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Billig-Implantate: Auch Hochwaldklinik betroffen

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Bad Nauheim (bk). Vom Skandal um minderwertige Brustimplantate, die vom französischen Hersteller PIP stammen, sind auch Frauen aus dem Wetteraukreis betroffen. Wie Wolfgang Potinius, Geschäftsführer des Gesundheitszentrums Wetterau (GZW) auf Anfrage bestätigte, habe das Hochwaldkrankenhaus bis 2006 Produkte des französischen Unternehmens bezogen.

Gegen den Firmengründer laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, weil die Implantate als gesundheitsgefährdend eingestuft werden. In der Bad Nauheimer Klinik werden pro Jahr etwa 300 Brustkrebs-Patientinnen operiert. Wie viele Frauen die minderwertigen Silikonkissen erhalten haben, sei bislang nicht bekannt, hieß es am Mittwochabend.

Das Gesundheitszentrum Wetterau ist eines der größten Zentren in Hessen, in denen Brustkrebs-Patientinnen behandelt werden. »Wir beziehen Brustimplantate von mehreren Lieferanten. Für einen begrenzten Zeitraum gehörte die niederländische Firma Rofil auch dazu«, erklärte Potinius. Gemeinsam mit dem Chefarzt der Abteilung Gynäkologie, Dr. Ulrich Groh, sei die GZW-Geschäftsleitung unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Informationen über minderwertige Brustimplantate im Dezember aktiv geworden. »Wir haben umgehend beim Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit und Medizinprodukte nachgefragt, ob auch die niederländische Firma Rofil die in Kritik stehenden Implantate der Firma PIP vertrieben hat«, sagte Potinius. Das Institut habe den Sachverhalt zunächst recherchieren müssen, dann aber bestätigt, dass die Rofil-Silikonkissen vom französischen Hersteller stammen.

»Nach Erhalt der Antwort haben wir Anfang Januar betroffene Patientinnen angeschrieben«, erklärte der Geschäftsführer.

Nach Angaben von Chefarzt Groh ist ein kleiner Prozentsatz der Patientinnen betroffen. Im Hochwaldkrankenhaus, das seit 2009 als Brustzentrum zertifiziert ist, werden pro Jahr 300 Brustkrebs-Patientinnen operiert. In etwa zwei Drittel der Fälle könne brusterhaltend vorgegangen werden. Wenn der Erhalt der Brust nicht möglich ist, gebe es neben der Brustrekonstruktion aus Eigengewebe die Möglichkeit, ein Implantat einzusetzen. Weil Rofil keine anatomisch geformten Implantate liefern konnte, habe die Gynäkologische Abteilung nach 2006 keine Produkte dieses Lieferanten mehr verwendet.

»Qualitätsbedenken gab es damals nicht«, sagte Groh. »Die Implantate trugen nicht nur das europäische CE-Siegel, sondern waren außerdem TÜV-zertifiziert und ausdrücklich zur Verwendung in Deutschland zugelassen«, ergänzte Potinius. Er verwies darauf, dass Kliniken sich hinsichtlich der Verwendung medizinischer Produkte auf die Ergebnisse der behördlich veranlassten Qualitätsüberprüfungen durch Instanzen wie den TÜV verlassen müssten.

»Kein Haus ist darauf eingerichtet, Medizintechnik selbst zu überprüfen«, betonte der Geschäftsführer. Von dieser Art Betrugsskandal seien alle Kliniken betroffen. »Unsere Forderung ist ganz klar: Die Aufsichtsbehörden müssen ihre Kontrollmechanismen verbessern«, sagte Potinius.

Wie auf Nachfrage zu erfahren war, hätten sich bereits etliche der betroffenen Patientinnen zur Untersuchung im Hochwaldkrankenhaus eingefunden. Zusammen mit dem behandelnden Arzt müssen die Frauen entscheiden, ob das Implantat ausgetauscht wird. Das wird von Experten empfohlen, weil die Billigprodukte reißen können. Entzündungen und andere gesundheitliche Beeinträchtigungen können nicht ausgeschlossen werden. Der weitaus überwiegende Teil der im Hochwaldkrankenhaus operierten Frauen hat sich dem Vernehmen nach wegen Brustkrebs operieren lassen. In diesen Fällen wollen die Krankenkassen die Kosten eines erneuten Eingriffs übernehmen. Handelte es sich um Schönheitsoperationen, werden die Kosten möglicherweise von den Betroffenen selbst getragen werden müssen. Weltweit wurden etwa 400 000 bis 500 000 der Implantate aus Billigsilikon vertrieben.

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