Von der Demo auf den Königinnenwagen
Bad Nauheim (pm). Als Ingrid Gaffrey gefragt wurde, ob sie Rosenkönigin werden wolle, musste sie erst einmal schlucken. »Mir ist fast das Herz stehengeblieben. Ich dachte, das passt nicht zu mir«, erinnert sich die Bad Nauheimerin beim Treffen mit der amtierenden Rosenkönigin Henrike Duda im Steinfurther Rosenmuseum. Der Festausschuss habe sie vorgeschlagen.
»Es war zwar eine große Ehre für mich, mein Heimatdorf zu repräsentieren, aber ich dachte, das kann ich nicht.« Sie arbeitete damals bereits, wie auch heute, bei der Stadt Bad Nauheim. Der damalige Bürgermeister Herbert Schäfer sagte: »Ingridschen, mach das mal, dann kannst du immer frei bekommen.« Das sei durchaus ein Argument gewesen. Zudem hatte ihr Großvater Leopold Gaffrey das Rosenmuseum mit aufgebaut und seit 1974 ehrenamtlich betreut. Er sei stolz gewesen. So habe sie schließlich Ja gesagt. »Dann wollten sie mich verkleiden, mit Schillerlocken und so, da hab ich gesagt, das mache ich nicht.« Sie habe auch kein Kleid gewollt, sondern einen Hosenanzug, doch das sei absolut nicht gegangen. »Also haben wir uns geeinigt: keine Schillerlocken, aber ein Kleid.«
Plötzlich mit Kleid und Krone
Ingrid Gaffrey blickt Henrike Duda an: »Ich glaube, Sie haben schon immer davon geträumt, Rosenkönigin zu werden, oder?« Henrike nickt eifrig. »Das war bei mir nicht so«, fährt Gaffrey fort. Eher politisch sei sie gewesen. »Das war ja auch eine ganz andere Zeit, kurz nach ’68«, wirft Sabine Kübler ein, die Leiterin des Rosenmuseums. Gaffrey bestätigt: »Ich bin lieber auf Demos gegangen, Friedensdemo oder ›Atomkraft – nein, danke», und dann steckte ich plötzlich in Kleid und Krönchen. Das war schon sehr gegensätzlich.« Bei der Erinnerung lacht Ingrid Gaffrey und ergänzt: »Aber natürlich war es dann auch schön! Wenn man dann erstmal in den Vorbereitungen steckt, ist es schon toll.« Das Highlight sei der Rosenkorso gewesen, wo Tausende ihr zugejubelt haben. »Ich bin auch heute noch sehr verbunden und besuche das Rosenfest eigentlich immer«, fügt sie hinzu.
Gemeinsam betrachten die Hoheiten Fotos von 1976. Henrike findet den Königinnenwagen besonders schön. Auf dem Bild sieht es aus, als sitze die Königin in einer riesigen roten Rosenblüte. Ihr Wagen werde mit deutlich weniger Rosen dekoriert sein, erzählt Henrike. Dafür verfüge er über einen pavillonartigen Aufbau. Für eine Überdachung wäre Ingrid Gaffrey 1976 dankbar gewesen: »Ich weiß noch genau, es war so heiß!« 1976 war ein Jahrhundertsommer, alle litten unter der ungewöhnlichen Hitze. Während ihrer Rede seien die Feuerwehrleute aufgesprungen und rausgerannt. Gaffrey: »Ich dachte im ersten Moment: Ist meine Rede so schlecht? Aber die mussten auf einen Stoppelacker, der sich selbst entzündet hatte.«
Die Rede habe sie ohne Patzer über die Bühne gebracht, aber das Lampenfieber sei sehr groß gewesen. »Aufgeregt bin ich auch«, gesteht Henrike, die sich im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin von vor 36 Jahren bewusst um das Amt beworben hat. »Aber bestimmt legt sich das im Laufe der Amtszeit.« Damals habe sie, so Gaffrey, vor ihrer Eröffnungsrede alleine mit den beiden Prinzessinnen auf der Bühne sitzen müssen. »Das war nicht so angenehm.
« Doch in ihr Kopfschütteln mischt sich ein Lächeln. »Das ist schon witzig. Wenn man so erzählt, erinnert man sich plötzlich an viele Sachen.« Und so bemerkt sie kurz darauf: »Ich war auch mal Rosenprinzessin! Das fällt mir gerade ein.« Sie sei noch sehr jung gewesen, sechs Jahre alt erst.
Briefe aus Indien
Was Ingrid Gaffrey sehr gut im Gedächtnis geblieben ist, sind die vielen Briefe, die sie nach dem Fest aus aller Welt bekommen hat. »Ein Bild von mir, das dpa gemacht hat, war weltweit in der Presse, daraufhin habe ich Post von überall her bekommen. Südamerika, Indien … Das fand ich schön.« In den Briefen schrieben ihr die Menschen, sie würden sie gerne kennenlernen, manche gestanden ihre Liebe.
Beim Rosenfest vom 13. bis 16. Juli wird Ingrid Gaffrey wieder dabei sein. Die ehemaligen Rosenköniginnen sitzen zur Eröffnung immer an einem Tisch. »Da kommen jedes Mal viele, das ist sehr schön.« Vor einigen Jahren habe sie noch mal am Korso teilgenommen, als 20 frühere Rosenköniginnen auf einem selbst geschmückten Wagen mitfuhren.
Henrike Duda kann sich nur an ein einziges Fest erinnern, bei dem sie nicht aktiv am Korso teilgenommen hat. Ansonsten sei sie immer dabei gewesen, zum ersten Mal mit drei oder vier Jahren. Dieses Jahr wird Henrike im Mittelpunkt stehen und von ihrem Prunkwagen aus den Zuschauern zuwinken. Ingrid Gaffrey wird ihr zusehen und mit einem Lächeln an 1976 denken.