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Olympia ist und bleibt das große Ziel des Karbeners Marc Tortell

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Von: Philipp Keßler

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Marc Tortell ist im vergangenen Jahr endgültig in die deutsche Spitze über 1500 Meter vorgedrungen.
Marc Tortell ist im vergangenen Jahr endgültig in die deutsche Spitze über 1500 Meter vorgedrungen. © Rainer Schmidt

Marc Tortell ist wieder da - und er ist so fit wie nie. Der Mittelstreckler geht nicht nur für das Athletics-Team Karben auf Medaillenjagd, er gehört auch zum Kreis der Favoriten auf den deutschen Hallen-Titel über 1500 Meter.

Deutscher Meister der U 23, deutscher Vize-Meister bei den Aktiven: Für den Karbener Marc Tortell war 2019 ein sehr erfolgreiches Jahr - und vor allem eines, bei dem er in den entscheidenden Momenten verletzungsfrei geblieben ist. Doch das soll längst nicht alles gewesen sein: Nach seinen Hessentiteln über 800 und 1500 Meter und dem Gewinn der südwestdeutschen Meisterschaft über 1500 Meter in der Halle will der Mittelstrecken-Läufer des Athletics-Team Karben bei den deutschen Hallenwettkämpfen übernächstes Wochenende in Leipzig erneut die nationale Spitze angreifen.

Regeneration als wichtiger Baustein im täglichen Training

»Die meiste Arbeit dafür ist gemacht«, sagt der 22-Jährige, »und die Hallensaison läuft bislang gut«. Gemeinsam mit seiner Mutter und Trainerin Uta Eckhardt-Tortell hat er seit seinem Bachelor-Abschluss in International Business seit dem vergangenen Jahr fast sein gesamtes Leben auf den Leistungssport ausgerichtet. Das bedeutet: Bis zu elf Trainingseinheiten die Woche, regelmäßige Termine beim Physiotherapeuten, Besuche beim Osteopathen und die Zusammenarbeit mit einem Ernährungsberater. »Sollte sich dieser Aufwand auszahlen, würde ich darüber nachdenken, meine berufliche Pause zu verlängern«, sagt Tortell, der sich dennoch ab 30. April in einen weiteren Bachelor-Studiengang eingeschrieben hat, allerdings - im Unterschied zum ersten - nicht mit gleichzeitiger beruflicher Ausbildung.

Ein wichtiger Baustein in Tortells Tagesplanung bildet Regeneration - ein Stichwort das nach seinem Naturell eigentlich widerspricht. »Ich bin jemand, der alles jetzt sofort will, aber ich habe gelernt, dass ich geduldig bleiben muss«, sagt Tortell. »Ein Vorteil ist aber, dass meine Mutter auch meine Trainerin ist. Sie kennt mich, weil sie mich schon so lange begleitet und weiß, was mir gut tut und was nicht.« Dazu gehöre allerdings auch, dass im Familienleben mit Vater Enrique und Marc Tortells vier Schwestern das Thema Leichtathletik manchmal außen vor bleiben muss. »Es muss auch mal gut sein«, sagt Mutter Uta. »Auch wenn Marcs Bewegungsdrang schon immer enorm war.«

Marc Tortell geht in Sachen Training eigene Wege - und muss dafür auf Unterstützung verzichten

Gemeinsam haben sie dennoch entschieden, alleine zu trainieren und nach 2018 nicht wieder in den deutschen Kader zu gehen - auch wenn Tortell in direkter Nähe zum Stützpunkt in einer WG in Frankfurt-Ginnheim wohnt. »Ich habe eben mein eigenes Konzept«, sagt er - und verzichtet durch diese Entscheidung auch auf eine gewisse Förderung, finanziell und in Sachen Diagnostik. Auch Organisatorisches wie Starts bei Wettkämpfen und die Teilnahme an Trainingslagern muss er selbst übernehmen.

Doch der Erfolg gibt ihm bislang Recht. Eng mit diesem verwoben ist die Frage nach der Verletzungsprophylaxe. Denn trotz beeindruckener Leistungen bereits in jungen Jahren hat Tortell eine lange Leidenszeit mit vielen Verletzungen hinter sich. »Im vergangenen Jahr war ich kurz davor aufzuhören, aber heute bin ich froh, dass ich weitergemacht habe. Die guten Ergebnisse am Ende des Jahres waren der Lohn für die lange Leidenszeit«, sagt er. »Dadurch kriegt man ein bisschen was von dem zurück, was man hineingesteckt hat.« Dennoch drängt sich die Frage auf, wo wäre Tortell jetzt, wäre er verletzungsfrei geblieben? »Früher habe ich über diese Frage mehr nachgedacht als heute. Das ergibt aber einfach keinen Sinn. Ich habe noch genug Zeit, der Zug ist noch nicht abgefahren. Und mit Geduld kann ich in die Richtung der Top-Athleten kommen.«

Marc Tortell: Die Leichtathletik ist seit seinem achten Lebensjahr seine Leidenschaft

Mit dem letzten Satz meint Tortell nicht nur die deutschen Spitzenläufer wie Marvin Heinrich (LG Eintracht Frankfurt) oder den mehrfachen deutschen Meister Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald), sondern auch die internationale Spitze. »Die Olympischen Spiele in diesem Jahr sind vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber eine Teilnahme ist und bleibt das große Ziel«, sagt Tortell selbstbewusst. »Das ist und bleibt mein Antrieb - gerade in schwierigen Zeiten.« Fürs Erste soll es aber mindestens die Europameisterschaft Ende August in Paris sein.

Diese Ziele und die Leidenschaft für das Laufen halten Tortell bereits seit seinem achten Lebensjahr bei der Leichtathletik - zunächst beim TV Rendel, trainiert von Großvater, den Eltern und an der Seite seiner Schwester Lara, die aktuell ein Sportstipendium an einer US-Universität hat. Daneben spielte er in seiner Kindheit Fußball, Basketball, Judo. »Ich habe früh gemerkt, dass im Laufen mein größtes Talent liegt. Denn Werfen zum Beispiel war immer eine Horrordisziplin«, sagt Tortell und lacht. Die schmale Statur des 1,80 Meter großen Athleten und seine Vorliebe für die Kombination der Mittelstrecken aus Schnelligkeit, Ausdauer, Leidensfähigkeit und taktisches Geschick passen zusammen - und sind noch heute seine Stärken. Genau die will er in diesem Jahr der deutschen, aber auch der internationalen Welt-Elite zeigen.

20 Stunden Training pro Woche - Trainingslager im Ausland für die Form

Dafür trainiert Tortell nicht nur bis zu 20 Stunden die Woche plus Regeneration, Information und Sponsorenterminen für den Verein und sich selbst - auch Trainingslager im Ausland stehen auf dem Programm. Die ersten zehn Tage in Sevilla hat er bereits absolviert. Der Kontakt resultiert noch aus einem Auslandssemester. Das nächste ist im März als einmonatiges Höhentrainingslager vor dem Start der Freiluftsaison in Südafrika angesetzt.

Die Konkurrenz ist nah

Neben Marc Tortell sind auch die beiden Dauernheimer Brüder Lukas und Marius Abele (beide SSC Hanau-Rodenbach) in der deutschen Spitze über 800 und 1500 Meter zu finden. »Gegen Lukas laufe ich, seit ich 14 Jahre alt bin«, sagt Tortell. »Einerseits ist es cool, jemanden in der Region zu haben, mit dem ich auf so hohem Niveau duellieren kann. Andererseits kann man so selbst bei hessischen Meisterschaften nicht einmal etwas ausprobieren, weil immer echte Konkurrenz da ist.« Tortell erwartet allerdings auch abseits der Wetterau in den nächsten Jahren eine höhere Leistungsdichte auf der Mittelstrecke: »Aus der U 23 kommen einige gute Leute nach. Ich denke, dass die deutschen Mittelstrecken-Läufer nach Jahren auch auf europäischer Ebene wieder konkurrenzfähig sein werden.« Vielleicht ist er, der bereits 2016 bei den Crosslauf-Europameisterschaften in Italien das Nationaltrikot getragen hatte, dann ja auch mit von der Partie.

Mit entsprechender Leistungsdichte und dem größeren Trainingseffekt in der Höhe hofft Tortell, den Anschluss an die internationale Spitze herstellen zu können. Aber auch die Wettkämpfe sind für ihn wichtig. »Aufgrund meiner vielen Verletzungen fehlt mir im Rennen noch etwas die Härte. Das alles ist ein Prozess - wie auf einer Treppe. Man arbeitet sich Stufe für Stufe hoch und jede Verletzung wirft einen ein paar Stufen herunter. Daher ist die EM vorerst das Ziel. Eine Teilnahme dort wäre schon super.«

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