Wetteraukreis: Schwimmunterricht leidet unter Bädersterben und Corona-Pandemie

Die Probleme im Schulsystem kommen in Corona-Zeiten ungefiltert hoch - auch beim Schwimmen. Oft entfällt der Unterricht ganz. In Vereinen und Schwimmbädern sind die Wartelisten voll.
Wetteraukreis - Jahr für Jahr gibt es diese Meldungen, meistens verbunden mit der schrecklichen Nachricht von einem Unglück. Laut einer Studie der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) von 2019 können immer weniger Kinder sicher schwimmen. Nur noch 40 Prozent aller Kinder erreichen derzeit bis zum Abschluss der vierten Klasse das Deutsche Jugendschwimmabzeichen in Bronze. Ende der 1980er-Jahre waren es noch mehr als 90 Prozent.
DLRG-Studie belegt, dass immer weniger Kinder sicher schwimmen können
Die Gründe sind vielfältig, und fügt man sie zusammen, zeigt sich als Bild ein Teufelskreislauf, der kaum zu durchbrechen scheint.
Die Grundschulen kommen kaum noch nach. Wer das Glück hat, Zeiten für Schulklassen in einem nahgelegenen Schwimmbad bekommen zu haben, steht direkt vor dem nächsten Problem. »Viele Lehrer sehen erhebliche Risiken, wenn sie teilweise alleine verantwortlich für 25 Schüler mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen sind, wobei nahezu ein Drittel nicht schwimmen kann. Alldem gerecht zu werden ist sehr schwer«, sagt Holger Schwarzer. Er ist beim DLRG-Bezirksverband Gießen-Wetterau-Vogelsberg für die Schwimm-Ausbildung verantwortlich, als Förderschullehrer kennt er auch die Problematik in den Schulen.
Wetteraukreis: Nach Schließungen können Bäder der Nachfrage nicht mehr gerecht werden
Im Usa-Wellenbad in Bad Nauheim habe man nach den Sommerferien zusätzliche Zeiten für Schulen geschaffen, »wir haben eigentlich jeden Tag unter der Woche von 8 bis 13 Uhr Schulen zu Gast«, sagt Sascha Rieck, Betriebsleiter des Wellenbads. Bis auf wenige Ausnahmen seien alle Schulen im nahen Umkreis vertreten, sagt Rieck. »Doch erst recht nach den Hallenbad-Schließungen in Bad Vilbel und Nidda können wir der Nachfrage der Schulen nicht mehr nachkommen«, sagt Rieck.
Und so bleibt Eltern oft nichts anderes übrig, als die Kinder privat für Kurse anzumelden, wenn sie wollen, dass ihre Kinder schwimmen lernen. »Im Durchschnitt haben wir pro Ortsgruppe im Bezirk bis zu 150 Seepferdchen-Schwimmer, zum Teil in Kooperation mit den Schwimmbädern«, sagt Schwarzer. Damit würde man der Nachfrage aber lange nicht gerecht werden. »Die Wartezeit kann bei den DLRG-Ortsgruppen in unserem Verband bei einem Dreivierteljahr liegen«, sagt Schwarzer. Da aufgrund der Pandemie seit März auf Grundlage eines Verbandsbeschlusses der DLRG keine Kurse mehr angeboten werden dürfen, werden die Wartelisten weiter überquellen. Zumal maximal 15 Kinder pro Kurs Schwimmunterricht bekommen, »dafür mit zwei bis drei Begleitpersonen, sonst ist kein vernünftiger Unterricht möglich«, sagt Schwarzer. Auch bei Rieck in Bad Nauheim gibt es eine Warteliste für Seepferdchen-Kurse, aber auch hier findet bis auf Weiteres pandemiebedingt nichts statt.
Land Hessen hat Schwimmbad-Investitionsprogramm entwickelt
Zwei weitere Punkte erschweren das Angebot. »Wir haben sieben, acht Vereine, die auch alle Wasserflächen benötigen, und das eigentlich auch viel mehr als es momentan der Fall ist«, sagt Rieck. Das gilt beispielsweise auch für die DLRG-Ortsgruppen. Die Schwimmbäder und damit verfügbare Zeiten und Flächen werden in Hessen in der Summe aber eher weniger als mehr. Nicht ohne Grund hat das Land Hessen ein 50 Millionen schweres »Schwimmbad-Investitions- und Modernisierungsprogramm«, kurz »Swim«, auf den Weg gebracht.
Dazu kommt: »Viele Ausbilder sind entweder Studenten oder berufstätig, also mehrheitlich nicht vor 17 Uhr verfügbar. Einen Seepferdchen-Kurs kann ich aber nicht erst um 20 Uhr anbieten«, sagt Schwarzer. Auch Schwimmbäder würden sich gut überlegen, zu welcher Zeit sie Kurse anbieten, um andere Kundschaft zu diesen Zeiten nicht zu vergraulen. Auch Rieck weiß, wie schwer es ist, ausgebildetes Personal für seine Kurse zu finden. »Der Markt ist da abgegrast. Und es muss sich auch in puncto Fahrtkosten und Aufwand rechnen, wenn beispielsweise ein Lehrer aus Nidda anreist.«