Ein Kerl wie ein Baum
Andreas Matlé und Roland Bock sind zwei Männer, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Der eine smarter Pressesprecher und Autor, der andere ehemaliger Wrestler und Lebenskünstler. Doch sie mögen sich. Nun hat Matlé unter dem Titel »Bock!« die Biografie seines Freundes geschrieben. Sie gibt Einblicke in ein sensationelles Leben.
Schon als 18-Jähriger hat sich Andreas Matlé, Pressesprecher des Energieversorgers OVAG, für Wrestling interessiert. Und dabei traf er auch auf eine der vielen schillernden Persönlichkeiten der Szene: Roland Bock. Die beiden freundeten sich an, verloren sich wieder aus den Augen und trafen sich vor drei Jahren per Zufall wieder. Und als Bock erzählte, was er in der Zwischenzeit erlebt hatte, war für Matlé klar, dass er daraus ein Buch machen wollte. Bock gab seinem Biografen Einblick in ein außergewöhnliches Leben – voller Höhepunkte und Niederlagen, voller spektakulärer Wendungen und ungewöhnlicher Berufswechsel. »Das Buch ist damit auch eine Mentalitätsgeschichte der alten BRD«, meint Matlé.
Er interessiert sich beim Schreiben für »Menschliches« – und das bietet Bocks Leben in Hülle und Fülle: 1944 wurde er im Stuttgarter Arbeiterviertel Feuerbach geboren. Seine Kindheit war von Gewalt geprägt. Erfolgserlebnisse hatte er jedoch als Schüler beim Ringen. Er wurde 1962 deutscher Meister sowie 1962 und 1965 deutscher Juniorenmeister im Schwergewicht. Mit seiner wuchtigen Statur – 1,92 Meter Körpergröße und 120 Kilogramm – wurde Bock schon bald einer der besten Schwergewichtsringer in Deutschland und Europa. Höhepunkt seiner Amateurlaufbahn war der Sieg bei den Europameisterschaften 1970 in Berlin. Und beinahe hätte er es auch zu den Olympischen Spielen 1972 in München geschafft. Doch während der Europameisterschaft 1972 überwarf sich Bock mit dem Ringerverband, weil er nicht mit Fieber bei einem Kampf antreten wollte, und wurde in der Folge nicht zu den Olympischen Spielen nominiert. Er zog die Konsequenzen und wechselte 1973 zum Wrestling. Hier machte er Karriere, die seinen Körper zeichnete.
Auch ein Ausflug ins Filmgeschäft gehört zur bewegten Vita des heute 73-Jährigen. 1979 spielte er im Film »Hurricane Rosie« an der Seite von Gérard Depardieu. In der schrägen Komödie muss sich eine Catcherin zwischen ihrem Boss (Roland Bock) und Jahrmarktkraftprotz Raoul (Gérard Depardieu) entscheiden. Und das machte Bock, der bis dato keinerlei Schauspielerfahrung hatte, offenbar so gut, dass er auch die Titelrolle in der Fernsehminiserie »Marco Polo« angeboten bekam. Doch er lehnte ab, wollte nicht für Dreharbeiten sechs Monate weg sein von zu Hause und so seine Ehe gefährden. Doch die ging auch so in die Brüche und als Bock die Serie erstmals im Fernsehen sehen konnte, da saß er im Gefängnis.
Oben-Ohne-Frauenboxen
Bock gewährt einen schonungslosen Einblick in sein Leben, aber auch in die Wrestler-Szene. »Wenn wir das Buch machen, will ich die Wahrheit schreiben«, hatte Matlé zur Auflage gemacht – und Bock erzählte: vom Doping im Ringersport, von den körperlichen Leiden als Folge des Wrestlings, von abgesprochenen Kämpfen und absurden Showelementen mit hoher Verletzungsgefahr.
1982 beendete Bock seine Wrestling-Karriere – da war er 37 Jahre und suchte nach neuen Herausforderungen. Er lebte ein Jahrzehnt in Thailand und wurde Unternehmer. Angetrieben von einem nie nachlassenden Hunger nach Anerkennung und Bestätigung investierte er in neue, teilweise abenteuerliche Projekte. So organisierte er eine Mischform aus Männer- und Frauenkämpfen sowie ein »Oben-Ohne-Frauenboxen«. Nach feministischen Protesten brachen die Kartenverkäufe ein – für Bock ein finanzielles Fiasko. Eines von vielen. »Er verdiente Millionen und hat sie auch wieder verloren«, erzählt Matlé.
Im November 1983 eröffnete Bock die Rockfabrik Ludwigsburg, kurz »Rofa«, in einer ehemaligen Fabrik für Kühlschränke. Hier traten vor allem in den Achtziger- und Neunzigerjahren zahlreiche prominente Bands wie Metallica, Iron Maiden oder die Scorpions auf. Sie ist auch heute noch eine Institution der Szene, doch ohne Bock. Er wurde von seinen früheren Geschäftspartnern ausgebootet.
Mit 73 Jahren lebt Bock heute von seiner winzigen Rente wieder allein in einer Zwei-Zimmerwohnung in seinem Geburtsviertel in Stuttgart. Er träumt davon ein Altersheim in Thailand zu eröffnen und importiert Schuhlöffel aus China. Trotz aller Rückschläge hat er sich den Optimismus bewahrt, dass sein Leben noch einmal eine erfolgreiche Wende nehmen wird.