Rechtsausschuss verhindert Gerters Start bei U20-WM
(jms) Die vorzeitige Abreise der Pohl-Gönserin Julia Gerter von der U20-Weltmeisterschaft aus Barcelona hat nicht nur beim LAZ Gießen und SV Garbenteich, den Heimatklubs der jungen Leichtathletin, für Verwunderung gesorgt.
Auch die Athletin selbst und ihr Trainer Philipp Schlesinger sind enttäuscht über die Entscheidung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aufgrund einer vorliegenden einstweiligen Anordnung. Bereits gestern kehrte die frühere Nieder-Weiselerin aus Barcelona zurück.
Dagegen vertrat die Mannheimerin Malaika Mihambo von der LG Kurpfalz, die gemeinsam mit ihrem Anwalt Dr. Michael Lehner das Startrecht an der Weltmeisterschaft in der katalanischen Metropole erstritten hatte, im Weitsprung die deutschen Farben. DLV-Mediendirektor Peter Schmitt erklärt den Vorgang: »Wir haben einen Rechtsausschuss, der sehr schnell reagieren kann. Das ist auch nötig, da keine langen Prozesse vor Wettkämpfen möglich sind und schnell entschieden werden muss. Der Ausschuss ist in diesem Fall sehr schnell zusammengekommen und hat diese Entscheidung getroffen.«
Bereits vor der ersten Nominierung gab es im »Fall« Gerter/Mihambo Unstimmigkeiten. Laut Mihambos angesehenem Anwalt Dr. Michael Lehner, der unter anderem Dieter Baumann im Dopingprozess als Rechtsbeistand vertrat, tendierten die Bundestrainer zunächst zu einer Nominierung der Kurpfälzerin: »Bei einer Nominierung gelten mehrere Punkte. Die Statuten sehen vor, dass in die Kriterien einer Nominierung auch die Jahresbestleistung und weitere Leistungen im gesamten Jahr einfließen müssen. Das haben die Bundestrainer auch so gesehen. Doch das Management von Julia Gerter vertrat die Auffassung, dass der Nominierungswettkampf in Mannheim als Richtlinie gelten müsse. Die Trainer hatten sich zunächst für meine Mandantin entschieden«, sagt Dr. Lehner.
Beim besagten Wettkampf in Mannheim war Gerter drei Zentimeter weiter gesprungen (6,35 Meter) als ihre Kontrahentin, die in der laufenden Saison unter anderem in der Halle 6,45 Meter erzielt hatte. »Insgesamt hat Mihambo die leicht besseren Werte in dieser Saison. Das rechtfertigt ihren Start in Barcelona, da die Gesamtsumme der Leistungen zählt und nicht ein einzelnes Ergebnis. Ich bin aber auch der Auffassung, dass dies sehr unglücklich für Julia Gerter ist, da sie schon nach Barcelona gereist war.
Ein solches Problem kommt nur zustande, wenn die Statuten eines Verbandes Interpretationsspielraum lassen. Das ist hier der Fall, wobei aus unserer Sicht der Sachverhalt klar ist und die getroffene Entscheidung gemäß den Richtlinien ist«, sagt Dr. Lehner.
Etwas anders sieht das Horst Schlesinger, Leichtathletik-Abteilungsleiter des SV Garbenteich. Schlesinger fragt sich einerseits, woher Mihambo die finanziellen Möglichkeiten hat, einen Anwalt einzuschalten und wundert sich andererseits auch über die Entscheidung des Rechtsausschusses: »Es wurden fünf Punkte aufgezogen, die als Entscheidungskriterien herangeführt wurden. Vier sprechen demnach für Malaika, einer für Julia. Dabei sind da einfach faktische Fehler drin. In so einem Schnellverfahren passiert das eben auch.« Schlesinger will nicht ausschließen, dass dieser Fall noch lange ein Thema sein wird: »Nach diesem Urteil müssten die Athleten ihre Strategie ändern. Es kann doch nicht sein, dass ein Sprung in der Halle in die Wertung aufgenommen wird. Meiner Auffassung nach gibt es im Jahr eine Hallen- und eine Freiluftsaison. Beides sollte unabhängig voneinander gewertet werden.
So war das auch immer.« Zudem glaubt Schlesinger, dass sich der Rechtsausschuss von einer Zahl hat blenden lassen. In Mannheim war Mihambo neben regulären 6,32 Meter auch 6,50 Meter mit zu viel Rückenwind gesprungen.
Übrigens: Mihambo bekleckerte sich gestern in der Weitsprung-Qualifikation nicht mit Ruhm und schied aus. Trotz starker Windunterstützung brachte sie es nur auf 6,15 Meter, fünf Zentimeter mehr hätten für das Finale gereicht. Zu diesem Zeitpunkt war Gerter, die heute ihren 18. Geburtstag feiert, schon wieder auf dem Heimweg.