Olympia-Starterin Christiane Klopsch: »Dabei sein ist nicht alles«
Christiane Klopsch spricht gerne vom Masterplan, der aufgegangen sei. Denn um sich für die Olympischen Spiele in London zu qualifizieren, musste sie ihre Ambitionen auf den 400 Meter Hürden zurückstecken. Im Interview mit unserem Redakteur Michael Wiener im Hof des Elternhauses in Maibach spricht Christiane Klopsch über die Faszination 400-Meter-Sprints, Druck und Kopfprobleme.
Vor den Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid stand die Langsprintern der LG Ovag Friedberg-Fauerbach vor der Frage, ob sie die Titelverteidigung über die Hürden und die anvisierte EM-Einzelnorm in Angriff nimmt – oder ob sie sich auf die flache Stadionrunde konzentriert, um über die Staffel in das EM-Team zu rutschen. Klar war zu diesem Zeitpunkt: Eine Einzelnorm für die Olympischen Spiele würde die 21-Jährige auf keinen Fall schaffen, außerdem stand die Nominierung der 4x400-Meter-Staffel für London noch in den Sternen. Deutscher Meistertitel oder Olympische Spiele lautete also die etwas hypothetische Frage. Klopsch startete in Wattenscheid auf der flachen Strecke, lief sich so in das EM-Team und konnte nach der Olympia-Nominierung durch den DOSB verkünden: »Der Masterplan ist aufgegangen«.
Fünf Langsprinterinnen fahren nach London, nur vier werden im Vorlauf eingesetzt. Zwei davon sind gesetzt, um zwei Plätze geht es also noch.
Klopsch: Die Entscheidung, wer auf die Bank muss, wird wohl erst in London fallen. Der Bundestrainer wird alle Eindrücke aus den Trainingslagern und den Wettkämpfen einfließen lassen.
In Helsinki bei der EM hat die Staffel zwei gute Rennen gezeigt, Sie und Ihre drei Mitstreiterinnen haben sich im Finale um über drei Sekunden gesteigert. Warum wird über eine Veränderung nachgedacht?
Klopsch: Fabienne, Maral [Anm. d. Red.: Kohlmann und Feizbakhsh] und ich sind eben alle gleichauf, unsere Saisonbestzeiten liegen innerhalb von drei Zehntelsekunden. Die Entscheidung des Bundestrainers ist subjektiv, ganz klar.
Sie mussten gestern noch einen Testwettkampf in Weinheim absolvieren. Dabei lastete sicher ein enormer Druck auf Ihnen, ob der erwähnten Situation.
Klopsch: Klar verspüre ich Druck. Viele Leute wissen, dass ich zu den Spielen fahre. Ich will diese Menschen nicht enttäuschen. Mein Ziel ist ganz klar, aktiv dabei zu sein. Nur dabei sein ist nicht alles. Ich bin aber stolz, dass ich überhaupt dabei bin. Mit dieser Haltung versuche ich, den Druck zu mindern.
Wann kam der Olympische Traum in Ihnen auf?
Klopsch: Schon als kleines Mädchen hatte ich ihn. Jeder Sportler träumt davon. Meine Mutter hat immer gesagt, dass es ein weiter Weg ist. Ich bin diesen Weg gegangen, von der Kreismeisterschaft angefangen. Es fühlt sich fast unrealistisch an. Aber man merkt an der Reaktion von anderen Leuten, dass die Olympischen Spiele einen höheren Stellenwert haben als andere internationale Meisterschaften.
In dieser Saison sind Sie zunächst zweigleisig gefahren, weil Sie über die Hürden auf die Einzel-Qualifikation für die EM gehofft hatten. Wieso hat das nicht geklappt?
Klopsch: Ich hatte nur noch die Norm im Kopf, und dann bist du irgendwann verkopft. Die Hürden stehen dann nicht nur im wahren Wortsinn im Weg. Der Tiefpunkt kam kurz vor den Deutschen Meisterschaften, als ich in Rhede nach acht Hürden ausgestiegen bin. Dann hatte ich einen Masterplan: Über die flachen 400 Meter zur EM zu kommen.
Und zu den Olympischen Spielen?
Klopsch: Das war nicht mein erster Gedanke. Ich hatte erstmal nur die EM im Kopf.
Wie haben Sie sich nach dem Rennen in Rhede wieder motiviert?
Klopsch: Man muss nach einem schlechten Wettkampf auch mal schlecht drauf sein, traurig sein, sich ärgern. Dafür habe ich meine persönliche Psychologin, meine Mutter. Am nächsten Tag wird wieder nach vorne geschaut. Man muss daraus lernen, es beim nächsten Mal besser machen. Wichtig ist, dass man neben dem Sport noch etwas anderes macht. Die Uni lenkt zum Beispiel ab, da reden wir nicht viel über Sport. Und natürlich Freunde, die Familie und unsere Katzen.
Trainerin Sieglinde Weber begleitet Sie seit über sieben Jahren. Wie ist »Siggi« als Coach?
Klopsch: Was ich am meisten an ihr schätze ist, dass wir ein gleichberechtigtes Team sind. Sie ist flexibel in den Trainingszeiten, und sie ist nicht streng. Das passt einfach.
Sieglinde hat uns erzählt, dass sie die Trainingspläne sehr akribisch ausarbeitet. Spüren Sie das?
Klopsch: Auf jeden Fall. Sie macht keine Trainingspläne für zwei, drei Wochen, sondern geht immer auf mich ein. Es wird kein Programm runtergekloppt, wenn ich nicht gut drauf bin. Dann machen wir eben ein, zwei Läufe weniger. Und wenn ich mich sehr gut fühle, gibt es auch mal etwas obendrauf.
Sie studieren in Frankfurt Germanistik, dazu Kunstgeschichte im Nebenfach. Wie klappt die Verbindung zwischen Leistungssport und Studium?
Klopsch: Das ist gut vereinbar, denn ich bin gut organisiert und kann mir die Zeit gut einteilen. Ich bin jetzt im vierten Semester und habe bislang alles in der Regelstudienzeit geschafft. Ich kann mir sehr frei den Stundenplan zusammenstellen und versuche, auf Termine in der Uni an Montagen und Freitagen wegen der Wettkämpfe zu verzichten.
Was fasziniert Sie an der vielleicht härtesten Leichtathletik-Disziplin, den 400 Metern – die Sie ja seit vielen Jahren gelegentlich noch mit zehn Hürden versehen lassen?
Klopsch: Ich würde gerne nur 100 Meter laufen, aber da bin ich zu langsam und mein Start ist zu schlecht. Außerdem finde ich Speerwurf faszinierend – man muss nicht so an die Grenze gehen und man hat nach wenigen Sekunden sein Ergebnis.
Wie sind Sie auf die 400 Meter gekommen?
Klopsch: Irgendwann wurde mein Talent zum Langsprint entdeckt, mein erster Hessenmeistertitel war über 300 Meter in der Halle. Die letzten 100 Meter sind das Spannende, da kann noch so viel passieren. Du hast den Gegner im Augenwinkel und musst fighten bis zur Ziellinie. Das ist meine Stärke. Am Ende entscheidet nur der Siegeswille.
Im vergangenen Jahr hat mit Till Helmke der Wetterauer Vorzeige-Leichtathlet den Verein verlassen. Wie hat sich dadurch Ihre Rolle beim TSV Friedberg-Fauerbach verändert?
Klopsch: Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn Till noch da wäre. Ich bin besser geworden, Till ist nicht mehr da – da gucken die Leute natürlich mehr auf mich. Ich möchte den Verein gut vertreten, möchte für den Verein gut sein. Die Gegebenheiten in Friedberg sind top.
Fehlt es nicht an geeigneten Trainingspartnerinnen?
Klopsch: Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich darunter leiden würde, wäre ich nicht mehr hier. Aber ich bin deswegen nicht schlechter. Ich kann viele Läufe mit den langsameren Männern machen. Oder mit Florian, meinem Freund.
Michael Wiener
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