Fahrgastverband: Zug-Notstand droht - Bahn äußert sich

Nach dem Chaos vom Samstag versichert die Bahn, dass der neunstündige Zug-Stillstand wegen Krankheit war »singuläres Ereignis« war. Der Fahrgastverband ProBahn sieht das anders.
Gießen - Der Grund für den neunstündigen weitgehenden Zug-Stillstand zwischen Gießen und Friedberg war nicht nur eine einzige Krankmeldung. Vielmehr sei eine kurzfristige Erkrankung zu anderen Abwesenheiten hinzugekommen. »Es kam einiges zusammen. Das war ein singuläres Ereignis«, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Anfrage. Der Fahrgastverband Pro Bahn Hessen indes betrachtet das Chaos in der Nacht zum Samstag als symptomatisch. »Man steuert auf einen deutschlandweiten Notstand zu«, meint der Landesvorsitzende Thomas Kraft.
In einer Pressemitteilung kritisiert Kraft, gerade in Hessen lasse sich die Bahn »in übergroßem Maße durch Festveranstaltungen fortwährend feiern«. Im Alltag sei »die Welt düster«.
Kritiker: "Verwahrlosen" der Bahn unter Mehdorn wirkt nach
Das »Verwahrlosen« der Bahn insbesondere in den zehn Jahren unter Hartmut Mehdorn - er leitete den Konzern von 1999 bis 2009 - wirke nach. Man müsse regionale Personaldefizite analysieren und gegebenenfalls umgehend Personal deutschlandweit umbesetzen, um »solche Skandale« auszuschließen, so Kraft.
»Wir entschuldigen uns«, sagt die Bahnsprecherin mit Blick auf die stundenlangen Wartezeiten und die Schwierigkeiten beim Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Freitagabend und Samstagfrüh. Die Vorwürfe des Fahrgastverbands weist sie aber weitgehend zurück. »Wir stellen sehr viel Personal ein, darunter jedes Jahr hunderte von Fahrdienstleitern. Und wir bilden aus. Wir tun alles, damit so etwas nicht passiert.« Auch in Gießen sei der Personalbestand so bemessen, dass Ausfälle normalerweise aufgefangen werden könnten. Die Bahn bemühe sich außerdem, die Mitarbeiter in Schulungen »mehrfach einzuweisen«, so dass sie für verschiedene Stellwerkstypen einsetzbar sind. Hundertprozentig ausschließen könne man einen solchen Fall aber nicht.
Bahn: Stellwerke als sensible Punkte
Anlass für die plötzliche Einstellung eines Teils des Zugverkehrs war die kurzfristige Krankmeldung eines Mitarbeiters, der im Stellwerk Bergwald bei Gießen-Kleinlinden hätte Dienst tun sollen. Zwar wird seit 2004 ein guter Teil des Gießener Zugverkehrs zentral von Frankfurt aus gesteuert. Doch insgesamt gebe es in Deutschland noch 2600 - teilweise elektromechanische - Stellwerke. Sie alle würden gebraucht, damit der Zugverkehr läuft, erläutert die Sprecherin.
Vor gut zwei Jahren legte Personalmangel im Stellwerk Marburg den Bahnverkehr zwischen Gießen und Treysa lahm. Bundesweit Aufsehen erregte die teilweise Stilllegung des Bahnhofs Mainz im Sommer 2013 wegen hohen Krankenstands. Seitdem »sind wir ein großes Stück weitergekommen«, betont die Sprecherin.