Tönnies tritt ab

Schalke 04 ohne Clemens Tönnies - das erschien lange undenkbar. Am Dienstag verkündeten die Königsblauen den Rückzug des Patriarchen nach 26 Jahren. Es ist wohl die Folge massiver Kritik.
Clemens Tönnies blickt mit blau-weißem Schal um den Hals entschlossen in die Kamera, im Hintergrund sitzen Zuschauer in der Arena. Das Foto, das der schwer angeschlagene FC Schalke 04 am Dienstag zum unfreiwilligen Abschied des mächtigen Aufsichtsratschefs veröffentlichte, kam aus besseren Zeiten - und ging meilenweit an der Realität vorbei. Tönnies’ Rücktritt folgte auf massive Proteste der eigenen Fans und den Corona-Skandal in seinem Fleisch-Unternehmen. Die Nachricht platzte zudem mitten in die Diskussion über eine vermeintliche Landesbürgschaft für den finanziell am Boden liegenden Revierclub.
»Wir haben den FC Schalke 04 mit Herzblut und hohem persönlichen Engagement erfolgreich durch viele Krisen geführt«, schrieb Tönnies in einem Rücktrittsschreiben,, »aus denen wir immer gestärkt hervorgegangen sind.« Das erneut zu schaffen, wird zur Herkules-Aufgabe - für die Schalker, die am Dienstag den bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden Jens Buchta zum neuen Aufsichtsratschef wählten - und für Tönnies persönlich. Er war seit 1994 Mitglied im Kontrollgremium des Clubs und stand diesem seit 2001 vor. Bei den Schalker Anhängern war Tönnies allerdings auch schon vor dem Skandal in seinem Fleischwerk in Rheda-Wiedenbrück wegen seiner als rassistisch ausgelegten Äußerungen über Afrika im vergangenen Jahr höchst umstritten.
Erst am Samstag hatten parallel zum letzten Saisonspiel beim SC Freiburg (0:4) rund 1000 Fans auf dem Vereinsgelände gegen den mächtigen Schalke-Boss demonstriert. Am Eingang der alten Schalker Glückaufkampfbahn prangte zuletzt ein Banner mit der Aufschrift: »Keine Ausbeuter bei S04 - Tönnies raus!« Und an einer Brücke und am Bauzaun des alten Parkstadions gab es Plakate mit gleichlautenden Rücktrittsforderungen. Und: »Keine Rassisten auf Schalke!«
Seine Aussagen über Afrika hatte Tönnies immer wieder versucht zu erklären. In seinem Rücktrittsschreiben beteuerte er: »Wer mich kennt, weiß, dass mir diese Entscheidung ›als Schalker durch und durch‹ nach so vielen Jahren sehr schwergefallen ist.« Ein Konzept zur »zukunftsorientierten Neuaufstellung« des Vereins sei zudem »ausgearbeitet und geschrieben«.
Die gerade abgelaufene Saison hatte die Mannschaft von Trainer David Wagner nach 16 sieglosen Spielen zum Abschluss auf Platz zwölf beendet. Schon vor der Corona-Krise waren die Verbindlichkeiten auf fast 200 Millionen Euro angewachsen. Allein durch die Corona-Krise soll sich ein Minus in Höhe von 26,1 Millionen Euro angehäuft haben. Als erster Verein will Schalke deshalb bei Spielergehältern selbst eine Grenze bei 2,5 Millionen Euro jährlich setzen. Um den Fortbestand zu sichern, soll der Club nun auch eine Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zur Absicherung von Bankkrediten in Höhe von bis zu 40 Millionen Euro beantragt haben. Bestätigen wollten dies weder NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) noch der Club selbst.
Eine in der Vergangenheit gerne genommen Sicherheit fällt wohl für lange Zeit weg: Tönnies um ein Darlehen zu bitten. Auch wenn dieser schrieb: »Selbstverständlich werde ich dem FC Schalke 04 - ein Leben lang - verbunden bleiben.«