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Bilder auf Zigarettenschachteln: Schockierend, aber die Sucht…

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Wetteraukreis (sda). Rauchen ist ungesund. Das weiß jedes Kind. Nur sind »ungesund«-Sätze langsam abgenutzt und für viele bloß eine Floskel. Wie ungesund Rauchen wirklich ist, wird nun aufgrund eines Gesetzes plastisch dargestellt. Auf Zigarettenschachteln sind Bilder von schwarzen Lungen, toten Rauchern und impotenten Männern. Schön anzusehen sind die nicht. Aber halten sie Raucher vom Rauchen ab?

Henry stellte sich das so vor: Sein Vater sitzt auf dem Balkon, greift zur Zigarettenschachtel und muss lächeln. Und weil dem 14-Jährigen diese Vorstellung gefiel, hat er sich etwas ausgedacht. Mit Erfolg: Mittlerweile muss sein Vater wirklich lächeln, denn auf der Schachtel steht zum Beispiel »Wie wär’s mit Aufhören?!!!« Und am nächsten Tag vielleicht: »Ich hab dich ganz doll lieb.« Der 14-Jährige ist Sohn eines Rauchers, und seit es die Schockbilder auf den Zigarettenschachteln gibt, habe sich sein Vater, Ralf Wittig, immerzu wahnsinnig aufgeregt. Sätze wie »Rauchen kann Ihr ungeborenes Kind töten« in Kombination mit einem Kindersarg-Bild findet der Vater »total schrecklich«. Henry begann, Aufkleber zu gestalten: Sie passen genau über die Schockbilder, es gibt sie als Bögen zu kaufen, und zurzeit reisen Vater und Sohn durch die Region, um die Geschäftsidee in Tabakläden an den Raucher zu bringen. Beispielsweise in Bad Nauheim – dort gingen die Aufkleber bisher gut weg, erzählt Ralf Wittig. Gerade versuchen er und Henry ihr Glück im Tabakladen von Marcel Kohrmann. Er nimmt zwei Probebögen.

Kohrmann kauft mehr Zigaretten als jeder gewöhnliche Raucher, ist selbst Nichtraucher, hat aber täglich mit Rauchern aller Art zu tun: Mit Selbstdrehern, mit Mentholrauchern, mit klassischen Rauchern. In seinem Laden wählen sie eine Sorte von der langen, mit Zigarettenschachteln gefüllten Wand. Dass es die Schockbilder seit Neuestem gibt, ist nicht sofort ersichtlich. Die Tabakindustrie hat vorgesorgt. Nach und nach seien die Vorsteckkarten von den einzelnen Firmen mitgeliefert worden, erzählt Kohrmann. Diese zeigen Markennamen und Preis und werden ins Regal vor die Schachteln gesteckt, mit dem Effekt, dass der Kunde nicht sofort die Bilder sieht. Denn die sind alles andere als ansehnlich: eine Frau, die Blut spuckt, ein verfaulter Fuß, ein zusammengekauerter nackter Mann (»Rauchen bedroht Ihre Potenz«).

Die Raucher schreckt’s jedoch kaum ab – so jedenfalls der Eindruck des Tabakhändlers. Die Bilder seien immer mal wieder Gesprächsthema (aber auch nicht allzu oft), einige hätten angekündigt aufzuhören, kämen aber doch wieder. Aber dass er seit Einführung der Bilder weniger Zigaretten verkauft hat? Nein. Im Gegenteil: Der Umsatz steigt an anderer Stelle. Etuis für Zigarettenschachteln seien begehrt.

Marek Osowski braucht kein Etui. Seit 34 Jahren ist er Raucher, die Bilder auf den Schachteln sind seiner Meinung nach »unglaublich« und »Quatsch« – vom Rauchen hielten sie ihn ohnehin nicht ab. »Wir wissen doch, dass es ungesund ist«, sagt er. Und: »Ich bezahle die Zigaretten, nicht die Bilder.«

Im ersten Moment ist es immer wieder ein Schock, sagt Janis Boatright. »Aber durch die Sucht lässt sich so ein Bild auch verdrängen.« Dennoch kauft sie seit Neuestem ihre Zigaretten lieber am Automaten – die sind zum größten Teil noch mit Packungen ohne Bilder gefüllt. Zurzeit hat sie ein Päckchen mit der blutspuckenden Frau und dem Satz »Rauchen schadet Ihrer Lunge«.

Sie schaut auf das Päckchen, greift trotzdem zur Zigarette. Aber, so ist ihr Eindruck: Das tut sie ein bisschen seltener als vor den Schockbildern. Seit fünf Jahren raucht sie, übers Aufhören denke sie – wie wahrscheinlich 95 Prozent der Raucher – immer wieder mal nach. Doch es ist wie mit den Bildern: »Das lässt sich gut verdrängen.«

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