Rote Teufel »gehen nicht an die Reste-Rampe«
Die Unruhe im Umfeld steigt - doch der Geschäftsführer bleibt cool. Während Kassel und Frankfurt qualitativ erheblich aufrüsten, sind in Bad Nauheim auf dem Papier noch fünf Positionen in den ersten beiden Reihen unbesetzt.
Wollen sich die Roten Teufel schlichtweg nicht auf ein Pokerspiel mit den Cracks und ihren Beratern einlassen, oder gestaltet sich die Zusammenstellung des Kaders durch Trainer Frank Carnevals aus dem 8000 Kilometer entfernten Toronto heraus doch schwieriger als erwartet? WZ-Redakteur Michael Nickolaus hat mit Andreas Ortwein gesprochen.
Andreas Ortwein, die Euphorie nach der Verpflichtung vom Trainer Frank Carnevale ist im Umfeld inzwischen einer gewissen Skepsis gewichen. Der Kader wächst, aber fünf Schlüsselpositionen sind noch nicht besetzt.
Ortwein: »Ich verstehe die Fans, die lieber heute als morgen neue Namen lesen wollen. Aber man muss sich auch einmal bewusst machen, dass sich Leistungsträger nicht einzig über die Scorerpunkte definieren. Von den Punkten her haben wir natürlich einige Schlüsselspieler abgegeben. Aber: Leistungsträger sind auch an ihren Big Points, an ihrem Auftreten in den Playoff-Spielen, festzumachen. Und da muss man nach den Erfahrungen der letzten Jahre sagen, dass wir unsere Ziele nicht erreicht haben.«
Zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr hatte die Verpflichtungen von Spielern wie Kevin Lavallee, Dylan Stanley oder Michel Maaßen Vorfreude geweckt, waren mit Markus Keller, Lanny Gare oder Tobias Schwab die zentralen Positionen besetzt.
Ortwein: Mit Thomas Ower als Nachfolger von Markus Keller haben wir eine zentrale Entscheidung schon getroffen. Tagtäglich werden uns 50/60-Punkte-Oberliga-Spieler angeboten. Natürlich könnten wir solche Leute unter Vertrag nehmen, damit wir Namen präsentieren können. Aber das kann nicht unser Ziel sein. Frank Carnevale sucht seine Spieler eher im Zweitliga-Bereich, zudem verfolgt er eine andere Philosophie als Fred Carroll, sucht große, robuste Spieler, legt größeren Wert auf die Physis. Er selbst hat ein anderes Umfeld, andere Vertraute, und deshalb kommen auch andere Namen auf den Tisch. Wir vollziehen in gewisser Weise einen Umbruch, aber wir tauschen doch jetzt nicht die gesamte Mannschaft aus, holen nicht wie Frankfurt - überspitzt gesagt - 20 neue Leute. Zehn, zwölf Spieler aus dem Vorjahr bleiben. Und unter diesen Jungs kann ich eine gewisse Aufbruchstimmung festmachen. Unter einem neuen Trainer beginnt jeder Spieler bei Null, muss sich neu beweisen. Und ich bin überzeugt, dass der neue Coach von den Spielern noch ein paar Prozent mehr herauskitzeln kann.«
Wird Bad Nauheim denn von Kassel und Frankfurt überholt? Deren Kader sind im Grunde genommen bereits komplett.
Ortwein: »Man muss die Gegebenheiten realistisch betrachten. Kassel beispielsweise hat im Vorjahr rund 900 000 Euro in die Mannschaft gesteckt, wir etwa 500 000 Euro. Und dennoch waren wir am Ende vor den Huskies. Kassel und Frankfurt haben als ehemalige DEL-Standorte ganz andere Möglichkeiten. Beide Klubs haben Lehrgeld gezahlt und werden daraus gelernt haben. Wir können nicht die Gelder zahlen, die im Mai/Juni aufgerufen werden, wir müssen genau abwägen, wie wir unsere Mittel einsetzen.
Werden die Roten Teufel Ihre Position als Nummer eins in Hessen halten können?
Ortwein: »Wir können bei unseren Möglichkeiten keine Stars kaufen, aber wir haben bewiesen, dass man auch mit kleineren Mitteln größeren Erfolg haben kann. Wir müssen Spieler zu Stars machen. Wer hat denn einen Markus Keller gekannt, bevor er zu uns kam, oder einen Tobias Schwab, einen Kevin Lavallee? Sie alle haben sich in Bad Nauheim ihren Namen erarbeitet. Wir hatten in der Vergangenheit gewiss ein glückliches Händchen – und darauf vertrauen wir auch nun wieder.
Wir werden ein Team aufbieten, dass sich zerreißen wird. Wir sind im Dialog mit ambitionierten Spielern, und die Fans müssen keine Angst haben, dass wir uns im August an der Reste-Rampe bedienen werden. Natürlich könnten wir jetzt zwei Kontingentspieler unter Vertrag nehmen, damit das nach außen hin beruhigend wirkt. Entscheidend ist aber, dass zunächst die deutschen Schlüsselpositionen besetzt sind. Derzeit suchen wir zwei starke deutsche Offensivspieler - und da bin ich ganz zuversichtlich. Dann wird der Trainer erkennen, wo noch Bedarf besteht, ob wir beide Kontingentstellen mit Stürmern besetzen oder vielleicht doch lieber einen ausländischen Verteidiger unter Vertrag nehmen, ob wir auf junge Spieler oder auf Erfahrung setzen müssen. Die Ausländerstellen wird unser Trainer optimal besetzen. Davon ich ich überzeugt.«
Lanny Gare hat offiziell noch keinen neuen Klub. Ist eine Weiterverpflichtung denkbar?
Ortwein: »Er spielt in unseren Planungen keine Rolle mehr. Er hat uns signalisiert hat, dass er in die zweite Bundesliga wechselt. Wir gehen im Guten auseinander.«
Andre Mangold soll ebenfalls von Zweitligisten umworben sein.
Ortwein: »Andre hat uns über ein konkretes Angebot informiert.«
Werden Jannik Striepeke und Dennis Cardona im kommenden Jahr für Bad Nauheim spielen?
Ortwein: Jannik Striepeke fällt nicht mehr unter die U21-Regelung. Hier müssen wir noch abwarten. Dennis Cardona strebt eine Weiterbildung an. Das ließe sich dann nicht mehr mit Oberliga-Eishockey verbinden. Auch hier steht eine Entscheidung noch aus.«
Die Löwen Frankfurt haben auf Leihbasis zwei Spieler von Mannheim erhalten. Schließt das eine Kooperation aus?
Ortwein: »Nein, das ist keine exklusive Partnerschaft. Auch wir sind mit Teal Fowler und Helmut de Raaf im Gespräch und hoffen, zeitnah eine Kooperation abschließen zu können.«