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»Ich nehme mir die Freiheit, zu tun, was ich will«

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Von: Karola Schepp

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»An Sophie Berner sehen strenges Schwarz oder geile Stiefelchen ebenso gut aus wie lange Gala«, schwärmte unsere Rezensentin nach der Premiere des Solo-Abends »Pure Imagination« im Stadttheater. Nun kehrt Berner mit leicht verändertem Programm zurück. Anlass, die Sängerin nach ihren Beweggründen und ihren Zukunftsplänen zu befragen. Aber auch nach ihrer Sicht auf das »gewisse Etwas«.

Die Rolle der Sally Bowles haben Sie über 700-mal gespielt. Wie schafft man es, dabei keine Routine aufkommen zu lassen?

Sophie Berner: Ich habe die Sally nicht durchgängig gespielt, sondern mit Unterbrechungen. Dadurch bekam ich immer wieder Abstand, konnte mich mit anderen Stücken weiterentwickeln und die Rolle mit neuen Erfahrungen ausfüllen.

Sie bevorzugen außergewöhnliche Produktionen, nicht kommerziell ausgerichtete Musicals. Suchen Sie das Besondere, weil Sie Angst haben, in eine Musical-Schublade gesteckt zu werden?

Berner: Das kommt eher daher, weil ich immer das gemacht habe, was mich interessiert. In das Genre Musical bin ich quasi hereingerutscht. Meine Gesangslehrerin hat mir geraten, Schauspielunterricht zu nehmen. Die Schauspiellehrerin hat mich auf Musical aufmerksam gemacht. Dann habe ich mich beworben und wurde sofort genommen. Mit 17 war ich auf der Musicalschule und habe da erst so richtig erfahren, was es bedeutet, Musical zu machen. Eines kam zum Anderen, und ich habe gemerkt, dass es mir Spaß macht, zu singen, zu spielen, zu tanzen. Ich hatte nie Interesse an diesem Beruf aus einem Hochleistungssportaspekt heraus. Ich finde es interessanter an so vielen unterschiedlichen Rollen wie möglich zu arbeiten, als jeden Abend das Gleiche zu spielen. Dadurch bin ich zwar viel unterwegs, habe mir aber ein umfangreiches Repertoire erarbeitet und viele große Rollen gespielt.

Mir scheint, Sie interessieren sich vor allem für starke Frauengeschichten.

Berner: Ich weiß gar nicht, ob das unbedingt starke Frauen sind. Es interessieren mich auf jeden Fall vielschichtige, extreme Persönlichkeiten, denn da gibt es viel zu spielen. Da kann man wühlen und sich austoben.

War in dem Zusammenhang das Marilyn-Monroe-Stück »I wanna be loved by you« eine Herzensangelegenheit?

Berner: Das wurde zur Herzensangelegenheit. Mich interessieren biografische Stücke, wie auch das Stück über Edith Piaf, das wir gerade in Gießen proben. Ich darf die Piaf spielen, Andrea Pagani Marlene Dietrich.

Gibt Ihnen die Unterstützung des Stadttheaters die Freiheit, zu zeigen, was Sie können?

Berner: Ich weiß es sehr zu schätzen und versuche, mit allem was ich zu bieten habe, den an mich gestellten Anspruch zu erfüllen. Ich bin dafür sehr dankbar.

Bei Ihrem neuen Programm »Pure Imagination« tragen Sie die volle Verantwortung, künstlerisch wie finanziell.

Berner: Es ist ein Konzertabend, den ich kreiert habe. Der hat sich auch innerhalb der Zeit verändert. Und das ist das Schöne daran: Es ist mein ganz eigener Abend. Ich kann machen, was immer ich machen will. Die Freiheit nehme ich mir. Ich erzähle von mir, singe Lieder, die ich immer singen wollte, in denen ich mich wohlfühle. Es macht mir unglaublich viel Spaß, mit meiner Band auf der Bühne zu stehen und alle Freiheiten zu haben, den Abend jedes Mal auch etwas anders zu lenken, gestalten und zu erleben.

Der Besucher hört also Ihre Lieblingssongs, die Sie auch Zuhause hören.

Berner: Das kann man so nicht sagen. Es ist eher eine Momentaufnahme der letzten Jahre. In zwei Jahren würde ich vielleicht ganz andere Lieder singen wollen. Es sind Lieder, die mir gut gefallen oder von denen ich denke, dass man sie theatral toll erzählen kann. Es gibt einen Unterschied zwischen der Musik, die ich privat höre, und der Musik, die ich auf der Bühne singe.

Es gibt auch einen Unterschied zu dem »Pure Imagination«-Programm, das Sie im Sommer vergangenen Jahres im Stadttheater gezeigt haben.

Berner: Das Programm hat sich weiterentwickelt. Ich habe zwischenzeitlich andere Konzerte gehabt und mir neues Repertoire angeeignet. Das neue Programm ist musikalischer und rockiger geworden, weniger erzählerisch. Den Sprechgesang alter Chansons habe ich herausgenommen. Es ist aber immer noch eine »Pure Imagination«-Reise. Ich habe sie nur persönlicher gestaltet. Es gibt einen Block, in dem ich vom Theater erzähle. Und auch das Cabaret-Medley habe ich ausgetauscht und erzähle, was Cabaret für mich bedeutet, was es mit mir gemacht hat. Die Leute können sich aber auch einfach zurücklehnen und schöne Musik hören.

Wie schwierig ist es, Chansons wie »Je ne regrette rien«, die jeder kennt, zu seinem ganz eigenen Ding zu machen?

Berner: Das ist die Freiheit, die ich mir nehme. Ich habe mich gefragt, was ich mit »Je ne regrette rien« erzählen möchte und wie ich darin meine Stimme, meine Art zu singen, finde. Das war ein schöner kreativer Moment. Mit meinem damaligen Pianisten bin ich an das Lied mit der Idee herangegangen, dass ich alles, und eben nicht nichts bereue.

Wie wichtig sind Sex-Appeal und Charisma für Ihren Erfolg? Oder kann gutes Aussehen auch ein Nachteil sein?

Berner: Ich freue mich, wenn ich positiv wahrgenommen werde. Aber auf der Bühne bin ich mit Make-up, Haaren und Kostümen hergerichtet. Manchmal spüre ich dadurch eine anfängliche Abwehrhaltung, wenn mich Leute noch nicht kennen. Mancher erwartet eher etwas Oberflächliches. Da muss ich zuweilen mehr kämpfen, als jemand, der schon mit seinem Aussehen lustig rüberkommt.

Gab es für Sie jemals einen Plan-B statt Bühne und Musical?

Berner: Den gab es nicht. Der Weg war klar. Weil ich nach der Schule gleich gearbeitet habe, lief es in einem durch. Jetzt kommt mehr und mehr das Bedürfnis, neue künstlerische Herausforderungen zu suchen.

Wäre mehr Schauspielerei eine Option?

Berner: Auch. Ich habe im letzten Jahr in Salzburg Shakespeare gespielt, war in »Viel Lärm um nichts« die Beatrice. Auch das Stück »Spatz und Engel« in Gießen, das am 3. März im taT Premiere hat, die Begegnung von Edith Piaf mit Marlene Dietrich, ist kein Musical, auch wenn wir deren Musik singen. Es interessiert mich sehr, in die Tiefe zu gehen. Meine eigene Musik zu machen, Film – es gibt noch so viel für mich auszuprobieren.

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