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Mit Musik zu den Menschen

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Von: Hanna von Prosch

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Wenn man sich an Rainer Lille (1930–2007) erinnert, sieht man den leidenschaftlichen Organisten in der Dankeskirche vor sich, der am liebsten Max Reger interpretierte. Von 1960 bis zum Ruhestand 1995 war er hier Kirchenmusiker und ein weithin anerkannter Organist mit Rundfunkaufnahmen und CD-Einspielungen. Vor zehn Jahren starb er. Die Erinnerung an sein musikalisches Wirken ist untrennbar mit der Persönlichkeit Rainer Lille verbunden.

Wenn man sich an Rainer Lille (1930–2007) erinnert, sieht man den leidenschaftlichen Organisten in der Dankeskirche vor sich, der am liebsten Max Reger interpretierte. Von 1960 bis zum Ruhestand 1995 war er hier Kirchenmusiker und ein weithin anerkannter Organist mit Rundfunkaufnahmen und CD-Einspielungen. Vor zehn Jahren starb er. Die Erinnerung an sein musikalisches Wirken ist untrennbar mit der Persönlichkeit Rainer Lille verbunden.

Fotografien zeigen Lille an der Orgel, als Kind, zwischen einer Zeichnung von Charles Widor, Fotos von Reger, Dupret und Günther Ramin. Zu dem Leipziger Thomaskantor entwickelte sich eine lange Beziehung, nachdem dieser den Elfjährigen im musischen Gymnasium in Leipzig als Schüler hatte. Weder Ramin noch Lille gefiel die Verbindung von Musik und Nationalsozialismus und beide verließen die Bildungsstätte. Allerdings schaffte es Ramin nicht, Lille in den Thomanerchor zu holen, denn er konnte und wollte nicht singen. Lange nach Ramins Tod tauchte dessen Sohn mit einem Tonband und einer Orgelimprovisation seines Vaters bei Lille auf und bat ihn, die Noten aufzuschreiben. »Mein Mann machte das nach dem Gehör. Auch wenn er vor einem Gemälde saß, öffnete sich darin für ihn eine Sinfonie«, erzählt seine Witwe Margarete.

Lilles Kindheit war bei getrennt lebenden Eltern und häufigen Wohnungswechseln eher schwierig, zumal seine Mutter ein Wunderkind aus ihm machen wollte. Der schon immer introvertierte Junge lernte früh Geige und Klavier und brachte sich schließlich das Orgelspiel selbst bei. »Er setzte sich hin und spielte. Er konnte das eben, aber keiner glaubte es ihm«, sagt Margarete Lille. So war sein Berufsweg trotz Stipendien mit vielen Steinen gepflastert, bis er schließlich die C-Prüfung und nach Studien in Köln und München die A-Prüfung als Kirchenmusiker bei Karl Richter ablegte. In Dachau wurde er danach Organist und verhalf der dortigen kleinen evangelischen Gemeinde zu einer Orgel. Es folgten zwei Jahre in Soltau, bevor er die Kantorenstelle in Bad Nauheim antrat. Schon ein Jahr zuvor hatte er als Gast das Weihnachtsoratorium hier einstudiert und stürzte sich auch sofort in den Wiederaufbau eines Chores.

Dabei lernte er die ebenfalls musikbegeisterte Margarete kennen und sie heirateten. Als 1962 die alte Walcker-Orgel endgültig versagte, trieb er in nur drei Jahren einen Neubau voran. Sein Idealklangbild fand er in einer Callinet-Orgel aus dem Elsass, auf der er auch Werke der Spätromantiker spielen konnte. Obwohl er Barockmusik liebte, verhalf er dieser in Deutschland lange als Kitsch geschmähten Musik zu neuer Aufmerksamkeit und machte sich damit einen Namen. Konzertreisen führten ihn unter anderem nach Polen und in die USA, wo er 1968 als Gastdozent ein Semester verbrachte. Noch im Ruhestand spielte er Gottesdienste in der Wetterau, genoss aber auch das Reisen mit dem Zug.

Den Zugang zu den Menschen fand Rainer Lille nur durch die Musik. Das war eine seiner späten Erkenntnisse. »Es gibt Leute, die kann man nicht fassen. So war er«, resümiert Margarete Lille nachdenklich.

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