WM-Titel für Kombinierer und Springer Der Goldjunge mit den »Hirnfürzen«
Mit einem derart sensationell erfolgreichen Wochenende bei der Nordischen Ski- Weltmeisterschaft war nicht zu rechnen. Die deutschen Skispringer und Kombinierer haben sich ihre Top-Form für das Saison-Highlight aufgehoben.
Die deutschen Skispringer genossen auf dem Podest am Bergisel den dominanten Sieg, Eric Frenzel und Fabian Rießle fielen sich nach ihrem Gold-Coup jubelnd in die Arme. Die beiden Kombinierer und die DSV-Adler krönten das beeindruckend starke Auftakt-Wochenende des deutschen Teams bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften in Seefeld mit zwei weiteren Goldmedaillen. Einen Tag nach dem Sieg von Markus Eisenbichler und Silber von Karl Geiger von der Großschanze triumphierte das Quartett von Bundestrainer Werner Schuster, zu dem auch Richard Freitag und Stephan Leyhe gehörten, im Teamwettbewerb. Frenzel und Rießle siegten im Teamsprint der Kombinierer.
Für die Skispringer war es das erste deutsche Teamgold bei den Männern seit 18 Jahren. »Ich finde es einfach geil fürs ganze Team jetzt«, sagte Eisenbichler in der ARD. »Heute können wir es mal krachen lassen.« Er kündigte im ORF euphorisch an: »Heute wird die Lederbuxen angezogen!« Schuster kommentierte die Partypläne seines Teams lächelnd so: »Das sind keine Säufer. Die fallen nach zwei Bier eh um.«
Mit dem riesigen Vorsprung von rund 31 Metern landeten seine Flugkünstler am Sonntag vor Gastgeber Österreich. »Das war eine Flugshow vom ersten Sprung weg, ich bin dankbar, dass ich da dabei war«, sagte Schuster.
Frenzel und Rießle überzeugten ebenfalls auf der Schanze in Innsbruck. Sie gewannen nach je einem Sprung dort und 2 x 7,5 Kilometern Langlauf in Seefeld vor Norwegen (8,2 Sekunden Rückstand) und Österreich (9,2 Sekunden Rückstand). »Es ist perfekt aufgegangen, unsere Taktik. Ich bin wieder sehr bewegt und überglücklich, dass wir schon wieder eine Goldmedaille gewonnen haben«, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch. Am Freitag hatte Frenzel bereits im Einzel triumphiert.
Für den 30-Jährigen, der den Wettbewerb vor zwei Jahren noch mit dem diesmal nicht berücksichtigten Johannes Rydzek gewann, war es am Sonntag das siebte WM-Gold und die 14. Medaille bei einer WM, der Oberwiesenthaler ist damit der erfolgreichste Kombinierer der WM-Geschichte. Rießle ist zum dritten Mal Weltmeister.
Bei den Sprung-Spezialisten hatte Eisenbichler schon am Samstag von der Großschanze dominiert, ohne zuvor einen einzigen Weltcup gewonnen zu haben. Er sprang fabelhafte 135,5 Meter weit und jubelte nach dem größten Erfolg seiner Karriere völlig gelöst und mit Tränen in den Augen. Mehrmals war der Zweite der Vierschanzentournee in dieser Saison knapp am Sieg vorbeigeschrammt. Auch in seinem bisher stärksten Winter klappte bei Weitem nicht alles. Auf starke Sprünge folgten beim 27-Jährigen immer wieder Enttäuschungen und Platzierungen weit jenseits der Top Ten. Seinen absoluten Sahnetag hatte sich der emotionale Bayer für ein ganz besonderes Highlight aufgehoben. 20 Jahre nach dem WM-Doppelerfolg von Martin Schmitt und Sven Hannawald machte Eisenbichlers Zimmerkollege Geiger mit Silber den Super-Samstag der Springer perfekt.
Bei den Triumphen der DSV-Adler und Kombinierer konnten die Langlauf-Spezialisten erwartungsgemäß nicht mithalten. Ein falscher Griff in die Wachskiste sorgte am Sonntag für Ernüchterung. Im Team-Sprint mussten sich Victoria Carl/Sandra Ringwald, die im Finale mit ihren Skiern zu viel Grip hatten, mit Platz sechs begnügen. Noch schlimmer erwischte es das Männer-Duo Janosch Brugger/Sebastian Eisenlauer. Sie schieden im Halbfinale aus. Das erste Distanzrennen der Titelkämpfe, den Skiathlon über 15 bzw. 30 km in den beiden Stilarten, hatten Katharina Hennig als 16. und Florian Notz auf Rang 18 als beste DSV-Läufer beendet.
Nach dem Gold-Märchen von Innsbruck reichten Markus Eisenbichlers Kräfte nicht einmal mehr für seinen geliebten Schuhplattler. »Naaa, heute geht’s nicht mehr. Meine Oberschenkel sind blau, ich bin fix und fertig, habe ziemlich Klötze an den Beinen«, sagte der frischgebackene Skisprung-Weltmeister mit Bedauern in der Stimme: »Aber ich habe meine Lederhosen dabei, irgendwann die Woche wird es noch einen geben – auf alle Fälle!«
Die Siegerehrung auf der Seefelder Medal Plaza war knapp zwei Stunden nach dem Wettkampf seines Lebens noch einmal mächtig in die Beine gegangen: »Eisei« hüpfte auf das Podest, sprang jubelnd in die Luft und strahlte mit seinem Zimmerkollegen Karl Geiger um die Wette. Dessen Silber hatte das deutsche Schanzenglück perfekt gemacht. »Das wird mir nie mehr aus dem Herzen gehen«, sagte Eisenbichler, der am Sonntag noch einen draufsetzte und auch das Team zum Titel führte. Doppel-Gold von der Großschanze war zuletzt Martin Schmitt 2001 gelungen.
Einen deutschen WM-Doppelsieg im Einzel wie am Samstag hatte es sogar zuletzt 1999 in Ramsau durch Schmitt und Sven Hannawald gegeben, nun trat das »fliegende Doppelzimmer« Eisenbichler/Geiger in die Fußstapfen der einstigen Granden. »Das ist ein kleines Märchen«, sagte der zum Saisonende scheidende Bundestrainer Werner Schuster nach der Krönung seiner elfjährigen Amtszeit sichtlich gerührt: »Markus hat so viele Niederlagen eingesteckt in seinem Leben. Ich kenne kein Stehaufmännchen wie ihn.«
Kein Wunder also, dass auch Olympiasieger Andreas Wellinger und Richard Freitag am Abend zwischen den Fans standen, um ihren Champion zu feiern. Als dann endlich die Goldmedaille um den Hals des 27-Jährigen baumelte und die Hymne ertönte, brach noch einmal alles aus Eisenbichler heraus, der neue Weltmeister sang lauthals und mit Tränen in den Augen mit. »Die bayerische und die deutsche Hymne lernt man schon im Kindergarten. Da muss man textsicher sein«, sagte Eisenbichler und grinste.
Bis zum WM-Gold war es jedoch ein weiter Weg. Nach einem schweren Sturz im September 2012 drohte dem Urbayern sogar das Karriereende, auf den ersten Weltcupsieg wartet er bis heute, nach jedem kleinen Erfolg ging es auch wieder bergab. »Markus ist einfach ein extremer Typ. Er hat immer mal wieder eigene Ideen, man könnte es fast als Hirnfürze bezeichnen. Da muss man ihm auch helfen, damit er sich nicht verläuft«, sagte Schuster.
Für Eisenbichler begann ein wahrer Interview-Marathon, erst spät am Abend im Hotel stieß er auf dem Zimmer mit seinen Kollegen auf den Erfolg an. »Weltmeister – das klingt ganz okay. Ich bin aber trotzdem noch der Gleiche, und da bin ich stolz drauf«, sagte Eisenbichler und begab sich ins Reich der Träume, um am Sonntag noch einmal zuzuschlagen. Der erstmals bei Olympia 2018 aufgeführte Schuhplattler musste aber auch da noch warten.