Rückkehr an besondere Stätte
Noch drei Tage müssen sich heimische Boxfans gedulden, ehe es erstmals seit 2006 in Wetzlar wieder Faustkampf auf Weltklasseniveau zu sehen gibt. Und das an einem geschichtsträchtigen Ort.
Mit dabei: Supermittelgewichtler Tyron Zeuge, der derzeit der einzige deutsche Weltmeister ist. In den Ring steigen wird auch Lokalmatador Emir Ahmatovic, der zu den großen Hoffnungsträgern des deutschen Berufsboxens zählt. In seiner Heimatstadt wird der 30 Jahre alte Ahmatovic seinen dritten Profi-Kampf bestreiten. Ursprünglich hätte er bereits am 10. Juni in der Sporthalle Dutenhofen kämpfen sollen, aber aufgrund von Terminschwierigkeiten platzte der Kampfabend. Nun tritt der Cruisergewichtler, der als Amateur zur Weltspitze zählte und unter anderem Bronze bei den Europameisterschaften holte, in der deutlich größeren Rittal-Arena auf. Im Vorfeld hatte Ahmatovic freilich zahlreiche Kartenwünsche von Freunden und Bekannten erhalten, die während seines Kampfes gegen den Polen Lukasz Zygmunt für eine stimmungsvolle Kulisse sorgen dürften: »Zum Glück hat mir mein Manager Dennis Lindner geholfen. Sonst hätte ich mich nicht auf den Kampf vorbereiten können«, sagt der 30-Jährige lachend. Seine ersten beiden Gefechte für Sauerland Event – Deutschlands führendem Boxveranstalter – hatte Ahmatovic jeweils souverän für sich entschieden und dabei seine besondere Klasse bereits aufblitzen lassen.
Sein Trainer Ulli Wegner, der in seiner langen Laufbahn unter anderem Sven Ottke und Arthur Abraham zu Weltmeistertiteln führte, hält große Stücke auf den Cruisergewichtler mit serbischen Wurzeln: »Emir ist ein toller Bursche, der sehr gewissenhaft und professionell mit allem umgeht. Es ist eine Freude, ihn trainieren zu dürfen.« Ahmatovic – erst seit März im Profilager – ist nur einer von mehreren aufstrebenden Boxern, die in der Domstadt den nächsten Schritt auf dem Weg zu großen Titeln machen wollen. Als eines der größten deutschen Talente gilt der Frankfurter Leon Bunn, der am Samstag seinen fünften Profikampf bestreitet. Bei den Amateuren hatte der Halbschwergewichtler bereits für Aufsehen gesorgt, wurde Deutscher Meister und gewann den prestigeträchtigen Chemie-Pokal. »Von meinen jungen Leuten wird er als Erster Weltmeister«, meint Wegner, der am Samstag an einen geschichtsträchtigen Ort zurückkehrt.
»Blutschlacht« von Wetzlar
Am 23. September 2006 stand der Star-Trainer in der Ecke von Supermittelgewichtler Arthur Abraham, der trotz doppelt gebrochenem Kiefer seinen Weltmeistergürtel gegen den Kolumbianer Edison Miranda verteidigen konnte. Der Kampf ging als »Blutschlacht« von Wetzlar in die Annalen der Boxgeschichte und zählt heute zu den dramatischsten Ringschlachten, die je in Deutschland stattgefunden haben. In der fünften Runde wollte der Ringrichter bereits abbrechen, aber Abraham boxte schwer gezeichnet weiter und wurde nach dem Kampf sofort ins Krankenhaus gebracht. Durch diese unglaubliche Willensleistung wurde er zum Star und boxte in den USA gegen die Crème de la Crème seiner Gewichtsklasse. Heute zählt Abraham immer noch zu den großen deutschen Zugpferden, doch das Karriereende des mittlerweile 31-Jährigen ist absehbar. Einer der Boxer, die in seine Fußstapfen treten sollen, ist der Berliner Tyron Zeuge. »Tyron bringt alles für eine erfolgreiche Karriere mit«, sagt Manager Kalle Sauerland und fügt hinzu: »Er ist technisch gut, kann sich bewegen und zuschlagen. Zudem ist er charismatisch und kommt bei den Fans gut an.
« Seit November 2016 trägt der 25 Jahre alte Supermittelgewichtler den Weltmeistergürtel des Verbandes World Boxing Association (WBA). Am Samstag wartet auf den nach 20 Kämpfen noch ungeschlagenen Zeuge der routinierte Brite Paul Smith, der sich vor einigen Jahren mit Arthur Abraham zwei beherzte und enge Gefechte geliefert hatte. »Ich erwarte einen sehr harten Kampf. Smith wird alles geben, denn mit seinen 34 Jahren werden sich nicht mehr allzu viele Chancen auf einen Weltmeisterschaftskampf ergeben«, weiß Zeuge um die Schwere der Aufgabe und fügt hinzu: »Ich weiß, dass ich gegenüber meinem Boxstall eine große Verantwortung habe, aber das muss ich in meinen Kämpfen ausblenden.«
Klar ist: Nur mit Weltmeistern lässt sich im Berufsboxen großes Geld verdienen. Nur mit Weltmeistern hat man Chancen auf lukrative Fernsehverträge. Nur mit Weltmeistern ist die breite Öffentlichkeit erreichbar. »Wir werden in den nächsten ein bis zwei Jahren wieder drei bis vier Weltmeister haben« meint Sauerland und ergänzt: »Momentan haben wir aber mit Tyron Zeuge nur einen – er muss diesen Kampf daher gewinnen.«