Der mächtigste Mann im DFB?
In den sozialen Medien, die eine Veranstaltung wie die auf mehreren TV-Kanälen übertragene Bilanz-Pressekonferenz des Deutschen Fußball-Bundes begleiten, ist Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff mal wieder nicht gut weggekommen. Dafür genügten einige Sätze wie: »Wir werden den Begriff ›Die Mannschaft‹ analysieren, erforschen, mit den Stakeholdern sprechen und dann eine Entscheidung treffen.« Oder: »Berichte über mangelnde Fannähe und Entfremdung haben mich getroffen. Im Trainingslager in Südtirol sind wir mit den Fahrrädern zum Training gefahren, das wäre früher nicht denkbar gewesen.«
In den sozialen Medien, die eine Veranstaltung wie die auf mehreren TV-Kanälen übertragene Bilanz-Pressekonferenz des Deutschen Fußball-Bundes begleiten, ist Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff mal wieder nicht gut weggekommen. Dafür genügten einige Sätze wie: »Wir werden den Begriff ›Die Mannschaft‹ analysieren, erforschen, mit den Stakeholdern sprechen und dann eine Entscheidung treffen.« Oder: »Berichte über mangelnde Fannähe und Entfremdung haben mich getroffen. Im Trainingslager in Südtirol sind wir mit den Fahrrädern zum Training gefahren, das wäre früher nicht denkbar gewesen.«
Fußball-Deutschland wunderte sich mal wieder: Was ist das Besondere daran, dass junge Leistungssportler in guter Südtiroler Luft sich mal für zwei, drei Kilometer aufs (geschenkte) Mountainbike setzen statt in den Teambus oder einen Van mit getönten Scheiben, als wären sie Staatsgäste, die zum Empfang vorgefahren werden müssten? Und was sind eigentlich Stakeholder?
Man muss zu Oliver Bierhoffs Verteidigung sagen: Den Begriff »Stakeholder« hat nicht er in den Fußball eingeführt, sondern Gianni Infantino, der 2016 zum FIFA-Präsidenten gewählt wurde. Laut Wikipedia ist Stakeholder »eine Person oder Gruppe, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projektes hat. In der Betriebswirtschaft wird Stakeholder als Anspruchsgruppe übersetzt.« Man hätte statt Stakeholder also auch Fußballfamilie sagen können – als Sammelbegriff für Leute, die Fußball anbieten, und die, die sich als Fans dafür interessieren.
Auch »Liebhaber« wäre ein besseres Wort gewesen als Stakeholder. Und tatsächlich sagt Bierhoff in einem späteren Statement der Pressekonferenz auch, dass er plant, »ab 2019 einen Beirat für meine Direktion ins Leben zu rufen, wo ich Liebhaber des Fußballs und Experten mit ins Boot hole, um eine externe Sichtweise zu haben«.
Dafür, wie die Nationalmannschaft in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist Bierhoff zuständig. »Meine Verantwortung ist es, für ein erfolgreiches und sympathisches Auftreten der Nationalmannschaft zu sorgen.« Er wolle aber einiges klarstellen, wenn übers große Thema Kommerzialisierung (»Das beschäftigt den Weltfußball«) gesprochen werde: »Die Abschlüsse von Sponsoring- und Fernsehverträgen sind nicht meine Verantwortung.«
Seit einer Neustrukturierung im Verband im Januar 2018 begleitet Bierhoff den Posten des Direktors Nationalmannschaften und Akademie. Bierhoff übersetzt es auf Vereinsverhältnisse: »Wie ein Sportvorstand, der für alles verantwortlich ist.« Seine Aufgaben definiert er so: »Strategien entwickeln, Themen anstoßen, die Richtung vorgeben.«
Dafür stellt er ein Team zusammen. Mit dem jungen Professor Tobias Haupt (34) vom Institut für Fußballmanagement holt er sich zum 1. Oktober einen Leiter für die gerade entstehende DFB-Akademie. Haupt soll »das Wissen, das wir im DFB haben, intelligent in die Ausbildungs- und Innovationsprojekte einbringen«. Bierhoff glaubt – anders als die Kritiker – dass der Verband sehr wohl über hohe sportliche Kompetenz verfüge: »Wir haben 50 Trainer im DFB, 22 sind festangestellt. Genug Experten, die sagen können, ob der Ball links oder rechts gespielt werden muss.«
Als Oliver Bierhoff vor 14 Jahren im DFB begann, rechnete man damit, dass der smarte Ex-Fußballer sich bald in die Wirtschaft oder ins Management eines ambitionierten Clubs verändern werde. Mittlerweile ist er 50 und mit dem Verband verschmolzen. Er gehört zum Präsidium, und der ehemalige DFB-Pressesprecher Harald Stenger, dessen Urteil die Öffentlichkeit sehr schätzt, meinte kürzlich in der Sport1-Talkshow »Doppelpass«: »Oliver Bierhoff ist es relativ egal, wer unter ihm DFB-Präsident ist.«
Reinhard Grindel, den obersten Mann im DFB, hat Bierhoff während der WM schön auf Distanz gehalten, die jetzt erfolgte Reklamation von oben (schlechter Informationsfluss) lässt er an sich abprallen: »Der Austausch war gut.« In ein paar Punkten wird er sich fügen: Ab und zu ein öffentliches Training ansetzen, die Spieler zu mehr Nahbarkeit anhalten (»Ganz banal: Am Bus oder Hotel unterschreiben«), als DFB den Spielern wieder näher sein, wenn die in ihren Clubs sind (»Besuche in den Heimatorten, WhatsApp schreiben, die Kommunikation intensivieren«). Aber grundsätzlich gelte: »Es wäre verkehrt, alles über den Haufen zu werfen. Wir blicken auch auf 14 Jahre erfolgreiche Arbeit zurück.«
Wenn das Nationalteam mit drei Zugängen am Montagmittag in München zusammentrifft, wird Bierhoff wohl mal wieder zu ihm sprechen. Seit 2006 gebe es ja einen Verhaltenskodex, »wir haben ihn nicht an die Wand genagelt, die Mannschaft hat ihn gelebt. Wir haben das aber schleifen lassen und werden wieder eine klare Richtung vorgeben.« Bierhoff spricht von »Leitplanken, in denen die Gruppe sich bewegt«. Leitplanken war ein Lieblingswort des Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg. Günter Klein