Homestagerin aus Bad Nauheim: Sie setzt Wohnungen für potenzielle Käufer in Szene

Immobilien gehen weg wie warme Semmeln. Trotzdem lassen verkaufswillige Besitzer ihre Eigenheime von Profis in Szene setzen. Zuständig sind Homestager wie Ewa Harmansa aus Bad Nauheim.
Bad Nauheim – Aus bedruckten Kartons entsteht eine Küche, alle möglichen Deko-Artikel werden platziert, Teppiche aufs Parkett gelegt, Lampen und Gardinen aufgehängt. Die Fünf-Zimmer-Wohnung in der Hauptstraße von Rödgen soll ein gemütliches und ansprechendes Aussehen erhalten. Zuständig dafür ist die Homestagerin Ewa Harmansa aus Steinfurth.
Die Berufsbezeichnung ist vom englischen Begriff »Stage« (Bühne) abgeleitet - und das trifft es genau. Die leerstehende 100-Quadratmeter-Wohnung in Rödgen wird für Kaufinteressenten in Szene gesetzt. Angelehnt an die Filmbranche wird von einem »Set« gesprochen. Beauftragt wurde Harmansa von der Eigentümerin, die einen möglichst hohen Verkaufspreis anstrebt.
»Meist präsentieren Verkäufer eine kahle Wohnung. Doch 80 Prozent der Leute fehlt die Fantasie, um sich vorzustellen, wie die Zimmer eingerichtet und gestaltet werden könnten«, sagt die Homestagerin. Sie schüttelt oft den Kopf, wenn sie Anzeigen auf Internetportalen sieht, mit Fotos von leeren oder unaufgeräumten Wohnungen. Ein Kaufanreiz gehe davon nicht aus. »Kein Mensch käme auf die Idee, sein Auto dreckig und schlecht gewartet anzubieten. Bevor Interessenten kommen, wird poliert und gesaugt«, erklärt die Steinfurtherin.
Homestagerin aus Bad Nauheim: Wohnung mit Wohlfühl-Charakter präsentieren
Ihre Aufgabe ist es, Immobilien einen Wohlfühl-Charakter zu verleihen. Im Fokus stehen Einrichtung und Farbgebung. In Rödgen ist ein Zimmer mit rotem Teppichboden ausgestattet, manche Wände sind mit rötlicher Farbe gestrichen. Im Bad sind graue Fliesen zu sehen. An diesen Gegebenheiten kann Harmansa nichts ändern, muss Möbel, Vasen oder Gardinen entsprechend auswählen. Homestager brauchen einen großen Fundus, um für jede Wohnung die passenden Gegenstände zu finden. »Am meisten Geld gebe ich für Deko-Artikel aus, das größte Möbelstück in meinem Fundus ist eine Couch«, sagt Harmansa.
Küchen oder Betten sind ein »Fake«. Küchenzeilen entstehen aus bedruckten Kartons, die von Spezialfirmen hergestellt werden. Auf den ersten Blick sind Herd, Spüle und Schubladen zu erkennen. Die Homestagerin wählt für die vorhandenen Maße die richtigen Kartons aus.
»Wer die gestagte Wohnung betritt, erkennt sofort, welches Zimmer welchem Zweck dienen soll«, sagt Harmansa. Mit der Eigentümerin der Wohnung in der Rödger Hauptstraße hat sie sich angesichts von fünf Zimmern auf die Zielgruppe junge Familie mit Kindern geeinigt. Diese Vorgabe wirkt sich auf die Gestaltung aus, so muss ein Kinderzimmer auf jeden Fall vorhanden sein.
Homestagerin aus Bad Nauheim: Auch Erben und Makler als Kunden
Für die Inszenierung der Wohnung werden inklusive Vorbereitung etwa vier Tage benötigt. Länger dauert es, wenn zuvor Wände gestrichen werden sollen und die Homestagerin einen Handwerker besorgen muss. Körperlich anspruchsvoll ist die Arbeit auch: »13 000 Schritte am Tag sind nichts. Abends bin ich manchmal richtig erschöpft.«
Trotzdem macht ihr die Arbeit viel Spaß. Vor zehn Jahren hatte die Steinfurtherin erstmals von der noch heute weitgehend unbekannten Tätigkeit gehört. Damals war das für sie keine Option. Denn Harmansa war lange in der PR-Branche tätig, meist für Veranstalter. »Durch den Lockdown brachen plötzlich die Aufträge weg, und ich habe nach einer Alternative gesucht.« 2020 absolvierte sie die Ausbildung und Zertifizierung, meldete ein Gewerbe an. Im Januar dieses Jahres legte Harmansa los.
Zu ihren Kunden zählen neben privaten Verkäufern Investoren und Bauträger. Unternehmen böten oft mehrere ähnliche Immobilien an. Aufgabe des Homestagers sei es, eine Musterwohnung oder ein Musterhaus einzurichten. Harmansa: »Wie Statistiken zeigen, wird eine gestagte Immobilie deutlich schneller verkauft, in fast 40 Prozent der Fälle wechseln die Eigenheime den Besitzer sogar zu einem höheren als dem angesetzten Preis.« Ins Geschäft kommt sie auch mit Maklern und Erben. Gerade hatte Harmansa einen Kunden aus Darmstadt, der eine Immobilie in der Wetterau veräußern will, aber keine Zeit hat, sich selbst um die Präsentation zu kümmern.
In die verkaufsfördernde Verschönerung ihrer Wohnung müssen Eigentümer ein paar tausend Euro investieren. Harmansa erhält in der Regel zwischen 1 und 3 Prozent des Angebotspreises - als Gage, um beim Theater- und Filmjargon zu bleiben.
Homestagerin aus Bad Nauheim: Prüfung bei der IHK
Ewa Harmansa aus Steinfurth wurde im vergangenen Jahr von der Deutschen Gesellschaft für Home Staging und Redesign (DGHR) ausgebildet und von der IHK geprüft. Sie ist nach eigenen Angaben die einzige DGHR-zertifizierte Homestagerin in der Wetterau. Es handelt sich um einen sehr jungen Beruf, der erstmals in den USA ausgeübt wurde. Die Idee stammt von der Maklerin Barb Schwarz, die diese Mischung aus Verkaufstechnik und Innenarchitektur seit den 1970er Jahren praktizierte. Erst in den 1990er Jahren hat sich Homestaging in den Vereinigten Staaten als eigener Betätigungs- und Geschäftsbereich herausgebildet. Seit einigen Jahren spielt diese Tätigkeit auch in Europa eine gewisse Rolle. Die erste deutsche Homestaging-Agentur wurde 2006 in Hamburg gegründet, den Branchenverband DGHR gibt es seit 2010. Mittlerweile wird die Zahl der Homestager hierzulande auf 200 geschätzt. Vorwiegend sind sie in Großstädten und Ballungszentren tätig.