»Wenn das vor einem Playoff-Spiel passiert«
(mw) Im ersten Drittel hatte der EC Bad Nauheim noch gut mitgehalten, schon im zweiten Abschnitt fehlte trotz zahlreicher Überzahlsituationen die letzte Konsequenz, und in den letzten 20 Minuten war es ein fast schon lebloser Auftritt des heimischen Eishockey-Oberligisten bei den Kassel Huskies. Mit 1:5 verloren die Roten Teufel das sechste Spiel der Zwischenrunde.
Es war die höchste Niederlage des Teams von Frank Carnevale in dieser Saison. Doch bei den Verantwortlichen bricht vor dem richtungsweisenden Wochenende mit dem Heimspiel am Sonntag gegen Frankfurt keine Panik aus, gab es doch einige plausible Gründe für die Pleite.
Carnevale hatte in der vergangenen Woche mit einem reduzierten Kader arbeiten müssen, obwohl er auf dem Papier nun endlich die von ihm schon im früheren Saisonverlauf geforderten vier Blöcke beisammen hat. »Wir hatten eine sehr schlechte Trainingswoche. Fünf Leute wie beispielsweise Daniel Oppolzer, Harry Lange und Thomas Ower haben gar nicht oder nur selten trainiert«, erklärt Carnevale. Am Freitag gegen Essen standen zwar nominell alle Mann zur Verfügung, am Sonntag mussten jedoch Janne Kujala und Jan-Niklas Pietsch passen. Zudem signalisierte Thomas Ower etwa zur Halbzeit, dass er nicht weitermachen könne. EC-Alleingesellschafter Wolfgang Kurz sagte am späten Sonntagabend am Mannschaftsbus in Kassel: »Die Grippewelle geht um. Heute hat es uns voll erwischt. Das 3:1 für Kassel war die Entscheidung.
« Die Vielzahl der Krankheiten bereitet Carnevale Sorgen, sollte dies im weiteren Saisonverlauf nochmals vorkommen. »Wenn dies vor einem Playoff-Spiel passiert, sind wir verloren.«
So fehlte Bad Nauheim bei den bärenstarken Nordhessen die Kraft, entscheidende Akzente zu setzen. Obwohl Bad Nauheim in Führung ging, änderte sich die Grundstimmung bei Carnevale nicht. »Ich habe schon auf der Hinfahrt im Bus gesehen, dass es sehr schwer wird, in Kassel zu punkten.« Mit zunehmender Spieldauer bauten die Gäste ab, spielten im Powerplay viel zu fahrig und ideenlos, gewannen kaum Bullys. Körperlich und mental fehlte zudem die Energie und der Wille, nach dem Rückstand das Ruder herumzureißen. So hatte Kassel keine Mühe, sogar noch einen Kantersieg herbeizuführen. Die Huskies boten über 60 Minuten eine sehr konzentrierte Leistung, verteidigten auch in Unterzahl geschickt und zeigten mannschaftliche sowie individuelle Klasse. Letztere dabei beispielsweise durch Sven Valenti. Der Top-Verteidiger der Liga schoss zwei Tore und ist damit zweitbester Scorer der Liga insgesamt. Aus dem Konzept brachte das Team auch nicht dessen zwischenzeitliche Zehn-Minuten-Strafe, Christs Kopfverletzung (musste mit fünf Stichen genäht werden) oder Snetsingers Knie.
Der brandgefährliche Stürmer hatte einen Schlag abbekommen und sollte auf ärztliches Anraten nicht weiterspielen, er tat es aber dennoch. Kassels Trainer Uli Egen war nach den 60 Minuten demnach hochzufrieden: »Man hat gesehen, dass wir bei Fünf-gegen-Fünf sehr stark sind. Und endlich haben wir gegen Bad Nauheim mal mehr als zwei Tore geschossen.«
Carnevale wollte sämtliche genannten Argumente pro Kassel zwar nicht als Ausrede gelten lassen, es war aber zumindest eine Erklärung. »Ihr habt uns richtig in den Hintern getreten«, ist sich der Teufel-Trainer bewusst ob der Signalwirkung einer Niederlage im Hessenderby. Vor der Partie hatte er noch gesagt: »Wir müssen einen Weg finden, Kassel und Frankfurt zu schlagen, sonst haben wir unseren Job nicht erfüllt.« Diesen Weg am Sonntag gegen Frankfurt zu finden, daran werde diese Woche gearbeitet. »Die neuen Leute müssen ihre Position erst noch finden, zudem müssen einige Jungs erstmal wieder gesund werden. Wir werden am Sonntag eine ganz andere Mannschaft sehen«, hofft Carnevale. Für die Bad Nauheimer wird es das erste Heimderby nach vier Auswärtsfahrten sein.
Für Erheiterung sorgte in Kassel die Pressekonferenz nach der Partie im VIP-Raum. Als die Journalisten keine Fragen mehr hatten, griff Frank Carnevale zum Mikrofon und schaute in Richtung Uli Egen. »Warum schreien Eure Spieler ständig auf, wenn sie zwei Minuten kriegen? Ist das eine bayerische Taktik? Wenn ja, wende ich sie demnächst auch an.« Pressesprecher Alexander Wessel betätigte zunächst die Glocke: »Runde eins.« Egen beantwortete die Frage nur indirekt und nutzte die Gelegenheit zur Schelte an den phasenweise zu kleinlich pfeifenden Schiedsrichtern. »Was diese Kasperleköpfe gepfiffen haben...« – das Statement ging zunächst im Jubel der Kasseler Fans unter, ehe Egen anfügte. »Sie waren sehr arrogant. Irgendwann platzt mir eben der Kragen.« Carnevale beharrte auf seiner Meinung, gab dann selbstständig per Glocke das Signal zur nächsten Runde, während Egen seinen Standpunkt verteidigte. Wessel meinte zum Abschluss: »Das war eine der unterhaltsamsten Pressekonferenzen seit Hans Zach« – der Ex-Nationaltrainer war immerhin schon ein paar Jahre nicht mehr am Kasseler Mikrofon.
Vor dem nächsten Hessenderby am Sonntag gegen Frankfurt im Colonel-Knight-Stadion (18.30 Uhr) sind die Teufel am Freitag beim Tabellenletzten in Hamm zu Gast (20 Uhr).