Grundwasserschutz im Fokus

Das Bad Nauheimer Trinkwasser stammt aus dem Vogelsberg. Das ist nur zum Teil richtig, die Stadt leistet sich sechs eigene Brunnen. Landwirte müssen im Wasserschutzgebiet deshalb kürzer treten.
Mit einem Chlorophyll-Messgerät durchquert Agraringenieur Dr. Matthias Peter einen Weizenacker in Nieder-Mörlen. In regelmäßigen Abständen reißt er junge Blätter von Pflanzen ab und erfasst die Intensität des Blattgrüns. »Je mehr Chlorophyll die Pflanzen bereits angereichert haben, desto weniger Stickstoff-Dünger ist erforderlich«, erklärt der Leiter des Ingenieurbüro Schnittstelle Boden in Ober-Mörlen. Peter berät im Auftrag der Bad Nauheimer Stadtwerke Landwirte, die im 664 Hektar großen, 2006 ausgewiesenen Wasserschutzgebiet »Säckelgraben« tätig sind. Dabei steht das Thema Stickstoff-Dünger im Fokus, denn die Pflanzen verwandeln den Stoff in Nitrat, das letztlich im Grundwasser landet.
»Im Wasserschutzgebiet, das von Nieder-Mörlen bis Butzbach-Fauerbach reicht, sind 37 Landwirte aktiv, 33 beteiligen sich an der Kooperation mit den Stadtwerken, die seit 2003 existiert. Damit decken wir 98 Prozent der Fläche ab«, erläutert der Agraringenieur. Peter kontrolliert die Äcker im Frühjahr und Herbst. Auf Grundlage der Messwerte erhalten die Landwirte Informationen, wann und wie viel gedüngt werden soll. Wobei das Wasserschutzgebiet in drei Zonen unterteilt ist. Die Zone 1 umfasst das direkte Umfeld der sechs Trinkwasserbrunnen am Säckelgraben.
Zonen ohne Gülle und Dünger Dieses Areal an der Margarethenstraße gehört den Stadtwerken. Auf dieser Streuobstwiese ist keinerlei Düngung erlaubt. In der Zone 2 gilt unter anderem die Einschränkung, keine Gülle ausbringen zu dürfen, in Zone 3 ist die Menge des Düngers begrenzt.
Letztlich ist es das Ziel, den Nitrat-Grenzwert in den Brunnen am Säckelgraben, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebohrt wurden, einzuhalten. »Seit der Kooperation mit den Landwirten sind die Durchschnittswerte Stück für Stück gefallen. Zwei der sechs Brunnen bereiten uns allerdings Sorgen«, sagt Peter. Dort werden bis zu 46 Milligramm Nitrat pro Liter gemessen, der Grenzwert liegt bei 50 Milligramm. Beim Bad Nauheimer Verbraucher landet allerdings kein Trinkwasser mit solch hoher Nitrat-Belastung: Im Hochbehälter Königsberg, wo etwa 1200 Kubikmeter Wasser pro Tag aus Nieder-Mörlen hingepumpt werden, wird es nach Angaben von Stadtwerke-Mitarbeiter Stephan Winkler mit dem Ovag-Trinkwasser aus dem Vogelsberg gemischt. Dadurch gelinge es, die EU-Empfehlung von höchstens 25 Milligramm Nitrat pro Liter einzuhalten. Bei der aktuellen Analyse habe das Bad Nauheimer Trinkwasser 23 Milligramm Nitrat enthalten.
Fruchtfolge entscheidend »Der Nitratgehalt lässt sich beeinflussen, aber nicht steuern, gerade in der Wetterau«, sagt Peter. Der hiesige Lössboden, der hohe Ernteerträge ermögliche, speichere das Regenwasser nämlich besonders gut. Deshalb versickere das Wasser nur etwa einen Meter pro Jahr. In Jahren mit wenig Regen gehe der Versickerungsprozess noch langsamer vonstatten. »Die Brunnen am Säckelgraben reichen bis zu einer Tiefe von 20 Metern. Was heute an der Oberfläche verändert wird, wirkt sich also erst in 20 bis 30 Jahren im Grundwasser aus«, erklärt der Ingenieur. In Gebieten mit sandigen Böden lande Regenwasser dagegen schnell in den Brunnen.
Zum Grundwasser-Schutz verzichten die Bauern nicht nur darauf, die Stickstoff-Düngung auszureizen. Sie bauen auf ihren Äckern auch immer wieder andere Nutzpflanzen an. »Die Fruchtfolge ist ganz wichtig. Dadurch erhöht sich die Pflanzengesundheit. Und gesunde Pflanzen entziehen dem Boden mehr Stickstoff«, sagt Peter. So lag der Schwerpunkt im Wasserschutzgebiet 2016 auf Kartoffeln, in diesem Jahr soll vorwiegend Weizen geerntet werden. Zudem werden im Winter oft sogenannte Zwischenfrüchte ausgebracht. Mit ihnen ist zwar nichts zu verdienen, sie verringern aber ebenfalls den Stickstoff-Gehalt im Boden.
Keine Probleme mit Trinkwasserqualität Weil die Landwirte auf Dünger-Höchstmengen verzichten, erreicht das Mehl aus diesem Weizen nicht die allerbeste Backqualität. Durch das Ausbringen der Zwischenfrüchte entsteht Mehrarbeit, aus der keine Einnahmen resultieren. Die an der Kooperation beteiligten Landwirte erhalten deshalb jedes Jahr Ausgleichszahlungen der Stadtwerke.
Insgesamt gibt es laut Peter in Bad Nauheim keine Probleme mit der Trinkwasserqualität, die viermal pro Jahr vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Uni Gießen kontrolliert wird. Auch Pestizid-Grenzwerte werden mühelos eingehalten. Anders sieht die Lage Peter zufolge in Bundesländern aus, wo viel Vieh gehalten wird, etwa in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Weil dort kräftig mit Gülle gedüngt wird, liege der Nitratwert in vielen Trinkwasserbrunnen im dreistelligen Bereich.