Herzenswünsche und Risiken: Selbsthilfe-Meile in Bad Nauheim
Viele Gruppen, Vereine und Institutionen sind für Menschen da, die an Krankheiten leiden. In Bad Nauheim haben sich viele Organisationen bei der Selbsthilfe-Meile präsentiert.
Noch einmal das Meer sehen oder einfach nur einen Eissalon besuchen – der Arbeiter-Samariter-Bund hat es sich zur Aufgabe gemacht, letzte Wünsche schwerstkranker Menschen zu erfüllen. Seit 2014 ist der ASB mit dem Wünschewagen in Deutschland unterwegs, im vergangenen Jahr nahmen die Wünscheerfüller ihre Tätigkeit in Hessen auf. Ihr Angebot stellten sie nun auf der Selbsthilfe-Meile in Bad Nauheim vor.
Über 50 Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, soziale Einrichtungen und Vereine präsentierten sich am Samstag in der Innenstadt. Veranstaltet wurde die Selbsthilfe-Meile wieder von der Selbsthilfe-Kontaktstelle des Wetteraukreises.
Rund 100 ehrenamtliche Wünscheerfüller sind als Betreuer des ASB aktiv, wie Heinz Wenzel vom Regionalverband erklärte. Wie bedeutend das ASB-Angebot ist, verdeutlichen die aktuellen Anfragen. 200 Wünsche sind seit 2017 bei der hessischen Leitung in Wiesbaden eingegangen – von Kliniken, Hospizdiensten oder Angehörigen todkranker Menschen. Viele Fahrten wurden mit dem medizinisch ausgestatteten Wünschewagen bereits bundesweit absolviert.
Hilfe auch bei Glücksspiel-Sucht
»Wir hatten jemanden, der unbedingt noch einmal sein Elternhaus sehen wollte«, sagte Wenzel. Oft führt die Fahrt zu besonderen Orten. Ob ein Wunsch realisiert werden könne, stehe erst nach Ausarbeitung der Anfrage, Arztgespräch und Überprüfung der Transportfähigkeit fest. Unter dem Motto »Wünschewagen – letzte Wünsche wagen« stehe das Angebot Schwerstkranken aller Altersklassen offen. »Unser jüngster Patient war sieben Jahre, der älteste 102 Jahre alt.«
Über 200 Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, ehrenamtliche und soziale Einrichtungen gibt es in der Wetterau. Ganz neu hat sich die Selbsthilfegruppe Schilddrüsenkrebs Mittelhessen gegründet. »Oft werden nach Diagnose und OP noch viele Fragen gestellt, das Hintergrundwissen fehlt«, erklärte Susanne Heydecke aus Ortenberg, die gemeinsam mit Dr. Karl-A. Rinast auf der Selbsthilfe-Meile informierte. Seit 20 Jahren gebe es dazu ein Internetforum, bundesweit gut 30 Gruppen. Mit der neuen Selbsthilfegruppe möchten ihre Gründer nun Betroffenen in Hessen eine Anlaufstelle bieten. Die Treffen werden in Gießen und Mühlheim stattfinden.
Franz Hagenmaier aus Karben klärte am Stand der Selbsthilfegruppe Blasenkrebs über die Gefahren des Harnblasenkarzinoms auf. »Leider wird die Krankheit oft erst spät festgestellt. 28 000 Menschen erkranken pro Jahr an Blasenkrebs.« Hagenmaier bot Besuchern einen Risikocheck an. Ausgewertet wurden dazu berufliche und medizinische Risiken. Der größte Risikofaktor sei das Rauchen. »Nicht rauchen ist da schon die halbe Miete.«
Kostenlose Hörtests, Blutzuckermessungen oder auch der Versuch auf der Rauschbrillen-Teststrecke wurden auf der Meile rege genutzt. Mit simulierten 1,5 Promille konnten Besucher auch den Versuch starten, einen Schlüssel im Schloss zu drehen. »Wir möchten damit nicht nur junge Menschen sensibilisieren«, sagte Barbara Rexroth von der Guttemplergemeinschaft Wetterau. »Schnell werden zwei, drei Bier getrunken, und derjenige denkt, damit kann ich noch fahren.«
860 betroffene Menschen im Alter von 15 bis 35 Jahren hat das Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe des Wetteraukreises im vergangenen Jahr begleitet. Die Schwerpunkte der Kontaktstelle sind unter anderem auf legale und illegale Abhängigkeiten sowie pathologische Glücksspielsucht ausgerichtet. Hilfen werden aber auch bei Computersucht angeboten. (Fotos: cor)