Nach 30 Jahren: Wiedersehen am »Tatort«
Bad Nauheim (hau). »Herzlich Willkommen am ›Tatort»«: Rudi Nein kann es kaum fassen, aber tatsächlich sind es gut 100 Weggefährten, die er zum ersten großen Treffen der ehemaligen Mitarbeiter von Hilberts Parkhotel begrüßen kann. Dort, wo heute das Kurparkplaza steht, hatten sie die blühenden Zeiten des Nobelhotels miterlebt.
Manch einer wurde aber auch Zeuge, als hier 1982, nach 100-jähriger Erfolgsgeschichte, die Lichter ausgingen und sieben Jahre später die Abrissbirne kam.
Die Wiedersehensfreude war riesig. Alte Freunde und Bekannte lagen sich in den Armen, beim einen musste etwas geraten werden, der oder die andere hatte sich kaum verändert. Viele ehemalige Auszubildende waren gekommen, von denen einige mittlerweile leitende Stellungen in der ganzen Welt innehaben. Vergessen geglaubte Erinnerungen wurden wach, Bilder wurden herumgereicht, bis tief in die Nacht gab es viel zu erzählen. Dazu wechselte die muntere Gruppe am Abend in die »Krone«.
Hier hatte das Organisationsteam aus Rudi Nein (Keimzelle und Knotenpunkt), Claudia Biedenkapp (E-Mail-Zentrale), Joachim Stanjek und Lucia Stelz, auch mit Unterstützung aus der Stadtverwaltung und von Stadtarchivarin Brigitte Faatz, Stellwände mit historischen Dokumenten, Fotos und Presseberichten aufgebaut, eine Bilderschau vorbereitet und gutes Essen bestellt. Überraschungsgast war zu vorgerückter Stunde Bad Nauheims Nachtwächter Werner Euler, der mit Anekdoten zur Stadt- und Hotelgeschichte aufwartete.
Rudi Nein, selbst von 1961 bis 1982 (mit zwei Jahren Unterbrechung) im »Hilberts« tätig, konnte auch den »dienstältesten« anwesenden Mitarbeiter Ernst Ludwig »Ari« Haag begrüßen. Der spätere Chefportier hatte 1960 im »Hilberts« seine Hotellaufbahn als 15-jähriger Page gestartet. Gekommen war auch Reinhard Schmidbauer, der seit 1974 für das Parkhotel da war und bis heute das Restaurant Hotel Dolce leitet. Ebenso kamen Wolfgang Herth und Ernst Miebach mit Ehefrau Regina, die nach Hermann Ernst die Hoteldirektion übernahmen und abgelöst wurden durch Reinhard Schreek.
Unter dem Hoteldach bahnten sich Ehen an
Während Schreek sich hatte entschuldigen müssen, stieß der zweite Direktor André Thede (1977 bis 1989) ebenso zum Treffen wie die ehemaligen Empfangschefs Gert Meyer und Lutz Grützner, Ruth Bachmann (heute »Kuckuck«), Wilhelm van Basshuisen (»Willy’s Pub«), Hannelore Kirsch (»Sportheim«) oder das frisch gebackene Goldhochzeitspaar Willy und Hilde Mörler, die als Patissier und Küchenbeschließerin zu Hilberts Parkhotel gehörten. Die weiteste Anreise hatte Jasuji Fujita aus Japan angetreten.
Man war sich einig, dass in der großen »Familie« der Geist vom Hilberts Parkhotel weiterlebt. Er hatte sie in unterschiedlichen Konstellationen fest zusammengeschweißt, auch als private Clique, als Fußballmannschaft, als treue »Rote-Teufel«-Fans bis hin zu zahlreichen Ehen, die sich unter dem Hoteldach anbahnten.
Besonderer Dank galt den Organisatoren für ihre monatelange Vorbereitung. Auslöser war ein zufälliges Treffen von Nein und Biedenkapp, die dem ehemaligen Kollegen von ihrem Tagebuch aus der Lehrzeit erzählte. »Über 200 Namen haben wir schon zusammengetragen«, freuten sie sich und versprachen, weiter zu forschen, damit man sich beim nächsten Mal vielleicht in noch größerer Runde treffen könne. Indes schwang auch Wehmut mit, dass »ihr« Parkhotel nach einem glanzvollen Jahrhundert komplett von der Bildfläche zwischen Sprudelhof und Trinkkuranlage verschwand.
Aus Hotel Sprengel wird das »Hilberts«
Ihren Lauf nahm die Geschichte vor 130 Jahren, als Ferdinand Jakob Sprengel 1881 die Leitung des Gasthauses Deutscher Hof von seinen Eltern übertragen bekam. Der junge Hotelier führte mehrere Häuser zum angesehenen Hotel Sprengel zusammen, bevor er 1909 mit nur 49 Jahren starb. Seine Witwe mit sechs Kindern verkaufte das Hotel umgehend für eine Million Mark an Carl Hilbert, zahlbar in Gold. Charly Hilbert, Grandseigneur und Hotelier vom Scheitel bis zur Sohle, möbelte das Hotel auf und führte Hilberts Parkhotel zu Ruhm und Glanz. Bald rangierte es in der ersten Reihe der vornehmsten Hotels, es wurde zum Treff der internationalen High Society. Zu den Gästen zählten die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria ebenso wie Staatsoberhäupter, Industrielle, Künstler oder Sportler aus aller Welt.
»Papa Heuss«, Ludwig Erhard, Hans-Dietrich Genscher und Franz Josef Strauß genossen die vornehme Atmosphäre und den exquisiten Service ebenso wie die russische Eishockey-Nationalmannschaft oder Zarah Leander. Schlagzeilen machte im Oktober 1958 Elvis Presley, der nach seiner Ankunft in Deutschland fünf Tage in Hilberts Parkhotel logierte. Ein Märchen aus 1001 Nacht zauberte der saudi-arabische König Ibn Saud in die Stadt.
Jeweils im August der Jahre 1959 und 1962 blieb der dank seiner Ölmilliarden reichste Mann der Welt für mehrere Wochen zur Kur und bezog mit seinem Hofstaat eine ganze Etage im Parkhotel.
Unterdessen hatte die Nobelherberge in beiden Weltkriegen als Lazarett und Genesungsheim gedient. Unter der langen Zweckentfremdung und Besatzung hatten das Gebäudekonglomerat (und der Kurbetrieb) derart gelitten, dass Charly Hilbert nach gut vier Jahrzehnten das Handtuch warf. Am 1. Dezember 1951, also vor 60 Jahren, schenkte er sein Haus dem Land Hessen mit der Auflage, es zeitlebens als Hotel zu betreiben. Die Instandsetzungsarbeiten begannen sofort. Am 1. Oktober 1952 wurde die Wiedereröffnung unter der Regie des Staatsbades gefeiert.
Zwanzig Jahre später wäre wieder eine gründliche Sanierung des Gebäudes nötig gewesen. Nach langem Hin und Her entschied man sich bereits 1975 für einen Hotelneubau am damaligen Kurhaus (heute Dolce). Am 30. September 1982 gingen im Hilberts Parkhotel für immer die Lichter aus, und im Sommer 1989 wurde es nach der Übernahme durch die Stadt und langen Diskussionen über neue Nutzungsmöglichkeiten abgerissen.