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Bouffier: Demokratie braucht Konsens

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Volker Bouffier bei seiner Rede in der gut gefüllten Uni-Aula.
Volker Bouffier bei seiner Rede in der gut gefüllten Uni-Aula. © Oliver Schepp

Gießen (si). Ministerpräsident Volker Bouffier beendete die Vorlesungsreihe des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität am Mittwochabend in der fast vollbesetzten Aula.

Eine demokratische Gesellschaft kann nicht gegen die Bevölkerung regiert werden. Demokratie ist auf Mehrheiten angewiesen – und das ist ein schwieriges Geschäft. Mehrheiten müssen organisiert werden, sie fallen nicht vom Himmel.

Wie man das macht, welche Konflikte entstehen und wie mit ihnen umzugehen ist: Das schilderte am Mittwochabend in der Universitätsaula einen »Profi« mit jahrzehntelanger Erfahrung – parlamentarische Mehrheiten zu beschaffen ist ureigenste Aufgabe von Politikern. Volker Bouffier, seit drei Jahren hessischer Ministerpräsident, CDU-Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender, zuvor bereits Innenminister in Hessen und schon in den 80er Jahren erstmals Staatssekretär, setzte den Schlussakzent in der Vorlesungsreihe des Universitätspräsidenten, in der seit November prominente Redner (wie die Theologin Margot Käßmann und letzte Woche Außenminister Frank-Walter Steinmeier) über den »Homo Conflictus« gesprochen hatten.

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Bouffier, ein waschechter Gießener, der an der Justus-Liebig-Universität Rechtswissenschaften studierte und wissenschaftlicher Mitarbeiter war, ließ (nach der Begrüßung durch Gastgeber Joybrato Mukherjee) in seinem 50-minütigen Vortrag erwartungsgemäß viele persönliche Erfahrungen und Erlebnisse aus dem »politischen Geschäft« einfließen. Anschließend blieb noch Zeit für Fragen aus den Reihen der 400 Zuhörer, die die Aula fast bis auf den letzten Platz füllten.

Überall konkurrierten unterschiedliche Interessen miteinander »(»auch in den Hochschulen«). Dass sei an sich kein Problem, sondern richtig und notwendig. Er sei nachdrücklich dafür, dass Politiker für die eigene Position »mit Schwung und Leidenschaft werben« sollten, sagte Bouffier. Allerdings müsse man immer auch die Bereitschaft haben, Abstriche zu machen. Dazu gebe es keine Alternative. »Eine Gesellschaft, die nicht konsensfähig ist, ist nicht zukunftsfähig.«

Pragmatismus sei also gefragt. Der aber brauche ein Wertesystem. Sonst drohe »Beliebigkeit« – also das, was gerade Politikern oft vorgeworfen werde, wenn sie Kompromisse schließen. Bouffier warb nachdrücklich für den »wertegebundenen Pragmatismus«. Dieser unterscheide sich durch seine Kompromissfähigkeit von der »starren Ideologie«. Der Politiker räumte allerdings ein, dass zwischen Pragmatismus und »Standpunktlosigkeit« oft nur ein »schmaler Grat« verlaufe.

Die schwarz-grüne Koalition in Hessen habe sich »Stück für Stück entwickelt«, sagte Bouffier. »Wir stellen uns vor, Ihr könntet recht haben. Und Ihr macht das Gleiche mit unserer Einschätzung« – das sei der Ansatz gewesen. Beide Seiten hätten nicht auf Maximalforderungen beharrt. Sonst wären die Gespräche gescheitert. »Pragmatische Vernunft« habe sich durchgesetzt – und dies in einem Landtag, der gemeinhin »als größte Raufbude Deutschlands« gelte, sagte Bouffier zum hörbar amüsierten Publikum.

Auch bei den Koalitionsverhandlungen im Bund – bei denen er beteiligt war – hätten CDU und SPD einen großen Kompromiss geschlossen: Mit der von der Union geforderten »Mütterrente«, die nun im abgespeckter Form komme, und der von der SPD gewünschten abschlagsfreien Rente mit 63, über deren Details noch verhandelt werde. Das eine habe es nur mit dem anderen gegeben. Die Verhandlungen scheitern zu lassen,, hätte Neuwahlen mit ungewissem Ausgang bedeutet und sei auch staatspolitisch nicht zu verantworten gewesen. Bouffier stimmte dem Einwand zu, dass der Kompromiss eine gut laufende Konjunktur voraussetze. Dies sei eine Verpflichtung für die Finanz- und Wirtschaftspolitik, meinte er.

Für sein Bundesland ging der Ministerpräsident unter anderem auf die Schulpolitik ein. Dass Eltern und Schüler jetzt die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 hätten, sei richtig. Sowohl für die acht als auch für neun Schuljahre gebe es gute Argumente. »Nur G 8 war ein Fehler. Da haben wir dazugelernt«, sagte Bouffier.

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