Diesmal »kein Blümchen-Theater«
Bad Nauheim (pm). In diesen Tagen hat das Theater Alte Feuerwache (TAF) die Probenarbeit für den Brecht-Klassiker »Die heilige Johanna der Schlachthöfe« aufgenommen. Regisseurin Pia Nußbaum stellt in Aussicht: »Das Stück ist schonungslos und trotzdem ohne Zeigefinger.« Die Premiere ist für Februar 2011 geplant, nachdem das TAF zuvor noch im Dezember dieses Jahres eine deutsche Uraufführung auf die Badehausbühne bringt.
»Sicherlich ist die Wirtschaft heute eine andere als die von 1929, dem Jahr der Entstehung von Brechts Stück. Der vermeintliche Sieg des Stärkeren über den Schwächeren verliert allerdings niemals an Aktualität«, erklärt Nußbaum, warum sie das Stück gerade jetzt in Szene setzen möchte. »Nach dieser neuerlichen Weltwirtschaftskrise und insbesondere nach den Reaktionen aus Politik und der Wirtschaft selbst in Bezug auf Bewältigung und Prävention gilt es, den Kapitalismus zu beleuchten, seine Auswirkungen, Konsequenzen wie unser aller Stand in diesem System.«
Damit setzt sich das TAF erneut in seiner Historie mit politischem Theater auseinander. »Die ›heilige Johanna‹ ist doch wie für unsere Zeit gemacht, man muss nur richtig hinhören«, betont Hermann Römer in diesem Zusammenhang. Der Buchhändler gehört zum 18 Mitglieder starken Ensemble, das die Regisseurin in den vergangenen Tagen und Wochen mit vielen Schauspiel- und Sprechübungen behutsam in das Stück eingeführt hat. Die Altersspanne der TAF-Schauspieler reicht dieses Mal von 15 bis 71 Jahren und bietet eine spannende Mischung aus Debütanten und »alten Hasen«.
So weiß auch Judith Pieper, die in der Titelrolle zu sehen sein wird, nach den ersten Proben zu berichten: »Die Improvisationsphase und das Kennenlernen des Ensembles am Anfang hat mir großen Spaß gemacht. In kurzer Zeit ist schon eine Menge entstanden, bei gemeinsamen Diskussionen sprudelt die Kreativität über, wodurch neue Ideen entstehen. Das originelle und offene Ensemble passt gut zu Pias Regiekonzept, und die Atmosphäre bei den Proben ist sehr vertrauensvoll und kommunikativ, die Proben werden zu einem spannenden Prozess.« Für sie persönlich liege die Herausforderung insbesondere darin, Brecht für das Publikum verständlich zu machen und auf der Bühne »mit Haut und Haar die Johanna zu zeigen.« So Generationen verbindend zu arbeiten ist für die TAF-Regisseurin nicht immer leicht, mache die Probenarbeit aber auch umso interessanter. »Alle Seiten profitieren voneinander, und Möglichkeiten und Spielräume in der Besetzung entstehen, die eine engere Altersspanne nicht böte« so Nußbaum. »Der Einstieg sollte eben diese Spanne aufzeigen, aber auch aufgreifen und Vertrauen wecken, Lust am Spiel ohne Rollendruck hervorbringen und zumindest einige Grundlagen der Theaterarbeit streifen.«
Die Regisseurin, die den Text zusammen mit Philip Höck auch dramaturgisch bearbeitet hat, schätzt vor allem die Sprache des Stücks: »Der Reiz in der Inszenierung liegt für mich auch in der Direktheit und Brutalität des Stückes.«