»Im Waldstadion bewegt sich etwas«
(mn) Franz Beckenbauer war hier. Einst als A-Jugendlicher, später auch als Trainer mit dem FC Bayern München. Während der WM 2006 hatte Saudi-Arabien sein Quartier in Bad Nauheim, trainierte im Waldstadion. Die Sportanlage gehört zu den schönsten im Kreis. Die Fußballer der Spvgg. 08 kicken in der B-Liga.
Die Kreisoberliga muss das Ziel sein«, sagt Thorsten Ratz. Der 47-Jährige fegte einst als Sechser durch das Mittelfeld des SV 06 Bad Nauheim, fungierte später als Spielertrainer und trifft seit Sommer vergangenen Jahres im sportlichen Bereich die Entscheidungen. »Bad Nauheim und diese Sportanlage gehören mindestens in die Kreisoberliga. Da wollen wir in vier, fünf Jahren hin.« Vor der Rückrunden-Fortsetzung belegen die Nullachter Platz zwei in der B-Liga Nord; einen Zähler hinter dem SV Hoch-Weisel und fünf Punkte vor dem SKV Beienheim II, wobei die Kurstädter jeweils ein Spiel mehr ausgetragen haben.
Rückblende: Trainingsauftakt 2014. Wolfgang Weimer will der Spielvereinigung helfen. Die Mannschaft hat sich nach dem Abstieg in die B-Liga förmlich aufgelöst. Die talentierten A-Jugendlichen, einst der Stolz des Klubs und das Fundament des Re-Starts, wollen nicht in der seinerzeit untersten Liga spielen und verlassen Bad Nauheim. Gerade einmal drei Spieler joggen zur Saisonvorbereitung durch den Wald. Die Reserve ist längst abgemeldet. Später wird die A-Junioren-Mannschaft zurückgezogen. Altherrenspieler helfen in den ersten Wochen aus. Fußball in der Kernstadt ist am Tiefpunkt. Immerhin: Das Minimalziel wird erreicht, der Sturz in die C-Klasse vermieden.
Die Zusammenarbeit mit Bojan Blagojevic, der in Bad Nauheim bei der SG Ostend das Fußballspielen gelernt hatte, beginnt im Sommer 2015. Den 31-Jährigen wollten Ratz und der Vorsitzende Oliver Michel eigentlich als Stabilisator, als ruhenden Pol, zurückholen, doch der Anlagenmechaniker sieht im Waldstadion den perfekten Einstieg in eine Doppelfunktion. »Für einen reinen Trainerjob bin ich noch zu jung«, sagt Blagojevic. Er spielte einst bei Kickers Offenbach in der Jugend, schaffte beim KSV Klein-Karben den Sprung in die erste Mannschaft (damals Oberliga) und war später für DJK Bad Homburg, den VfR Ilbenstadt, den SV Steinfurth und zuletzt für den Türkischen SV Bad Nauheim am Ball - nach Bedarf auf allen defensiven Positionen. »Die Spielklasse und der Klub sind ein idealer Einstieg«, sagt er. Die erste Herausforderung: Spielerakquise. »Wir brauchten erstmal Masse. Ich habe jeden angesprochen, den ich kannte.« Und das fruchtet: Durchschnittlich 28 Spieler kommen zu den Trainingseinheiten in der Vorbereitung. Ein Multi-Kulti-Mix. Kolumbianer, Türken, Serben, Kroaten und Deutsche tragen die Vereinsfarben der Spielvereinigung 08. In vier Sprachen kann sich Blagojevic verständigen.
Nach einjähriger Pause wird auch wieder eine zweite Mannschaft gemeldet. Die reaktivierte älteste Nachwuchsmannschaft belegt derzeit unter zwölf Kreisliga-Mannschaften Rang vier. In der zweiten Saisonhälfte wollen Blagojevic/Ratz dann bei den A-Junioren genauer hinschauen. »Die Integration eigener Spieler soll wieder einen höheren Stellenwert bekommen«, sagt das Spielausschussmitglied.
Dass der Seniorenkader von der sportlichen Qualität her vorne mitspielen könne, habe sich schon frühzeitig angedeutet, sagt Blagojevic. Dafür muss der serbische Spielertrainer in anderen Bereichen von vorne anfangen. Stichworte: Teamgeist, Kameradschaft. In Bad Nauheim hatten die meisten Spieler ihre Tasche nach dem Training schnell gepackt, waren Einzelgänger. Heute sitzt man zusammen. Kleinigkeiten, die anderenorts selbstverständlich sind, werden im Waldstadion mühsam erarbeitet. »Es muss auch wieder Spaß machen, in Bad Nauheim zu spielen«, sagt Ratz, der in den Gesprächen im Sommer registrieren musste, das »die Nullachter bei vielen keinen guten Ruf« haben. Inzwischen ist Blagojevic überzeugt: »Im Waldstadion bewegt sich etwas.«
Disziplin und Zusammenhalt nennt er als die wichtigsten Faktoren mit Blick auf die zweite Saisonhälfte, Stinkstiefel gelte es auszusortieren. »Hier kann nicht jeder machen, was er will. Wer sich über das Team stellt, zeigt keinen Respekt vor den Mitspielern. Das muss sich ändern. Und vielleicht gelingt es, eine Serie zu starten.« Zehnmal in Folge waren die Nullachter in der Vorrunde ungeschlagen geblieben.
Der Spielertrainer selbst hält die Defensive zusammen, für die Offensive konnten die Nullachter mit Marcel Müller ein Eigengewächs aus Steinfurth zurückholen. In der Mittelfeldzentrale führt Fran David Jimenez (20 Tore) die Regie, auf dem Flügel sorgt Ember Hausner für viel Dampf und Power. Allerdings: Zur Winterpause haben auch Leistungsträger den Klub verlassen. Asmir Emrovic und Ozgun Ötal haben sich dem VfR Butzbach, einem unmittelbaren Mitkonkurrenten, angeschlossen, Edin Hot und Fabian Kucki stehen aufgrund von Auslandsaufenthalten nicht zur Verfügung, Sabri Dali hat sich ebenfalls abgemeldet. Und wenn es nicht klappt mit dem Aufstieg? »Das wäre enttäuschend. Aber das wird uns von unserem Weg nicht abbringen«, sagt Ratz.