Debatte über Sozialwohnungen: »Das ist sozialer Sprengstoff«

Wohnraum wird immer knapper, gleichzeitig steigen die Miet- und Baupreise. Als die Große Koalition im Bad Nauheimer Parlament jetzt mehr sozialen Wohnungsbau forderte, wurde Bürgermeister Klaus Kreß emotional.
Die Kommunen wüssten nicht mehr, wie sie die vielen Schutzsuchenden unterbringen sollen.
Mehr Sozialwohnungen sollen entstehen - das fordert die Koalition aus CDU, Grünen und SPD in Bad Nauheim. Im Stadtparlament kam es daher jüngst zu einer emotionalen Debatte. Bürgermeister Klaus Kreß sieht sozialen Sprengstoff, da es lange Wartelisten gebe und Geflüchtete aus weltweiten Krisengebieten Vorrang vor beispielsweise Alleinerziehenden, Pflegekräften und Erzieherinnen hätten. Bundestagsabgeordneter Peter Heidt (FDP) ging darauf ein, warnte aber auch davor, Ängste zu schüren.
Zunächst beschrieb Natalie Peterek (SPD) das Ziel: »Es geht darum, den Anteil sowohl bezahlbaren Wohnraums als auch der sozialgebundenen Wohnungen im Stadtgebiet stetig zu erhöhen.« Der Anteil an Sozialwohnungen bei der Bad Nauheimer Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) soll dabei möglichst auf 30 Prozent erhöht werden - so wie es 2011 noch war. »Im Jahr 2020 unterlagen nur noch 268 von 1226 Wohnungen der Wobau der Sozialbindung«, stellte sie fest. Das seien nur noch knapp 22 Prozent. »Und in den kommenden Jahren drohen weitere Wohnungen aus der Sozialbindung herauszufallen.«
Peterek beschrieb den Wohnungsmarkt im Einzugsgebiet von Frankfurt als sehr angespannt - für viele Bad Nauheimer seien die Preise nicht mehr darstellbar. Es gelte trotz schwieriger wirtschaftlicher Voraussetzungen zu handeln, um das Problem abzumildern. Sie schlug vor, Mittel aus der sogenannten Investorenabgabe einzuplanen und überdies Grundstücke durch Erbbaurechte zur Verfügung zu stellen. »Es können Belegungsrechte für Sozialwohnungen an das Land verkauft und dadurch Einnahmen erzielt werden«, regte sie an.
Investorenabgabe fließt derzeit nicht
Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) erklärte: »Das Ziel ist nachvollziehbar.« Aktuell sei es aber »brutal schwer«. Beispielsweise lägen einige private Bauprojekte auf Eis, abgebremst durch die Krise, weshalb die Investorenabgabe derzeit nicht fließe. Wie Kreß hervorhob, sorgte der neue Wobau-Geschäftsführer Holger Münch dafür, die Blücherstraße 23 mit 45 Wohnungen für weitere zehn Jahre in der Sozialpreisbindung zu halten. Der Bürgermeister rechnete vor, was es koste, rund 100 Wohnungen neu zu bauen: 28 bis 35 Millionen Euro. Dafür würden 10 000 Quadratmeter Grundstücksfläche gebraucht, nach Ansicht von Kreß sind die Grenzen des Wachstums an bestimmten Stellen aber erreicht.
Er ging auf die derzeitigen Flüchtlingszahlen ein, die die Welle von 2015 überträfen. Die Migrationspolitik dominiere den Wohnungsmarkt - jeden frei werdenden Quadratmeter Wohnfläche brauche der Wetteraukreis dafür. 20 Prozent der Schutzsuchenden seien Ukrainer, die anderen seien »Weltflüchtlinge«. Hilfesuchend sähen alle Kommunen nach Berlin, von wo sie eine Migrationspolitik erwarteten, welche sie »nicht an die Wand fährt«. Kreß: »Da kann man eine humanitäre Debatte fordern, aber irgendwo ist die Grenze erreicht.«
Bundestagsabgeordneter Heidt dankte für die klaren Worte. Die Probleme bestünden deutschlandweit, Lösungen würden gesucht. »Ich bitte aber darum, keine Ressentiments und Ängste zu schüren, damit wir keine Kräfte wecken, die wir alle nicht haben wollen«, sagte er. Den Antrag der Koalition hielt er für unausgegoren. Er beantragte Überweisung in den Ausschuss, um zu ermitteln, welche baulichen Entwicklungsflächen es in Bad Nauheim gibt. Allerdings erfolglos. Nach Worten von Markus Theis (FW) wird die Wobau ihrer sozialen Verantwortung mit einem Durchschnittsmietpreis von 7,51 Euro gerecht. Mehrheitlich beschloss das Hohe Haus den Antrag.