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Haushalt Bad Nauheim: Landrat dreht den Geldhahn zu

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Bad Nauheim (bk). In Bad Nauheim wird der Ernst der finanziellen Lage nach wie vor nicht erkannt: Dieser Ansicht ist Landrat Joachim Arnold, der Kurstadt-Kämmerin Brigitta Nell-Düvel deshalb ein Spardiktat präsentiert. Die Kommunalaufsicht hat den Bad Nauheimer Haushalt 2012 zwar genehmigt, damit aber Auflagen verbunden, die der Stadt keinerlei Gestaltungsspielraum lassen.

So muss der Ergebnishaushalt um mindestens 750 000 Euro gekürzt werden. Auf große Investitionen, die erhebliche Folgekosten verursachen, »ist grundsätzlich zu verzichten«, schreibt Arnold. Freiwillige Leistungen sollen ebenso reduziert werden wie die Zahl der Stellen. »Die Verwaltung muss jetzt eine Streichliste erarbeiten, jeder Bürger wird direkt betroffen sein«, kündigte Erste Stadträtin Nell-Düvel in der Stadtparlamentssitzung am Donnerstagabend an.

Der Landrat fällt in seinem Begleitschreiben zur Etatgenehmigung ein fast schon vernichtendes Urteil bezüglich der Sparbemühungen im Bad Nauheimer Rathaus. Obwohl der Etat seit Jahren Fehlbeträge aufweise und bis 2015 mit einem Anstieg des kumulierten Defizits von 19,3 Millionen Euro zu rechnen sei, »ist sogar ein deutlicher Anstieg bei den ordentlichen Aufwendungen zu verzeichnen«. Im Vergleich zu 2010 wolle die Stadt in diesem Jahr gut 3,5 Millionen Euro (plus 7,1 Prozent) mehr ausgeben. Auch beim Personal, dem wichtigsten Ausgabeposten, vermisst Arnold Sparwillen. »Trotz unrealistischer Annahmen« sei im Etat 2012 nur eine geringfügige Verminderung geplant. »Die Stadt Bad Nauheim bewegt sich mit ihrem Ausgabeverhalten im Vergleich zu anderen Kommunen ähnlicher Größenklasse auf einem sehr hohen Niveau«, schreibt der Landrat.

Arnold fordert die Stadt ultimativ auf, »erhebliche nicht ausgeschöpfte Konsolidierungspotenziale« endlich zu nutzen, die bisherigen Bemühungen seien »unzureichend«. In einem ersten Schritt sollen deshalb die Gesamtaufwendungen im Ergebnishaushalt um mindestens 750 000 Euro gekürzt werden. Weil die Stadt nach wie vor keine Straßenbeitragsatzung beschlossen hat und damit ihre Einnahmemöglichkeiten nicht ausschöpft, ordnete der Landrat bei den Investitionen eine Kürzung um gut 400 000 Euro an. Alle Entscheidungen, die größere Auswirkungen auf den Haushalt haben, müssen vorher von der Kommunalaufsicht genehmigt werden: Das gilt für Investitionen ebenso wie für Verpflichtungsermächtigungen oder die Schaffung neuer Stellen.

Wie Nell-Düvel den Stadtverordneten mitteilte, habe der Magistrat aufgrund der landrätlichen Auflagen eine zwölfprozentige Kürzung der Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen beschlossen. Dadurch reduziert sich das Defizit im Ergebnishaushalt um 800 000 auf 5,8 Millionen Euro.

»Zusätzlich zu den 800 000 Euro müssen wir wegen Mehrausgaben fürs Personal 550 000 Euro einsparen, die durch die Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst anfallen«, erläuterte die Erste Stadträtin nach der Sitzung im Gespräch mit der WZ. Wie das geschehen soll, ist noch offen. Die »Streichliste« soll in regelmäßiger Abstimmung mit den Fachbereichsleitern erarbeitet werden und muss bis spätestens 31. Oktober in einen Nachtragshaushalt münden. Gebühren- und Steuererhöhungen, Streichung von Investitionsvorhaben, Verschiebung von Sanierungsvorhaben – alles kommt laut Nell-Düvel in Frage.

»Vergleich hinkt«

Die Kritik des Landrats an der Finanzpolitik der Stadt kann Nell-Düvel nicht nachvollziehen. Arnolds Vergleich mit ähnlich großen Kommunen hinke, er missachte die Besonderheiten Bad Nauheims, einer Stadt, die Heilbad und touristisches Ziel mit den sechsthöchsten Übernachtungszahlen Hessens sei. Die Stadt müsse mehr in Personal und Infrastruktur investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Nell-Düvel: »Ein Beispiel sind die Gradierbauten. Wir müssen allein drei Mitarbeiter für den Unterhalt beschäftigen, werden von manchen Bürgern aber trotzdem heftig kritisiert, weil nicht alles getan werden kann, was wünschenswert ist.

« Auch die riesigen Grünanlagen, die eine Kurstadt benötige, müssten gepflegt werden. »Außerdem müssen wir hauptamtliche Feuerwehrleute beschäftigen, um die Sicherheit in den Kliniken, Altenheimen und Schulen gewährleisten zu können«, betonte die Kämmerin.

Der Landrat berücksichtige diese Sonderstellung Bad Nauheims, von dem auch andere Kommunen im Kreis profitierten, nicht ausreichend, weigere sich, den bereits vor Jahren eingeschlagenen Konsolidierungskurs zur Kenntnis zu nehmen. Wie Nell-Düvel gegenüber der WZ weiter erklärte, müsse die Kurstadt Eisstadion, Schwimmbäder und Parks finanzieren – Einrichtungen, die alle nicht nur den Bad Nauheimern zugute kommen.

Die Bevölkerung Bad Nauheims wachse permanent. Grund dafür sei die gute Infrastruktur und die hervorragenden Angebote für Familien. Das koste zwar Geld, mittelfristig profitiere die Stadt vom Zuzug aber durch höhere Steuereinnahmen. Auch diese Tatsache werde von Arnold ignoriert. »Mit diesem rigiden Sparkurs wird langfristig eher eine Verschlechterung der Etatzahlen als eine Konsolidierung einhergehen«, sagte Nell-Düvel.

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