Rustikaler Sport für kernige Typen - auch in der Wetterau einst beliebt

Wer die Handball-WM verfolgt, dürfte sich nur schwer vorstellen können, dass dieser Sport einst anders betrieben wurde. Auch in der Wetterau hatte die Spielform auf dem Großfeld Tradition.
Deutschlands Handballer sind auf einem guten Weg, haben die Vorrunde bei der Weltmeisterschaft mit Bravour überstanden. Was viele nicht wissen: Das DHB-Team ist immer noch aktueller Titelträger, wenngleich der letzte bekannte Triumph 16 Jahre zurückliegt. Das war 2007 in der Halle. Bei der mittlerweile (fast) vergessenen anderen Variante der Sportart sieht es so aus: 1966 fand in Österreich die letzte WM im Großfeldhandball statt, bei der am Ende die DHB-Auswahl zum Champion gekürt wurde. Dieser Titel wirkt nach, die Spieler dürfen sich bis heute »aktuelle Weltmeister« nennen.
Seine Glanzzeiten erlebte der Feldhandball in den letzten Jahren vor dem 2. Weltkrieg und in den 50er Jahren. Es war ein rustikaler Sport für kernige Typen, der bei jedem Wetter ausgeübt wurde.
International - Von Beginn an dominierte Deutschland diesen Sport. Von den zwischen 1925 und 1970 ausgetragenen 125 Länderspielen wurden 117 gewonnen. Dabei war 1952 das 34:2 gegen Luxemburg die Partie mit der größten Anzahl erzielter eigener Tore. Insgesamt sechs Weltmeistertitel und ein Olympiasieg standen am Ende in der Bilanz. Kein Wunder, dass diese Erfolge die Massen anzogen. Hohe fünfstellige Besucherzahlen waren die Regel. 1954 sahen 40 000 Fans in Augsburg das Spiel gegen Schweden, 1959 waren es in Leipzig gegen die DDR 93 000. Bei Olympia in Berlin erlebten 1936 sogar 100 000 Menschen den 10:6-Erfolg, mit dem Gold gewonnen wurde. Die Serie der Länderspiele endete im Juni 1970 mit einem 22:12 gegen Holland. Von 1968 bis 1970 wurde ein Europapokal ausgetragen. Dreifacher Sieger war Grün-Weiß Dankersen mit Herbert Lübking, dem wohl weltbesten Handballer seiner Zeit.
National - Seit 1917 (zuerst bei den Frauen, zwei Jahre später auch bei den Männern) wurde das Spiel auf dem Feld betrieben. Vor allem entscheidende Begegnungen um die Deutsche Meisterschaft hatten hohen Zuschauerzuspruch. 1965 verfolgten in Wuppertal 30 000 Leute und 1967 in Offenbach 22 000 die Endspiele. Von 1967 bis 1973 gab es eine Feldhandball-Bundesliga. Danach verlegten immer mehr Vereine ihren Schwerpunkt auf das Spiel in der Halle. 1975 wurde mit der TSG Oßweil der letzte Deutsche Feldhandball-Meister gekürt. Zu den bekanntesten Akteuren zählten Hein Dahlinger, Horst Singer, Peter Hattig, Josef Karrer und Bernhard Kempa.
Regional - Auch in der Wetterau wurde Großfeldhandball lange groß geschrieben. In den 60er Jahren hatte der TSV Nieder-Mörlen dabei die Hauptrolle inne. 1963 stieg man in Hessens höchste Klasse auf, konnte die Liga allerdings nicht halten. Besser lief es nach dem Wiederaufstieg, der 1968 gelang. Dieses Mal blieb man für die folgenden beiden Spielzeiten in Hessens Eliteliga. Überragend agierte dabei Horst Philipp, der herausragende Spieler der Region. Auch Namen wie Neeb, Tobschall und Brauburger blieben in Erinnerung. Die zweite große Nummer war der TSV Griedel, der 1974 und 1975 ebenfalls in Hessens höchster Liga spielte. Meineke, Dreut und der ungarische Nationalspieler Julius Moor waren hier prägend. Auf Bezirksebene spielten der TV Kirch-Göns, der TV Pohl-Göns, der TSV Gambach und der TSV Münzenberg eine gute Rolle. Die Älteren erinnern sich an Akteure wie Spieß, Jaksch, Hunger, Scheurich, Schwenz und Reuhl.
Das Ende - Mitte der 60er Jahre begann der Hallenhandball zunehmend, die Variante auf dem Feld zu verdrängen. Die Abkehr der Skandinavier und des Ostblocks vom Spiel im Freien läutete dessen Ende ein. In der DDR wurde der Betrieb 1967 eingestellt, die BRD folgte acht Jahre später.
Weshalb hat sich der Handball so schnell vom Feld in die Halle verlagert? Fehlende Aktion im Mittelfeld und regungslos herumstehende Sportler, wenn sich das Geschehen im anderen Torraum abspielt, behaupten die Gegner der ursprünglichen Form. Tatsache ist, dass sich die Plätze mit wildem und unebenem Rasen oft in schlechtem Zustand befanden. Beim Prellen versprangen die Bälle. Bei Regen glitt der Ball durch die Hände, Sportler rutschten aus. In der Halle war es dagegen trocken, das Spiel war schneller, trickreicher und torreicher.