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Schneller, kraftvoller und Gegner auf gleichem Niveau

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Der Ex-Trainer und sechs letztjährige Spieler des EC Bad Nauheim sprechen über ihre Eindrücke und Erwartungen nach den Wechseln in die 2. Bundesliga und das Ausland.

Schwenningen, Landshut und Bietigheim, statt Neuwied, Ratingen und Herford, ein 2:0 statt einem 20:0: »Ich habe die Herausforderung gesucht - Woche für Woche. Hier wird man in jedem Spiel gefordert, hat jede Partie das Tempo und die Dynamik eines Derbys. Das ist ein sportlicher Wettkampf, keine Zeitverschwendung«, sagt Lanny Gare. Nach vier Jahren, nach fast 200 Spielen mit weit mehr als 300 Punkten für die Roten Teufel und dem abermals verpassten Aufstieg hat der 34-Jährige Bad Nauheim verlassen und einen Vertrag bei den Lausitzer Füchsen unterschrieben. Mit Torwart Markus Keller (SC Riessersee), den Verteidigern Marc Kohl (REV Bremerhaven) und Andre Mangold (Schwenninger Wild Wings) und Stürmer Kevin Lavallee (Lausitzer Füchse) wählten zudem vier weitere prägende Spieler und Leistungsträger der vergangenen Wetterauer Oberliga-Jahre den Umweg eines Vereinswechsels, um ihre Laufbahn in der 2. Eishockey-Bundesliga fortsetzen zu können. Mit ihnen ging auch Fred Carroll. Er hatte von November 2007 an als sportlich Verantwortlicher aus dem damaligen Aufsteiger einen Titelkandidaten geformt und nun beim EV Bozen in der zweiten italienischen Liga eine neue Herausforderung gefunden.

Dylan Stanley, seinen letztjährigen Kontingentspieler, hat der Trainer gleich mit über die Alpen genommen. Zu Länderspielpause hat die WZ-Sportredaktion mit den Ex-Teufeln gesprochen, wollte wissen, ob sie sportlich in der neuen Umgebung angekommen sind, wo Unterschiede zu erkennen sind und ob sich deren Erwartungen erfüllt haben.

Markus Keller

Markus Keller spricht von einer »guten Entscheidung«, wenngleich der SC Riessersee aktuell die Playoff-Qualifikation aus den Augen zu verlieren droht. »Alles ist schneller und genauer. Jeder Fehler wird sofort bestraft. Man muss immer hundertprozentig bei der Sache sein«, sagt der Torhüter, dem mit 23 Jahren die Nummer-Eins-Position in Garmisch-Partenkirchen anvertraut worden war. In Bremerhaven, gleich am zweiten Spieltag, hatte Keller einen schlechten Tag erwischt, »ansonsten waren meine Leistungen in Ordnung. Das wurde mir auch immer wieder bestätigt« Dennoch: Der SC Riessersee hatte mit Rick DiPietro einen millionenschweren Torwart aus der NHL ins Werdenfelser Land gelockt. »Natürlich war ich im ersten Moment enttäuscht«, sagt Keller, der aber vom Formtief und Verletzungen des Kanadiers profitierte und schnell wieder zwischen den Pfosten stand - leistungsstärker als zuvor.

»Ich versuche, von DiPietro so viel wie möglich abzuschauen, aber er spielt einen anderen Stil als ich«. In Garmisch sei es recht beschaulich, »ruhiger als in Bad Nauheim«. Die freie Zeit nutzt Keller, der speziell zu seinem Torwart-Kollegen Korbinian Sertl ein enges Verhältnis pflegt, schon mal zum Bummel ins österreichische Innsbruck oder eine rund eineinhalbstündige Fahrt ins heimische Augsburg. Wenn’s schneit, will er sich dann auch einmal auf die Piste wagen, »auch wenn ich kein großer Skifahrer bin.«

Marc Kohl

Marc Kohl fühlt sich in Bremerhaven pudelwohl. »Rundum«, sagt der 21-jährige Verteidiger des Tabellenzweiten. Von Trainer Mike Stewart erhalte er das Vertrauen (auch in Unterzahl), die Mannschaft spiele erfolgreich, die Stimmung sei top, er zähle zu den Top-Six-Verteidigern. »Ich fühle mich angekommen«, sagt Kohl, der die Weite und Idylle der Landschaft in der Nordseeregion zu schätzen weiß. »Mit dem Wechsel habe ich auf jeden Fall die richtige Entscheidung getroffen. Ich bin jung, will mich weiterentwickeln und so hoch wie möglich spielen.

« Und selbst an die strapaziösen Busfahren könne man sich im Laufe der Zeit gewöhnen. Zweimal im Monat reist seine Lebensgefährtin aus seiner Heimat Mannheim an, auch die Eltern waren schon zu Besuch. »Das hat mir die Phase der Eingewöhnung leichter gemacht.« Gleich ein halbes Dutzend seiner Mitspieler wohnt quasi »ums Eck«, da ist schnell Anschluss hergestellt. Schneller und intensiver sei das Zweitliga-Spiel. »Das muss man sich erst einstellen, aber das klappt inzwischen gut«, sagt Kohl, der mit seinem ersten Zweitliga-Jahr sehr zufrieden ist. »Bislang läuft’s für mich hervorragend. Ich will weiterhin viel spielen und Erfahrungen sammeln.« Der Kontakt nach Bad Nauheim hat Kohl nicht abreißen lassen. Mit Pierre Wex telefoniert er öfter mal, auch mit Eddy Rinke, mit dem er einst zusammen bei den Jungadler Mannheim gespielt hat.

Kevin Lavallee

Kevin Lavallee spricht von »brutal guten und engen Partien«, von »besseren Torhütern« und »cleveren Spielern« in der zweiten Liga. Mit den Lausitzer Füchsen belegt der gebürtige Kanadier, der vor wenigen Wochen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, aktuell Tabellenplatz elf. In der 20000-Einwohner-Stadt unweit der Landesgrenze zu Polen habe er »sehr viel Spa? innerhalb der Mannschaft, das Umfeld sei »sehr professionell« aufgestellt, die Freizeit verbringe er - mangels echter Alternativen - zumeist »beim Billardspielen oder im Kraftraum.« Jana, seine Ehefrau, ist in Bad Nauheim geblieben. Rund sechs Autostunden trennen die beiden. »Natürlich ist das nicht einfach«, sagt Lavallee, der in dieser Woche in seine »Heimat«, wie er die Wetterau längst bezeichnet, gefahren war. »Aber ich will so hoch wie möglich spielen«, erklärt der 27-Jährige seinen Wechsel in die Zweitklassigkeit, wo der nach einem gescheiterten Anlauf in der Saison 2010/11, damals bei den Wölfen Freiburg, nun Fuß zu fassen scheint. Mit drei Toren und sechs Vorlagen ist Lavallee derzeit viertbester Scorer der Füchse, die sich intern die Playoff-Teilnahme zum Ziel gesetzt haben.

»Ich will Konstanz in mein Spiel bringen und der Mannschaft helfen«, schildert er seine persönlichen Ziele, hält über seinen ehemaligen Wohnungsnachbarn Alexander Baum, Mathias Baldys oder Janne Kujala regen Kontakt in die Kabine der Roten Teufel.

Andre Mangold

Andre Mangold wollte in Bad Nauheim in diesem Winter den Sport mit einer Ausbildung vereinen als mit den Schwenniger Wild Wings ein Zweitliga-Top-Klub ebenso überraschend wie spontan und zeitlich befristet ein Angebot unterbreiten sollte. Nur 24 Stunden ließen die Schwarzwälder ihm Zeit, die Offerte anzunehmen. Als siebter Verteidiger war Mangold vorgesehen, profitierte aber vom verletzungsbedingten Ausfall seines Mitspielers Raymond Macias und zählt vom ersten Spieltag an zur Stammbesetzung, auch in Unterzahl. »Das ist hier schon eine andere Geschichte«, sagt der 23-Jährige, der in der Kabine nur »Manni« gerufen wird. Rund eine Stunde fahre man nach Stuttgart oder Freiburg - »zu weit, um mal auf die Schnelle was zu unternehmen.

« Mit Chris Schmidt bildet der klassische »Stay-at-home«-Verteidiger ein Abwehrpärchen und sieht in der team- wie ligainternenen Ausgeglichenheit die größten Unterschiede. Vier gleichstarke Reihen, die allesamt ein Spiel entscheiden können, hätten die Wild Wings, das Spiel sei »deutlich strukturierter« und verzeihe keine Ungenauigkeiten. »Leichte Spiele gibt’s nicht - und das macht auch mehr Spa?. Mit den Wild Wings führt Mangold die Tabelle an. »Schwenningen ist eine eishockey-verrückte Stadt. Hier gibt’s nichts anderes.« Die Final-Teilnahme sei Pflicht für die Mannschaft, persönlich wolle er sich als Stammspieler etablieren.

Lanny Gare

Lanny Gare ist am 5. September, seinem Geburtstag, Vater geworden. Kiedis heißt das Töchterchen, das seine Ehefrau Johanna zur Welt gebracht hat. »Und seitdem hat sich mein Leben doch enorm verändert«, sagt der 34-Jährige, der frühere Kopf der Roten Teufel. Größer, schneller, kräftiger und älter seien die Spieler in der zweiten Liga, Tempo und Qualität der Partien im Vergleich zu vielen Oberliga-Spielen deutlich höher.

Mit Lavallee und Ex-Nationalspieler Richard Mueller hat Gare (vier Tore, drei Vorlagen) eine Reihe gebildet, die durch eine Knieverletzung nun gesprengt worden ist. »Irgendwas mit dem Innenband«, sagt Gare, der in seiner Reihe etwas das Glück im Abschluss vermisste. »Wir haben so viele Chancen, aber wir sind nicht in der Lage, uns zu belohnen.« Die Entwicklung in Bad Nauheim verfolge er per Youtube-Videos. »Ich wünsche Bad Nauheim nur das Beste«, sagt er, sieht die Klubs der zweiten Liga abseits des Kaders deutlich besser aufgestellt. Die Spieler seien professioneller, die Organisation sei es auch. Gare selbst muss lernen, auch mal hinten an zu stehen. War er in Bad Nauheim in Über- und Unterzahl wie auch beim Penaltyschießen gesetzt, muss er sich eine derartige Rolle bei den Füchsen noch erkämpfen. »Hier spielen fünf Ausländer. Das ist natürlich ein Unterschied. Ich würde mich schon gerne mehr einbringen«, gibt er zu, ist zugleich froh, in jedem Spiel einen echten Wettbewerb zu haben.

Zwei Ex-Teufel in Bozen

Bozen, Italien: Das klingt nach Urlaub, nach Kultur, nach Schlössern, Museen, Wanderungen und Wein. Aber Eishockey? Mit 19 nationalen Titeln ist der HC Bozen italienischer Rekordmeister - und nicht die einzige Mannschaft in der 100 000-Einwohner-Stadt Südtirols. In der zweiten Liga kämpft der EV Bozen um Punkte und Anerkennung; seit dem Aufstieg 2010 meist vergeblich. Die ernüchternde Bilanz der letzten beiden Jahre. Drei Siege nach regulärer Spielzeit aus 74 Spielen - zweimal abgeschlagen Tabellenletzter. Mit den Ex-Teufeln Fred Carroll und Dylan Stanley kam nun die Wende. Sechs der ersten 13 Saisonspiele haben die »Weasels« gewonnen - und damit in wenigen Wochen mehr Zähler verbucht als in den vergangenen beiden Jahren.

Fred Carroll

»Anfangs war ich schon ein wenig skeptisch«, sagt Fred Carroll. Vieles wirke ein wenig verschlafen. Vieles sei Neuland, hat der Trainer festgestellt. »Vielleicht bin ich von den deutschen Verhältnissen aber auch verwöhnt«, lacht der 49-Jährige und zeigte sich in erster Linie von der Saisonvorbereitung überrascht. »Den Sommer über ruht vier Monate lang der Betrieb. Erst kurz vom Trainingsbeginn wird die Arbeit dann aufgenommen. Dabei müssen wir uns spätestens im Dezember langsam Gedanken um die nächste Spielzeit machen.« Der jüngste Erfolg kommt deshalb überraschend. »Das hatte uns niemand zugetraut. Wir bekommen inzwischen mehr Aufmerksamkeit, aber die Entwicklung geht eben nur sehr langsam voran«, sagt Carroll, der in einem Hotel-Appartement in Stadionnähe untergebracht ist und zumeist nur einmal täglich abends mit seiner Mannschaft trainieren kann. Bequem: Die ungewohnt kurzen Wege zu den Auswärtsspielen, die zum Teil nicht mal 20 Kilometer entfernt ausgetragen werden.

Der Gardasee und die Dolomiten seien zudem nicht weit, die Region wunderschön, und wer etwas unternehmen wolle, dem stünden alle Möglichkeiten offen, sagt Carroll, den man aber eher bei einem Cappuccino in einem der unzähligen Cafes antrifft; mitunter auch gemeinsam mit Joe West. Der Ex-Profi (Wedemark) und frühere Coach der Hannover Indians (2008/09 im Oberliga-Finale gegen Carroll und die Roten Teufel) coacht den aktuellen Tabellenzweiten HC Neumarkt. Das Niveau der Serie A2 bezeichnet der Fred Carroll, dessen Familie vor den Toren Hannovers lebt und zuletzt während der Herbstferien in Südtirol zu Besuch war, als »Oberliga-Mittelma?. Im Januar muss er sich entscheiden, ob er die Option auf eine Vertragsverlängerung ziehen möchte.

Dylan Stanley

Dylan Stanley hat sich gut eingelebt. »Wunderschön« sei die Region, es gebe viel zu sehen und zu unternehmen, sagt der 28-Jährige, dessen Ehefrau Maggie vor wenigen Tagen aus der kanadischen Heimat nachgekommen ist. Für Januar 2013 hat sich Nachwuchs im Hause Stanley (im Mai hatten die Hochzeitsglocken geläutet) angekündigt, ein Junge. In diesen Tagen, der spielfreien Woche, hat die junge Familie die italienische Hauptstadt Rom besichtigt. Mit 14 Treffern und 13 Vorlagen in 13 Partien führt Dylan Stanley die Scorerwertung der Serie A2 an, die zweite Kontingentstelle besetzt Stanislav Jasecko, ein 39-jähriger ehemaliger slowakischer Nationalspieler (2008/09 Duisburg/DEL). »Das Niveau ist gut. Die Kontingentstellen sind allesamt gut besetzt, und jede Mannschaft hat auch einige leistungsstarke einheimische Spieler in ihren Reihen«, sagt Stanley, der gerne einen kanadischen Landsmann in seinem Team sehen würde und auch die Atmosphäre durch die Fans vermisst. Zwar konnte die Zuschauerzahl bei Heimspielen des EV Bozen gesteigert werden, dennoch verfolgen in der 9000-Zuschauer-Arena durchschnittlich kaum 150 Zuschauer die Partien der »White Weasels«. Michael Nickolaus

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