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Protestwelle rollt auf die Politiker zu

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Von: Bernd Klühs

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Klarer Standpunkt: Uwe Kreuter erläutert den rund 100 Teilnehmern die Gründe, die aus Sicht der BI gegen das Neubaugebiet sprechen.	FOTOS: NICI MERZ
Klarer Standpunkt: Uwe Kreuter erläutert den rund 100 Teilnehmern die Gründe, die aus Sicht der BI gegen das Neubaugebiet sprechen. FOTOS: NICI MERZ © Nicole Merz

Diese Vorhersage erfordert keine prophetischen Gaben: Auf die Bad Nauheimer Politik rollt eine Protestwelle aus Schwalheim zu. Gegner des geplanten Baugebiets sind gut informiert und organisiert.

Der Saal der Schwalheimer Mehrzweckhalle war am Donnerstagabend ausgebucht. Ständig wurden weitere Stühle reingetragen, manche der rund 100 Teilnehmer an der Versammlung der Bürgerinitiative Die Wettertaler saßen auf Tischen. Die Entschlossenheit, den vom Investor Fingerhaus geplanten Bau von 70 Wohnhäusern in der Gemarkung »Auf dem Forst« zu verhindern, war spürbar.

Uwe Kreuter fasste im Namen der BI die Argumente zusammen, die gegen das Neubaugebiet sprechen. Das reicht von einer Überlastung der Infrastruktur (Kita/Grundschule) und unzureichenden Erschließungsmöglichkeiten des Areals über eine erhebliche Beeinträchtigung der Natur im Umfeld (Schäckwiese, Wetter-Ufer, Brunnen-Gelände) oder eine Gefährdung des Grundwasserreservoirs bis hin zur Steigerung der Verkehrsbelastung. »Jedes Haus hat zwei Wohnungen. Rechnet man vier Erwachsene pro Gebäude, sind das 280 zusätzliche Autos«, sagte Kreuter.

Vom Rest des Dorfs abgeschnitten

Deutliche Kritik äußerten Bürger am Angebot des Investors, der »Häuser von der Stange« verkaufe. Selbst auf den Internet-Werbeseiten von Fingerhaus werde klar, wie stark Grundstücke versiegelt würden. »Das sind unmögliche Kästen, darüber kann man nicht diskutieren«, sagte ein Schwalheimer unter großer Zustimmung.

Erhebliche Bedenken haben die Bürger bezüglich des Verkehrs. Nicht machbar ist nach Aussage von Uwe Kreuter eine vernünftige Anbindung des Gebiets, das nur über die Straße Am Wingert erreichbar sei. Zwischen Bestand und Neubaugebiet existiere keine Durchfahrt, nicht mal ein Durchgang. »Wir sprechen von Ost-Schwalheim, das durch eine Mauer vom Rest des Dorfs abgeschnitten sein wird«, betonte der BI-Sprecher. Eine Integration der Neubürger, die vor allem aus dem Raum Frankfurt kommen würden, sei kaum möglich.

Kritik am Ortsvorsteher

Die Projektgegner argumentierten sachlich, es gab nur wenige Ausreißer. Etwa wenn Kreuter durch die Zunahme des Verkehrs »tote Kinder« prognostizierte oder ein Diskussionsteilnehmer angesichts der Tatsache, dass mit Fingerhaus nur ein Investor im Spiel sei, eine »Mauschelei« mit dem Rathaus vermutete. Die anderen Bürger machten sich diese Sicht nicht zu eigen, zeigten sich allerdings empört über die »völlig unzureichende Informationspolitik der Stadt«.

Kein gutes Zeugnis erhielt auch Ortsvorsteher Klaus Englert. Laut Kreuter hat der UWG-Mann keinerlei Argumente für die Bebauung - außer der Bevölkerungsentwicklung. Schwalheim schrumpft, doch das Baugebiet werde den Bürgern trotzdem nichts bringen, außer planloses Wachstum. »Weder wird die Post zurückkehren noch ein Einkaufsmarkt«, sagte der BI-Sprecher.

Die von Politikern häufig gestellte Forderung nach bezahlbarem Wohnraum spiele in diesem Fall keine Rolle. In Schwalheim solle für Besserverdienende gebaut werden. Nach Ansicht der BI geht es nur ums Geld - für den Investor und die Stadt, die sich von Neubürgern mit hohen Gehältern eine Steigerung ihrer Steuereinnahmen verspreche.

Slogan: »Finger weg von unserer Natur«

Die BI hatte sich nach dem WZ-Artikel vom 30. November schnell organisiert. Eine gute Woche später erfolgte bereits die Gründung, seitdem werden Flyer verteilt, einmal wöchentlich trifft sich ein Stammtisch, es gibt Versammlungen. Am Donnerstagabend wurde eine Unterschriftenaktion gestartet, bei der 1700 wahlberechtigte Schwalheimer angesprochen werden.

Die Internetseite wird oft aktualisiert, zudem verteilten BI-Mitglieder vorformulierte Protestschreiben, die an Bürgermeister Klaus Kreß und Ortsvorsteher Englert verschickt werden sollen. Bürger können Banner mit dem BI-Slogan erwerben: »Finger weg von unserer Natur - Wir sind gegen das Neubaugebiet«. Kreuter appellierte an die Bürger, bei Sitzungen der politischen Gremien Präsenz zu zeigen.

Gegen »Verödung« des Ortskerns

Die Kommunalpolitik hat die Pläne von Fingerhaus für das Wohngebiet »Auf dem Forst« bislang nur zur Kenntnis genommen und eine Infoveranstaltung angekündigt, vermutlich am 10. Februar. Wie die BI mutmaßt, sei man hinter den Kulissen aber weiter. Die Firma habe sich mit Unterstützung der Stadt das Gelände gesichert und wahrscheinlich schon einen Bebauungsplan in der Schublade. Ende April - so BI-Prognosen - könne das Stadtparlament den Aufstellungsbeschluss für den B-Plan fassen.

Das wollen die Gegner auf jeden Fall verhindern, allerdings nicht nur mit Ablehnung. Breit diskutiert wurde am Donnerstag über leerstehende Gebäude in Schwalheim, die wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt werden sollten, um eine »Verödung« des Ortskerns zu verhindern. Diesbezüglich komme vom Rathaus nichts. Nicht erwähnt wurde in der Versammlung das Areal der insolventen Firma Dingeldein. Dort werden mittelfristig sicherlich Baugrundstücke ausgewiesen.

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