Rosel Schleicher ist mit dem Herzen dabei
Das erste WZ-Gespräch findet nicht am Schreibtisch, sondern vor dem Farbenmeer des Großen Teichs in Bad Nauheim statt. Denn Rosel Schleicher liebt die Natur. »Vor allem im Frühling und Herbst«, sagt sie und erzählt von ihren Spaziergängen durch die Gemarkungen rund um Dauernheim, wo sie zu Hause ist.
Auch in dieser Woche hat sie sich dort Atempausen gegönnt, nachdem sie am letzten Sonntag beim Landesturntag in Krofdorf-Gleiberg als erste Frau überhaupt von rund 150 Delegierten zur Präsidentin des Hessischen Turnverbandes gewählt wurde. Damit tritt die 64-Jährige die Nachfolge von Rolf Dieter Beinhoff an, den sie irgendwann im Gesprächsverlauf als »positiven Streiter« bezeichnet, dem sie stets hohen Respekt gezollt habe. Nun trägt sie in der Frankfurter HTV-Zentrale selbst die Verantwortung.
Rosel Schleicher, wie sind die ersten Tage im neuen Amt verlaufen.
Rosel Schleicher: Sehr angenehm, denn ich bin total überrascht, wie viele Menschen mich in dieser Woche per Mail, am Telefon, auf der Mailbox oder in persönlichen Gesprächen beglückwünscht haben. Das hatte ich so nicht erwartet.
Wie wollen Sie den Aufwand dieses Amtes bewältigen? Denn es warten ja nicht nur viele Arbeitsstunden auf Sie, sondern auch lange Fahrten von Dauernheim nach Frankfurt in die HTV-Zentrale.
Rosel Schleicher: Vor denen habe ich keine Angst, denn ich fahre gerne Auto. Und die 20 Arbeitsstunden, auf die ich nach der ersten Schätzung inklusive öffentlicher Auftritte komme, kann man natürlich nur bewältigen, wenn man mit dem Herzen dabei ist, fasziniert ist von den Themen und Freude daran hat.
Ist Ihr neues Amt nicht schon ein Fulltime-Job, der bezahlt werden müsste?
Rosel Schleicher: Nein, er bleibt nach wie vor ein Ehrenamt. Und ich bin es ja seit 30 Jahren gewohnt, diesen ehrenamtlichen Idealismus aufzubringen.
Sie waren Pressewartin, Stellvertretende Vorsitzende und sind seit zehn Jahren Vorsitzende im Turngau Wetterau-Vogelsberg. Was motiviert Sie in diesen Ämtern?
Rosel Schleicher: Für mich ist es ein Traum, ein selbst gestecktes Ziel zu erreichen. Dann fühle ich mich entschädigt für den großen Aufwand.
Bleiben Sie auch Turngau-Vorsitzende?
Rosel Schleicher: Nein, ich werde im März nicht mehr kandidieren. Ich bin stolz darauf, dass wir eine relativ junge Vorstandsriege haben und weiß, dass ein kompetenter Nachfolger schon in den Startlöchern sitzt.
Seit wann wussten Sie, dass man Sie gerne als HTV-Präsidentin sehen würde?
Rosel Schleicher: Im Februar bin ich erstmals darauf angesprochen worden, und einmal habe ich auch »Nein« gesagt, weil ich mein Alter als Barriere gesehen habe. Doch nun bin ich natürlich froh, dass ich mich dieser Herausforderung stellen durfte.
Was qualifiziert Sie für dieses Amt?
Rosel Schleicher: Ich habe lange Jahre ein Unternehmen geführt, das ich vor einiger Zeit verkauft habe. Und ich glaube, dass auch diese unternehmerische Erfahrung den Anforderungen des Sportmanagements zugute kommt. Zudem profitiere ich natürlich davon, dass ich selbst mein Leben lang beim TV Dauernheim als Turnerin und Leichtathletin Sport getrieben habe.
Wie leben Sie privat?
Rosel Schleicher: Ich habe eine erwachsene Tochter und bin natürlich irgendwie auch mit meinem Ehrenamt verheiratet. Ich sehe mich aber auch als Genussmensch und treffe mich heute Abend beispielsweise mit einer Freundin in einem schönen Frankfurter Lokal.
Lesen Sie gerne?
Rosel Schleicher: Ja, klar. Ich stamme noch aus dieser Generation, die in den 50ern unter der Bettdecke mit der Taschenlampe heimlich geschmökert hat. Heute lese ich am liebsten Krimis.
Sie waren auch in der Politik tätig und zehn Jahre Gemeindevertreterin. Welche Persönlichkeiten bewundern Sie?
Rosel Schleicher: Ich habe immer Konrad Adenauer bewundert, Albert Schweitzer und später auch J.F. Kennedy. Bei den Sportlern finde ich Eberhard Gienger toll, den ich selbst kennen lernen durfte. Und von Edgar Itt habe ich nach meiner Information in der Sporthalle Ost in Gießen das allererste Bild beim Hürdenlauf überhaupt gemacht. Er verfügt über Charisma und ein großes Wissen. Aber ganz besonders habe ich immer meinen allerersten Übungsleiter Heinrich Eichenauer geschätzt, der mich auf meinen sportlichen Weg geführt hat.
Gibt es schon Ziele, die Sie als HTV-Präsidentin erreichen wollen?
Rosel Schleicher: Wir müssen die Finanzen überarbeiten, da sich die Zuflüsse an Toto- und Lotto-Einnahmen für den Sport reduziert haben. Zudem möchte ich mehr kompetente Frauen auf der Vorstandsebene etablieren. Ganz besonders liegt mir die Schule im Ganztag am Herzen, die mittags auch von Vereinen gestaltet wird. Hier leistet die Gesamtschule Gedern schon Vorbildliches. Und dann müssen wir auch darauf achten, dass die Arbeit im Gesundheitssport durch die Lizenzen der Übungsleiter mit Qualität gezeichnet wird.
Rosel Schleicher, wir wünschen Ihnen weiterhin soviel Freude und Idealismus bei diesen Projekten und bedanken uns für dieses Gespräch.
Michael Humboldt