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Abrechnung mit Jens Spahn

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Von: Redaktion

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Vor gut einem Jahr hat Jens Spahn den Posten als Bundesgesundheitsminister angetreten. Der Vorstand des Bezirks Wetterau im Hessischen Hausärzteverband stellt dem CDU-Politiker nun ein schlechtes Zeugnis aus. Man sei besorgt über die Entwicklung im Gesundheitswesen, heißt es in einem offenen Brief von Dr. Alexander Jakob und Dr. Christian Haffner, den die Wetterauer Zeitung nachfolgend abdruckt.

Vor gut einem Jahr hat Jens Spahn den Posten als Bundesgesundheitsminister angetreten. Der Vorstand des Bezirks Wetterau im Hessischen Hausärzteverband stellt dem CDU-Politiker nun ein schlechtes Zeugnis aus. Man sei besorgt über die Entwicklung im Gesundheitswesen, heißt es in einem offenen Brief von Dr. Alexander Jakob und Dr. Christian Haffner, den die Wetterauer Zeitung nachfolgend abdruckt.

»Die Politik des Bundesministers für Gesundheit, Jens Spahn, ist von einem Aktionismus geprägt, der uns Hausärzten als vorwiegend populistisch erscheint. Von der Idee, Liposuktion (Fettabsaugung, Anm. d. Red. ) per Dekret als Kassenleistung einzuführen, über den Vorschlag, gegen Grippe von Apothekern impfen zu lassen bis zu hin Aussagen, eine App könne bis zu einem gewissen Grade Ärzte ersetzen oder der von oben herab oktroyierten Digitalisierung gegen die Beteiligten, gab es in dem Amtsjahr von Spahn viele Initiativen, die nicht zielführend erscheinen.

Das Jahr seit Spahns Amtszeit war geprägt von teils wöchentlichen Vorschlägen, insbesondere für das Termin- und Versorgungsgesetz, das am 14. März dieses Jahres dann auch vom Bundestag beschlossen wurde. Selbst Experten im Gesundheitswesen fiel es schwer, diese Diskussion tagesgleich angemessen zu erfassen und zu kommentieren. Eine sinnvolle Diskussion war und ist auch deshalb besonders schwierig, da gezielt populistische Lobbyarbeit betrieben wurde, die allerdings immer wieder ohne die wichtigen Player unseres Gesundheitswesens, insbesondere die Hausärzte, stattfand.

Schon fast verzweifelt mutet zum Beispiel das Durchpeitschen der Telematikinfrastruktur trotz ihrer Risiken an, über deren Haftungsfragen man die Ärzteschaft offensichtlich bewusst im Dunkeln stehen lässt. Eine seit Jahren geplante und ebenso lange schon veraltete und fehleranfällige Technologie wird nun unter der Ägide der entsprechenden Hersteller trotz aller offensichtlicher Bedenken unter Zwang und finanzieller Bestrafung der nicht teilnehmenden Ärzte umgesetzt. Was könnte das besser zeigen, als die Übernahme von 51 Prozent der Geschäftsanteile der verantwortlichen »gematik« durch das Bundesministerium für Gesundheit?

Wenn man bei der bundesweit sich auf die Fahnen geschriebenen Digitalisierung bleibt, dann befremden weiter die Aussagen Spahns, dass er ja eine App habe, die vieles Arztwissen ersetzen könne. Die Vorschläge zur Verbesserung und Sicherung der zukünftigen landärztlichen Versorgung, die die Ärzte in der Wetterau seit Jahren beschäftigt und zu der hier auch zahlreiche Lösungsvorschläge und Initiativen erarbeitet worden sind, schrumpfen auf den minimalistischen Vorschlag zusammen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Eigeneinrichtungen errichten müssen und der Aussage gegenüber kritisierenden Ärzten, dass sie ja keiner zwinge, »als Kassenarzt tätig zu sein«. Es entsteht der Eindruck, dass es politischer Wille ist, die hausärztliche Versorgungsebene weiter zu schwächen, wenn vielerlei Initiativen keine Beachtung finden.

Der Ausbau der Terminvermittlung über die Terminservicestellen konterkariert die schon bisher hohe Arbeitsintensität, mit der Hausärzte ihre Patienten versorgen und sich um die zeitnahe persönliche Kooperation mit den anderen Fachärzten einsetzen.

Dass für das besondere Arbeitsfeld des Hausarztes wenig Verständnis besteht, zeigt auch der Vorschlag, man könne zum Beispiel Grippeimpfungen zukünftig in Apotheken erbringen. Vermutlich hilft bei einem zum Beispiel erfolgenden Zwischenfall wie einer Überempfindlichkeitsreaktion eine App weiter...

Diese Entwicklung des Gesundheitswesens und Schwächung von Hausärzten ist anscheinend nicht nur auf der Bundesebene der Fall. In Hessen besteht seit dem Amtsantritt des Staatsministers für Soziales und Integration, Kai Klose (Grüne ), bisher offensichtlich kein Interesse an einer Kommunikation mit oder über die Ärzteschaft.

Zusammenfassend ist klar, dass es im Gesundheitswesen, sowie bei der Digitalisierung immer auch umstrittene und nicht nur risikofreie Wege geben wird. Grundvoraussetzung für ein Gelingen der Digitalisierung und der Existenz eines weiter hoch qualitativen Gesundheitssystems ist jedoch die Einbeziehung aller Beteiligten und keine Top-down-Politik mit der Axt.

Wir Hausärzte in der Wetterau wünschen uns hier eine offene Kommunikation und stehen weiter bereit, unsere Erfahrungen und unser Wissen einzubringen.«

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