Ein Lächeln für die dunkle Seite
Für ihn ist es »die Bibel des Musiktheaters«. Wenn Bariton Grga Peroš heute Abend zum ersten Mal in Mozarts Oper »Don Giovanni« als Titelheld auf der Bühne steht, will er eins sein mit der Rolle. Der Perfektionsgedanke treibt ihn an. Und sein unbändiger Wille, das Publikum gut zu unterhalten.
Er ist scharf aufs Leben. Genuss heißt sein Credo. Frauen sind für ihn eine Sucht. Mehr als 2000 von ihnen soll er das Herz gebrochen haben. Doch im Innern ist der große Verführer eine tieftraurige Figur, die dem Tod ins Auge blickt. Genau deshalb hat Don Giovanni Operngeschichte geschrieben. Bariton Grga Peroš, seit Dezember des vergangenen Jahres zum Sänger-Ensemble des Stadttheaters gehörend, schickt sich an, in seiner ersten großen Partie die Überfigur darzustellen.
Die Partitur um den uneinsichtigen, wüsten, aus dem Vollen schöpfenden Titelhelden ist für Peroš »die Bibel des Musiktheaters«. Wolfgang Amadeus Mozart hat hier gemeinsam mit seinem Librettisten Lorenzo Da Ponte eine in Teilen beinahe dämonische Oper konzipiert, die allein schon mit der häufigen Verwendung der d-Moll-Tonart einen düsteren Grundton anstimmt.
Ob er nervös ist vor dieser Herausforderung? »Nein«, sagt Peroš, »aber es ist eine große Aufgabe, der ich mit Respekt begegne.« Der Bariton hat sich schon vor einigen Jahren in einer Studienrolle eingehend mit der Partie befasst. Zu einer Aufführung kam es damals allerdings nicht. »›Don Giovanni‹ gehört zu den schönsten Opern überhaupt«, sagt der 34-Jährige und in seinen Augen blitzt der unbedingte Wille auf, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. »Ich will nicht zu viel verraten, aber wir zeigen eine wunderbare Inszenierung mit Tiefgang.«
Peroš, in Zagreb geboren, stammt aus einer kreativen Familie. Der Vater Bildhauer und Designer, die Mutter Koloristin für Zeichentrickfilme, die Oma Pianistin und der Ururgroßvater ebenfalls Bariton. Im Alter von acht Jahren lernte der kleine Grga das Klavierspielen und genoss bis zum Gymnasialabschluss eine Ausbildung an der auf Musik spezialisierten Elly-Bašic-Schule. Ab 2002 studierte der Kroate in seiner Heimatstadt Philosophie und Informationswissenschaften, 2008 schloss sich eine private Gesangsausbildung an. »Aber erst als Student an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz habe ich das Singen richtig gelernt«, sagt Peroš. Das war 2011. Das Studieren der deutschen Sprache gehörte für ihn dazu. Er spricht sie mittlerweile mit beinahe akzentfreiem Charme.
In Graz erhielt Peroš mehrere Stipendien. Am Theater Klagenfurt und in Berlin stand er bereits im Rampenlicht. An Gießen schätzt er die kurzen Wege und am Stadttheater die Motivation durch die Kollegen. »Unsere Proben verlaufen konstruktiv. Wir sind mit Spaß und dem nötigen Ernst bei der Sache, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen«, sagt der Sänger und betont: »Für mich ist Musik wie eine Droge. Ich will, dass jedes neue Stück so gut wie möglich funktioniert.«
Den Perfektionsgedanken entlehnt er seinem Lieblingskomponisten: Johann Sebastian Bach. »Der Barockmeister ist der Grundstein für alle Musik.« Peroš steht gern auf der Bühne und vor Publikum, sagt aber von sich, er sei völlig uneitel und wolle einfach gute Laune vermitteln. Wandelbar ist er obendrein. Wer ihn in seinen bisherigen Rollen am Stadttheater beobachtet hat, musste bisweilen zweimal hinschauen, um ihn zu erkennen – etwa in der Schnittke-Oper »Leben mit einem Idioten« aus der vergangenen Spielzeit, in der Peroš den Dichter Marcel Proust mimte.
Seit einem Jahr ist der Bariton mit einer Mezzosopranistin verheiratet. »Irina habe ich beim Studium in Graz kennengelernt«, schwärmt er. Das Paar lebt gemeinsam in Gießen. »Wir fühlen uns hier wohl.« Die beiden schätzen die Atmosphäre und die vielen jungen Leute in der Universitätsstadt.
Seine persönlichen Ziele sind schnell skizziert: »Ich will stimmlich wachsen, an meinem Repertoire arbeiten und...«, Peroš denkt nach und grinst: »...unbedingt Papa werden.« Dann ist er ja auf dem richtigen Weg. Der groß gewachsene Sänger nickt. »Aber ich könnte auf diesem Weg ein paar Kilo abnehmen«, sinniert er und zieht lächelnd an seinem Hemd. Aber das hat noch ein wenig Zeit. Don Giovanni war nun mal ein stattlicher Kerl.