödger Hauptstraße soll für mehr Sicherheit sorgen. Doch nach einer Unterrichtswoche ist Ernüchterung eingekehrt, denn die nagelneue Ampel funktioniert nicht. Ursache ist ein Kompetenzstreit zwischen Stadt Bad Nauheim und Kreisverwaltung. Eltern, Schulleitung und Ortsbeirat können es nicht fassen.

Seit beschlossen wurde, die Kinder vom Goldstein (Kernstadt) in die Grundschule Rödgen zu schicken, wird über Schulwegsicherheit debattiert. Erst war eine Querungshilfe geplant, dann die Bedarfsampel. Rechtzeitig zum Schuljahresbeginn steht die Anlage, darf aber nicht benutzt werden. »Wir kämpfen seit fünf Jahren für den sicheren Weg, und jetzt diese Entscheidung des Kreises. Das erinnert an Schilda. Es muss erst jemand umgefahren werden, bevor gehandelt wird«, schimpft Wolfgang Fertsch, Elternbeiratsvorsitzender der Wettertalschule.

Nach jahrelangen Diskussionen hatte die Stadt beschlossen, die 40 000 Euro teure Ampel zu finanzieren, obwohl es sich um eine Kreisstraße handelt. Dem Rathaus gelang es, eine Firma zu finden, die das Projekt vor Ferienende realisierte.

Streit um Ampel auf Schulweg in der Wetterau: Kreisverwaltung interveniert

Der Kreis legte sich quer. Nach Auskunft von Bürgermeister Klaus Kreß erreichte die Stadt Mitte Juni - die Arbeiten waren gerade im Gange - ein vorläufiger Baustopp. Kreß ließ die Anlage trotzdem fertigstellen. Als Erster Stadtrat Peter Krank die verkehrsrechtliche Anordnung für die Ampel erließ, griff das Landratsamt erneut ein. »Die Fachaufsicht hat die Anordnung kassiert. Ein Stück weit geht’s um Machtspielchen. Ich hoffe nach wie vor auf gesunden Menschenverstand«, sagt Kreß.

Tania Chirico, persönliche Referentin von Erster Kreisbeigeordneter Stephanie Becker-Bösch, führt die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung und einen Erlass des hessischen Verkehrsministeriums an, die für die Errichtung einer Fußgängerampel bindend seien. Es müssten klar definierte Verkehrsbewegungen vorliegen, »also eine Mindestanzahl von Fahrzeugen und die Straße querenden Personen«. Laut Kreß hat der regionale Verkehrsdienst der Polizei in der Rödger Hauptstraße eine Zählung vorgenommen. »Deren Ergebnisse reichen für die Ampel objektiv nicht aus. Und dem Kreis geht es ums Prinzip«, betont der Bürgermeister.

Streit um Sicherheit auf Schulweg in Bad Nauheim: Folgen Juristische Schritte?

Er weigert sich, das Thema auf Zahlen zu reduzieren. Es gehe um die Sicherheit der 58 Kinder, die vom Goldstein aus zur Schule gehen. Weil die Ampel fehlt, werden sie stets von Eltern begleitet. Kreß zufolge fördert der Kreis weiter den motorisierten Individualverkehr. Ein Argument gegen die Ampel sei eine Störung des Verkehrsflusses. Sollte Becker-Bösch nicht einlenken, werde die Stadt juristische Schritte vorbereiten.

Ortsbeirat, Eltern, Schulleitung und Verkehrswacht Wetterau hat die Stadt auf ihrer Seite. Laut Ingo Kammer (Ortsbeirat) ist die Verweigerungshaltung der Fachaufsicht fragwürdig. »Gezählt wurde der Verkehr im März/April 2020. Damals herrschte Lockdown, die Schule war geschlossen, Arbeitnehmer saßen im Homeoffice.« Sprich: Die Ergebnisse seien nicht repräsentativ. Zum anderen habe die Landesbehörde Hessen Mobil bestätigt, dass bei Städten ab 30 000 Einwohnern die Kommune das Sagen habe. Das gelte auch für Ampeln. »Die Straßenverkehrsbehörde trifft abschließend Entscheidungen immer im eigenen Ermessen, ein Einvernehmen mit Polizei und Straßenbaubehörde ist nicht herzustellen«, zitiert Kammer Hessen Mobil.

Streit um Sicherheit auf dem Schulweg: Noch ein Hoffnungsschimmer für die Ampel?

Andrea Burkhardt, stellvertretende Leiterin der Wettertalschule, nennt ein weiteres Argument pro Ampel. »Es gibt bei uns enorme Probleme mit dem Elterntaxi. Je sicherer der Schulweg ist, desto weniger Kinder werden mit dem Auto gebracht.«

Weltfremd ist es laut Wolfgang Fertsch vom Elternbeirat, wenn der Kreis auf den offiziellen Schulweg verweise. Für die Kinder vom Goldstein sei das ein Umweg, der nicht genutzt werde. Zudem sei auch dieser Weg unsicher, weil Kinder die viel befahrenen Brückenstraße und Rödger Hauptstraße überqueren müssten. In der Brückenstraße gebe es zwar eine Querungshilfe, aber direkt hinter einer Kurve.

Noch gibt es Hoffnung, dass die Ampel doch in Gang gesetzt wird. Becker-Bösch kündigt eine »Besichtigung der Verkehrslage« an. Danach werde endgültig entschieden.

Behörden-Hickhack um Sicherheit auf dem Schulweg

Wie unzureichend das Zusammenspiel von Behörden manchmal ist, lässt sich am Thema Schulwegsicherheit in Rödgen exemplarisch zeigen. Seit etlichen Jahren forderte der Ortsbeirat eine Querungshilfe in der Rödger Hauptstraße - dort, wo viele Kinder auf die andere Seite müssen, um weiter zur Wettertalschule gehen zu können. Diese Stelle liegt außerhalb der Ortsgemarkung, weshalb Hessen Mobil als zuständige Instanz ins Spiel kam. Ab 2015 wurde ernsthaft diskutiert, Stadt und Hessen Mobil tauschten sich mehrfach aus. Zunächst kam aber niemand auf die Idee, die Breite der Straße zu ermitteln. Das geschah erst 2019. Und siehe da: Es fehlten 25 Zentimeter, um eine Querungshilfe errichten zu können. Da die Straße an dieser Stelle nicht verbreitert werden kann, wurden diese Überlegungen Anfang 2020 aufgegeben.

Die Stadt entschied sich deshalb, in der Hauptstraße eine Bedarfsampel zu errichten, und zwar etwas weiter östlich und somit auf städtischem Gebiet. Hessen Mobil war somit außen vor, dafür wollte der Kreis mitreden. Das Landratsamt verwies auf eine Stellungnahme der Polizei, wonach dort kein Unfallschwerpunkt besteht und zu wenige Autos fahren. Obwohl die Stadt bereits auf eigene Kosten bauen ließ, blieb der Kreis hart.

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