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»Sonny Boys« auf der taT-Studiobühne

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Eigentlich sollte Neil Simons »Sonny Boys« schon 2015 auf der taT-Studiobühne zu sehen sein. Doch wegen Erkrankung des Hauptdarstellers Harald Schneider musste Abdul M. Kunzes Version des Boulevard-Klassikers auf diese Spielzeit verschoben werden. Nun endlich war Premiere und zeigte: Das lange Warten hat sich gelohnt.

Woody Allen und Peter Falk, George Burns und Walther Matthau, Otto Schenk und Helmuth Lohner – die Reihe berühmter Schauspieler, die Neil Simons Boulevard-Komödie »Sonny Boys« im Film und auf der Bühne legendär gemacht haben, ist gespickt mit prominenten Namen. Nun präsentiert auch das Stadttheater seine Version »mit Gießener Stempel« und gibt den langjährigen Ensemblemitgliedern Harald Schneider und Harald Pfeiffer die Gelegenheit, ihre bissig-komische Seite auszuleben.

46 Jahre lang sind Willi Clark (Harald Schneider) und Al Lewis (Harald Pfeiffer) als Komikerduo aufgetreten. Sie waren der »Stern am Komikerhimmel«, doch leiden konnten sich die beiden Exzentriker nicht wirklich. Zehn Jahre, nachdem sie ihre Zusammenarbeit mit einem Knall beendet haben, versucht Willis Neffe und Agent (Pascal Thomas) sie wieder zu einem gemeinsamen Auftritt im Rahmen einer Fernsehshow zu bewegen. Doch schon der Beginn der Proben nach Jahren der Funkstille und der beidseitig gepflegten Hassliebe gerät zum Desaster.

Regisseur Abdul M. Kunze verlegt Neil Simons Originalstück von New York mehr oder weniger komplett in eine deutsche Großstadt, von der Mitte des vorigen Jahrhunderts in die Jetztzeit. Das gelingt mühelos und sorgt mit Anspielungen auf den Prominentenklatsch in der »Gala« und verstorbene Stars wie Udo Jürgens und Michael Pfleghar oder das Gießener Johannesstift für Kicheranfälle im Publikum. Auch das mobile Bühnenbild von Thomas Döll wandelt sich in meist kurzen Umbauten auf offener Bühne dank mobiler Stellwände ohne Probleme von Willis heruntergekommenem Zimmer zum Fernsehstudio, in dem die Proben für den Nostalgie-Sketch im »Zweiten« laufen.

Doch was wäre »Sonny Boys« ohne die beiden Hauptdarsteller, die sich im schnellen Wechsel die bissigen Pointen nur so um die Ohren hauen. Und wie groß ist die Versuchung, hier einem Kalauer die feinen Nuancen zu opfern, die das Komische quasi in Spiegelschrift mit dem Tragischen verbinden. Weder Harald Schneider noch Harald Pfeiffer tappen in diese Falle einer Hau-Drauf-Interpretation, bieten im Gegenteil eine fast schon zu ruhige Version.

Auch wenn ihre Rollenfiguren nicht wirklich miteinander können wird klar: Ohne den einen fehlt dem anderen ein wichtiger Teil seines Lebens. Das machen die zwei Theaterroutiniers souverän feinsinnig deutlich. Ein scheeler Blick oder eine scheinbar fahrige Geste reichen dem stimmlich noch nicht wieder zu gewohnter Kraft gelangten Harald Schneider aus, um seinen Willi als Sensibelchen zu zeigen, das seinen weichen Kern hinter seiner knodderigen Schale nur schwer verbergen kann. Und so wie im Stück die schwierigen Proben zum legendären »Sonny Boys«-Sketch »Der Doktor und die Steuerprüfung« ahnen lassen, wie viel Arbeit hinter einer scheinbar mühelosen Lachnummer stecken, so demonstriert Schneiders Spiel auch, wie viel Schauspielkunst nötig ist, um eine komische Figur mehr als nur komisch wirken zu lassen. Auch Harald Pfeiffer, der als Al den schrulligen Grandseigneur gibt, kann dies zeigen. Pascal Thomas als gutmütig-gestresster Neffe Benjamin, Petra Soltau als herrlich resolute Altenpflegerin und Laila-Fleur Hertstein als sexy Krankenschwester ergänzen optimal.

Zwei Stunden lang, inklusive einer studiounüblichen Pause, bieten Abdul M. Kunzes Gießener »Sonny Boys« scheinbar schwerelose Boulevard-Komik mit bestem Neil-Simon-Sprachwitz. Ein unterhaltsamer Abend, aber mit leicht angezogener Handbremse.

Karola Schepp

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