Nicaragua statt Bundesliga? So kämpft sich ein Wetterauer Berufswetter durch die Corona-Krise

Sportwetten boomen. Durch die Coronavirus-Pandemie ist aber auch den Berufswettern von heute auf morgen die Arbeit weggebrochen. Ein Profi erklärt, wie sich sein Berufsfeld durch die Krise kämpft.
9,2 Milliarden Euro sind in Deutschland im vergangenen Jahr nach offiziellen Angaben auf Sportwetten gesetzt worden. Es ist eine unfassbare Zahl in einer ebenso schwer greifbaren Branche. Für manche Sportwetter ist ein Wettschein ein nettes Mittel, um einer TV-Übertragung Spannung hinzuzufügen. Für manche ist es eine Sucht, für andere ein Beruf. Ein Beruf, der in Zeiten der Coronavirus-Krise schwer auszuüben ist. Dirk Raczkowski hat das in den vergangenen Wochen zu spüren bekommen. Der Niddataler betreibt den Wettservice »sports betting no. 7«, in der er auf professioneller Basis Empfehlungen für Wettscheine gibt.
Wettmarkt außerst geschrumpft
Nur ist der Wettmarkt nach den flächendeckenden Sportpausen aufs Äußerste zusammengeschrumpft. Wo sonst Millionen von Quoten bei unzähligen Wettanbietern zur Verfügung stehen, herrscht jetzt gähnende Leere. Dass im vergangenen Jahr ein russischer Anbieter sogar Stadtpokalspiele der Wetterauer Amateurfußballer im Angebot hatte und es möglich machte, in Sibirien, Macau oder auf der Weihnachtsinsel, auf FSV Dorheim gegen Blau-Gelb Friedberg zu wetten, sagt alles über die Tiefe des Wettmarktes.
Doch derzeit sind fast nur exotische Ligen oder E-Sports-Events im Programm. Claus Retschitzegger, Pressesprecher vom Wettanbieter bet-at-home, nannte im Interview mit der ARD-Sportschau einen Einnahmeausfall von 86 Prozent im Fußball und 100 Prozent im Tennis - beide Sportarten sind sonst die Umsatzbringer. Das sei nun Tischtennis. Auch E-Sports würde verstärkt angenommen werden.
Für Raczkowski, dessen Spezialgebiete Fußball, Tennis, Eishockey, Basketball, American Football und Baseball sind, ist ein Ausweichen darauf aber keine Option. »Das ist für mich eine komplett andere Welt, ich kenne mich da schlichtweg nicht aus«, sagt der 32-Jährige, und auch die noch spielenden Fußballligen zu analysieren und Empfehlungen auszusprechen, ist nicht in seinem Sinne. »Mich jetzt plötzlich als Fußball-Experte in Ländern wie Weißrussland oder Nicaragua auszugeben, fände ich unseriös und nicht authentisch. Also gebe ich da lieber keine Empfehlungen heraus, nur um auf Teufel komm raus irgendwelche Inhalte zu teilen«, sagt Raczkowski.

Seine Gruppenmitglieder, die ihm pro Monat eine Gebühr für seine normalerweise bis zu 150 Empfehlungen und Tipps zum Umgang mit dem Wettkapital zahlen, hat Raczkowski seit März insgesamt nur noch mit zehn Empfehlungen bedienen können. Entsprechend beklagt er als Freiberufler deutliche Einnahmeausfälle. Zwar habe er noch keine Existenzängste, immerhin generiere er über die Vermittlung an Sportwettenabieter noch ein paar Einnahmen, aber auf Unterstützung vom Staat könne er nicht bauen: »Es gibt keine Kompensation für Einnahmeausfälle und die Soforthilfen vom Staat kommen nicht infrage. Diese sind nur zum Ausgleich bestimmter Betriebsausgaben gedacht, die zudem vorher noch mit vorhandenen Rest-Einnahmen verrechnet werden. Die meisten Solo-Selbstständigen haben aber keine oder nur geringe Betriebsausgaben«, sagt Raczkowski. Die Pause nutze er immerhin, um »den Akku mal wieder aufzuladen«.
NFL-Draft erstes Event seit März
Umso mehr freute sich Raczkowski auf das vergangenen Wochenende. Beim Draft der US-amerikanischen Football-Liga NFL war er wieder in seinem Element. Die alljährliche Talentziehung, die das Gleichgewicht in den großen Profiligen der Vereinigten Staaten wahren soll, ist jedes Jahr aufs Neue ein riesiges Ereignis. Analysten und Experten überschlagen sich schon weit im Vorfeld mit ihren Prognosen. »Das war das erste normale Wett-Event seit Mitte März«, sagt Raczkowski. »Da konnte ich mich endlich mal wieder richtig ausleben, das hat nach der langen Pause besonders gut getan.«