Löwen patzen, EC Bad Nauheim winkt Big Point
Nach dem Null-Punkte-Wochenende für die Löwen Frankfurt scheint eine Entscheidung schon gefallen zu sein: Die Mainstädter haben im Moment die mit Abstand schlechteste Ausgangsposition der Top-fünf-Teams im Kampf um vier Endrundenplätze. Der EC Bad Nauheim kann sich unterdessen am Sonntag das Ticket praktisch sichern.
Das fast zehn Meter lange Spruchband mit der Aufschrift »Derbysieger« wollte nicht so richtig, wie die Bad Nauheimer Fans wollten. Kurz nach Spielschluss in der Frankfurter Eishalle hatten sich die Spieler der Roten Teufel auf der »Bad Nauheimer« Seite vor den über 1000 Fans aus der Wetterau versammelt und warteten. Marius Pöpel und Kevin Lavallee eilten zum Plexiglas und halfen, das Banner gemeinsam mit einigen RT-Fans über die Abgrenzung zwischen Eis und Tribüne zu hieven. Es gab Szenenapplaus von den heimischen Anhängern, das Plakat wurde von der Mannschaft ausgerollt – und die Feier konnte weitergehen. »Die Nummer eins im Land sind wir«, skandierte das schwarz-rot gekleidete Publikum. Die Teufel hatten bei den Löwen das Oberliga-Derby mit 4:2 gewonnen, sich damit an die Tabellenspitze geschoben – und können etwas überraschend am nächsten Wochenende einen sehr großen Schritt Richtung Endrunde machen. Bei den Frankfurtern herrscht dagegen Katerstimmung.
»Wir können am Sonntag im Heimspiel gegen Dortmund einen echten Big Point landen«, frohlockte Andreas Ortwein, nachdem im VIP-Raum neben der Eissporthalle bekannt geworden war, dass der EHC Dortmund in Duisburg verloren hatte. Die 16 Spiele andauernde Siegesserie der Elche ist damit beendet. Nach dem kommenden Wochenende könnten die Roten Teufel nicht nur alleiniger Spitzenreiter sein – der Vorsprung auf den fünften Platz könnte sich auf fast schon uneinholbare zwölf Punkte vergrößern.
Nachdem der neue Tabellenführer am Freitag nach der komfortablen 9:0-Führung gegen Hamm zur ersten Pause Kräfte sparen konnte und letztlich 10:1 gewann, war es für die Roten Teufel am Ratsweg einfacher als gedacht. »Wir mussten die ersten zehn bis 15 Minuten überstehen, nach dem 1:1 sind wir aber selbstbewusster zur Sache gegangen und haben die Initiative übernommen«, analysierte EC-Coach Fred Carroll. Nach einem chancenarmen, aber intensiven ersten Drittel mit spielerischen Vorteilen auf Löwen-Seite steigerten sich die Gäste kontinuierlich, um ohne den allergrößten Aufwand auf 4:1 davonzuziehen. Die Frankfurter mussten dann den zahlreichen Ausfällen sowie der Marschroute von Trainer Beddoes, fast nur auf die Leistungsträger zu setzen, Tribut zollen, bauten ab und zeigten keinen Siegeswillen mehr.
Die Roten Teufel spielten bis zur 57. Minute clever, ließen in der Defensive kaum etwas zu und unterbanden die seltenen Löwen-Vorstöße schon früh, sodass auch Markus Keller einen für ein Topspiel ungewohnt ruhigen Abend verlebte. »Eine Top-Leistung war aufgrund der vielen angeschlagenen Spieler nicht möglich. Wichtig ist, fehlende Leistungsstärke durch Cleverness und Konzentration auszugleichen. Das haben wir geschafft«, war EC-Geschäftsführer Andreas Ortwein mit den 60 Minuten vom Sonntag vollauf einverstanden. Nach zwei freien Tagen bittet Carroll am morgigen Mittwochabend wieder zum Training. Bereits am Nachmittag sind schon die Torhüter in einer speziellen Übungseinheit gefordert. Diese wird Igor Gross übernehmen, Torwarttrainer der Jungadler Mannheim.
Löwen in der Krise – und auch im VIP-Raum auf Suche
Eine ganz andere Stimmungslage herrscht freilich bei den Frankfurter Löwen, die nun erster Kandidat für den ungeliebten Rang fünf sind. Sieben Tage zuvor, nach dem 8:1-Heimerfolg gegen Duisburg noch im siebten Himmel, könnte das Null-Punkte-Wochenende bereits eine Entscheidung gebracht haben. Während sich alle anderen Vereine zu Hause sowie gegen die drei Außenseiter keine Blöße gaben, patzte Frankfurt gleich doppelt. Der vermeidbaren sowie unnötigen Freitag-Niederlage in Unna (2:3 nach 2:0) folgte die sechste Hessenderby-Niederlage der Saison am Sonntag. Die Fans zeigten sich schon zwischenzeitlich äußerst unzufrieden, auch »Wachmacher« Kevin Thau (fuhr an der Fankurve vorbei und schlug mit dem Schläger mehrfach auf das Plexiglas) konnte die Stimmung nicht kippen. Nach Spielende gab es sogar Pfiffe. Der Ausfall von Top-Scorer Simon Barg konnte in keinster Weise kompensiert werden, auch Nebenmann Jan Barta war am Sonntag abgemeldet. Einzig Alexander Althenn, der dritte Stürmer der nun gesprengten Top-Reihe, sorgte für Gefahr vor Markus Keller – den zweiten Frankfurter Treffer aus dem Nichts durch Mayr ausgenommen.
Trainer Clayton Beddoes stand noch weit nach Spielschluss den Journalisten Rede und Antwort, versuchte, das Positive herauszuziehen (»das erste Drittel gegen Bad Nauheim war gut«), die Stärken der Teufel in den unterschiedlichsten Varianten mit dem gleichen Inhalt hervorzuheben (»Bad Nauheim ist sehr stark«; »jede Sturmreihe von Bad Nauheim ist gefährlich« und Ähnliches) und dem Ergebnis aus Duisburg noch Positives abzugewinnen: »Wenn Duisburg Dortmund schlagen kann, können wir das auch«. Der Druck habe sich nun erhöht, auch wenn man auf einen harten Kampf um Rang vier eingestellt war. Bei der Suche nach personeller Verstärkung (muss Deutscher sein, über 28 Jahre alt sein und 24 Monate nicht gespielt haben) setzte er in der Pressekonferenz (PK) auch auf die Zuhörer im VIP-Raum. »Sagt Bescheid, wenn ihr einen kennt«. Stadionsprecher und PK-Moderator Rüdiger Storch demonstrierte unterdessen eine Mischung aus harten Worten und Galgenhumor.
Während er vor der Verkündung der Mannschaftsaufstellung durch das Mikrofon auf dem Eis von einer »scheiß Woche« sprach, beendete er die PK mit den Worten: »Freitag in Dortmund, Sonntag gegen Kassel – das riecht ganz klar nach einem Sechs-Punkte-Wochenende«. Die EC-Fans waren da schon auf dem Heimweg, hatten das Banner für das nächste Derby gegen Frankfurt am 12. Febuar eingerollt und ihre Schmähgesänge im Kopf. Zum Beispiel: »Gegen Nauheim kann man mal verlieren«. Michael Wiener