Paul Haarhuis weckt in Bad Vilbel Meisterschaftsträume
632 Mitglieder, 42 Mannschaften, insgesamt 16 Plätze. Die Zahlen alleine sprechen schon für sich. Der TC Bad Vilbel wird in der Mitgliederstatistik des Hessischen Tennis-Verbandes (HTV) unter den Top Ten geführt.
Im Wetteraukreis ist der Klub aus der Brunnenstadt das Nonplusultra; in der Breite, aber ebenso auch in der Spitze (sage und schreibe zwölf Mannschaften spielen in den Landes- und Regionalligen). Das Aushängeschild: die Herren 40. Mit dem Niederländer Paul Haarhuis (sechs Grand-Slam-Titel und über 69 Wochen führend in der ATP-Doppel-Weltrangliste) auf Position eins im Ranking soll im nunmehr dritten Anlauf Vereinsgeschichte geschrieben werden. Die Deutsche Meisterschaft ist das offen propagierte Ziel. »Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und sind in diesem Jahr breiter aufgestellt«, sagt Andreas Binder beim Ortstermin mit der WZ-Sportredaktion in der Huizener Straße. Seit vier Jahren ist Binder zweiter Vorsitzender und Kapitän eben jener Herren 40.
Die Geschichte des TC Bad Vilbel hatte im Sommer 1959 begonnen; mit 33 Gründungsmitgliedern und zwei Plätzen in den Jahren 1960/61. Heute, bei stetig steigenden Mitgliederzahlen auch lange nach dem Boom durch Boris Becker und Steffi Graf, stößt der Klub an seine infrastrukturellen Grenzen.
Auf zwölf Frei- und vier Hallenplätzen wird der Spielbetrieb in der Quellenstadt inzwischen abgewickelt, erst im letzten Herbst war mit der Erweiterung der Platz-Kapazitäten (Investitionsvolumen rund zwei Millionen Euro) das bislang größte Projekt der TC-Geschichte fertiggestellt worden. »Wir bieten Spitzen- und Leistungstennis für ambitionierte Spieler und ebenso Breitensport. Für jeden ist etwas dabei«, erklärt Binder diese Entwicklung gegen den eigentlichen Trend. In der Bodenständigkeit, die über alle die Jahre erhalten worden sei, im harmonischen Vereinsleben, einer gepflegten Anlage und dem vielfältigen Angebot sieht Binder, selbst seit 40 Jahren Klub-Mitglied, die führende Position der Brunnenstädter begründet. Erst dreimal hat während der inzwischen 53-jährigen Klub-Historie der Vorsitz gewechselt; zuletzt im Jahr 2000, als Dirk Hinkel seinen Vater Günter nach 26 Jahren im höchsten Amt des Klub abgelöst hatte.
Beeindruckend ist in erster Linie die Vielzahl ambitionierter Spieler im jüngeren Senioren-Bereich. Die Herren 40 II sind inzwischen in die Hessenliga aufgestiegen. In der höchsten Spielklasse im HTV-Betrieb tummeln sich außerdem die Herren 30, die Damen 30, die Damen 60 und die U18-Juniorinnen. Die Herren 55 spielen wie die Herren 40 in der Regionalliga.
In der Süd-West-Gruppe, deren Sieger für die Endrunde der besten vier deutschen Mannschaften qualifiziert ist, hat der TC Bad Vilbel mit der TSG Backnang (28. April), dem TV Alzey (19. Mai, mit den beiden Russen Andrei Cherkasov und Andrej Chesnokov) und Titelverteidiger ASV Landau (29. Juni) sämtliche direkten Konkurrenten auf heimischer Anlage zu Gast. Zudem müssen die Brunnenstädter in Pfungstadt (5. Mai), Pforzheim (12. Mai) und Mannheim (2. Juni) antreten. Neben Haarhuis haben sich die Bad Vilbeler mit Dirk Dier (einst 118 der Welt), dem Norweger Jan Frode Andersen (einst 135) und dem Regensburger Michael Geserer verstärkt.
Oliver Kesper aus Rosbach, der kürzlich das Herren-40-Finale bei den Deutschen Hallenmeisterschaften erreicht hatte, wird als einziger Local Hero an Position sechs geführt, vor dem Schweden Tomas Nydahl, dem Spanier Tomas Carbonell oder auch dem deutschen Davis-Cup-Spieler Bernd Karbacher. Identifikationsprobleme der Klub-Mitglieder mit der eigenen Mannschaft, die scheinbar bunt zusammengewürfelt wurde, sieht Binder nicht. »Mit Einheimischen alleine funktioniert eine solche Sache auf diesem hohen sportlichen Level nicht. Das Leben dieser Spieler wird durch Tennis bestimmt. Anders geht’s nicht«, sagt Binder, zudem werde das Vorhaben ausschließlich durch externe Mittel unterstützt. »Letztlich ist’s ein Kreislauf, und alle profitieren davon. Über Bad Vilbel und unseren Klub wird gesprochen, die Leute kommen zu uns, wir können unser Angebot ausbauen«, sagt Binder und verweist auf inzwischen drei Klubtrainer (Jürgen Otto, Larry Cooper und Dorin Grigoras).
Doch: Womit lässt sich ein Haarhuis, der in seiner Karriere mehr als sieben Millionen US-Dollar alleine ein Preisgeld kassiert hat, denn überhaupt für ein Wochenende in den Norden Frankfurts locken? »Die Jungs kennen sich doch allesamt von der ATP-Tour und freuen sich, wenn sie sich im Sommer an einigen Wochenenden wieder sehen, Tennis spielen und Spaß haben können«, erklärt Binder die sogenannten weichen Faktoren in punkto Überzeugungsarbeit. Von der Qualität seiner Mannschaft ist der Teamkapitän überzeugt. »Haarhuis, Dier oder Andersen - die stehen alle noch voll im Saft, sind auf der Senior-Tour unterwegs oder haben im Vorjahr hochklassig gespielt«, sagt der Bergen-Enkheimer, der in einem Frankfurter Autohaus beschäftigt ist.
Neben den Heimspieltagen der Regionalliga-Mannschaft hat der TC Bad Vilbel aber noch zwei weitere Höhepunkte im sportlichen Kalender stehen.
Zum vierten Mal in Folge werden auf der Anlage hinter dem Niddasportfeld die alljährliche Hessischen Altersklassen-Meisterschaften ausgetragen (wobei die Teilnehmerzahl in diesem Zeitraum fast verdoppelt werden konnte), und zum anderen richtet der TC Bad Vilbel im September ein Sechs-Länder-Turnier aus und hat sich bei der Vergabe gegen renommierte Mitbewerber wie ETUF Essen und Iphitos München durchgesetzt. Michael Nickolaus