Können RT-Leistungsträger gehalten werden?
(mn) Markus Keller fand Trost in den Armen seiner Freundin Lisa, Fred Carroll verkroch sich auf dem weiträumigen Parkplatz an der Olympia-Eissporthalle wie viele seiner Spieler mit dem Handy am Ohr in eine dunkle und einsame Ecke, andere saßen noch lange in der Kabine zusammen und schleppten später ihre schweren Taschen mit leerem Blick und tief ins Gesicht gezogenen Mützen zum Bus, der erst im Morgengrauen des nächsten Tages von seiner letzten Dienstfahrt der Saison 2010/11 ans Colonel-Knight-Stadion zurückgekehrt ist.
Tränen waren geflossen am Freitagabend. Der Traum vom Titel der Eishockey-Oberliga, vom Aufstieg in die 2. Bundesliga, war geplatzt, durch die dritte Niederlage im vierten Spiel des Playoff-Halbfinales gegen den SC Riessersee, durch ein 1:2 - nach der wohl schwächsten Leistung, die der EC Bad Nauheim seit Beginn der Endrunde Anfang März gezeigt hatte.
Die »lucky bounds« (frei übersetzt: die »glücklichen Abpraller«) habe man eben in dieser Partie nicht auf seiner Seite gehabt, Riessersse habe kaum Chancen zugelassen, meinte Kyle Piwowarczyk, dem sieben Minuten vor Schluss der Anschlusstreffer - und damit zugleich das letzte Tor der Roten Teufel in dieser Spielzeit - gelungen war. Drei der vier Spiele seien im Grunde genommen durch einen Treffer entschieden worden, und »uns hat einfach auch ein bisschen das Glück gefehlt«, haderte unterdessen Carroll, als die Hoffnung auf einen sportlich wie wirtschaftlich attraktiven Showdown in Spiel fünf gestorben und der Wunsch nach einer Endspiel-Serie am Oster-Wochenende unerfüllt geblieben war. Beim SC Riessersee hatte man da die Final-T-Shirts längst ausgepackt, und Ex-Teufel Tim Regan führte die Mannschaft auf einer Ehrenrunde durch die altehrwürdige Arena.
Die 60 Minuten an sich, aber auch das Halbfinal-Aus im Allgemeinen hatten viele Fragen aufgeworfen. Warum waren die Roten Teufel nach zuletzt doch begeisternden Darbietungen nun im entscheidenden Moment irgendwie gehemmt, körper- und unerwartet emotionslos gegen einen keineswegs übermächtigen Gastgeber aufgetreten? Hatten die Schlüsselspieler wie Markus Keller, Lanny Gare, Kyle Piwowarczyk oder Tobias Schwab zum letzten Mal das Trikot der Roten Teufel getragen? Zerfällt der Kader, der - wie die Playoff-Spiele gezeigt haben - durchaus das Potenzial zur Final-Teilnahme (und dem Titelgewinn?) besessen hatte? Muss in der Wetterau vielleicht angesichts der künftig direkten Konkurrenz des ehemaligen DEL-Standorts Frankfurt (und im übernächsten Jahr aus Kassel) die Zweitliga-Qualifikation mittelfristig ad acta gelegt werden? Wie lassen sich auch in der kommenden Saison mit Gegnern wie Neuss oder Köningsborn Zuschauer anlocken?
»Nicht schlechter als der Süden«
»Unser Maxime ist nach wie vor die 2. Bundesliga«, sagt Andreas Ortwein. Der RT-Geschäftsführer sprach von einem »gefühlten Sturz vom Himmel in die Hölle«, den man bei den Roten Teufeln binnen einer Woche erlebt und aufzuarbeiten habe. Mit den zu Verfügung stehenden Mitteln habe man eine gute Mannschaft beisammen gehabt, sei »nicht schlechter als der Süden«. Obendrein, das konnte der Nieder-Weiseler im WZ-Gespräch bereits vorwegnehmen, habe man die Saison in den »schwarzen Zahlen« abgeschlossen, zum zweiten Mal in Folge - im Eishockey-Geschäft durchaus nicht üblich. Im Dialog mit den Werbepartnern sei Unterstützung für die kommende Saison zum überwiegenden Teil bereits zugesagt worden.
In dieser Woche werde man nun mit allen Angestellten zusammenkommen, um Gespräche aufzunehmen und weiterzuführen. Fred Carroll, seit Dezember 2007 in Bad Nauheim als Trainer unter Vertrag, hatte in ersten Vorgesprächen signalisiert, gerne bei den Roten Teufeln bleiben zu wollen, jetzt werde man, so Ortwein, analysieren, woran es gelegen habe und anschließend »wirtschaftliche und inhaltliche Schnittmengen« suchen. Konzept und Ziele müssten dabei eine klare Ausrichtung in Richtung Zweitklassigkeit haben.
Im Bereich des spielenden Personals sieht man seitens der GmbH »keine Notwendigkeit, alles über den Haufen zu werfen«, wobei die Erfolge der Hessen die zahlungskräftige Konkurrenz natürlich aufmerksam werden ließ. »Wenn ich andererseits sehe, wer uns derzeit alles angeboten wird, dann bin ich guter Dinge, auch Leistungsträger gegebenenfalls adäquat ersetzen zu können«, sagt Ortwein. Bislang als einziger Spieler unter Vertrag: Daniel Ketter, der nach sieben Zweitliga-Jahren in seine Heimat zurückkehrt.
Wer bleibt? - Wer geht?
Die Fans fürchten derweil Wechsel der Schlüsselspieler. Markus Keller beispielsweise, dürfte in der Tat nur schwer in Bad Nauheim zu halten sein. Der 21-jährige Schlussmann steht mit Klubs der Deutschen Eishockey-Liga in Kontakt. Kyle Piwowarczyk, so sagen Gerüchte, könne sich bei einem Süd-Oberligisten in der Gehaltsklasse ganz erheblich verbessern, und in Sachen Lanny Gare, der offenbar von Hannover, den Indians, umworben wird, hängt die sportliche Zukunft wohl in erster Linie vom Erhalt des deutschen Passes ab. Zuversichtlich zeigt sich Ortwein die Personalie Tobias Schwab betreffend (»Da sehe ich realistische Chancen, ihn zu halten. Er will in einem ambitionierten Team spielen«).
Ergänzend dazu dürften sich Akteure wie Stephen Ritter, Andre Mangold, Christian Franz, Manuel Weibler, Mathias Baldys, Dennis Cardona, Marius Pöpel und Alexander Althenn für neue Verträge empfohlen haben, wobei Letztgenannter aufgrund seines Wohnorts Frankfurt sicher auch bei den Löwen auf der Liste potenzieller Neuzugänge auftauchen wird. Alexander Baum, der nach durchschnittlicher Vorrunde dann in der End- und Playoff-Runde aufdrehte, Jan Barta und Patrick Gruber müssen sich sicher Kritik angesichts fehlender Konstanz in ihren Leistungen gefallen lassen. Als U-Nationalspieler steht Marc Kohl nach einer starken Saison gewiss vor seiner persönlichen Entscheidung, in diesem oder erst im nächsten Jahr eine Klasse höher zu versuchen, Fuß zu fassen. Jannick Striepeke dürfte allein schon aufgrund seiner Ausbildung beim Nachwuchsverein Rote Teufel auch im nächsten Jahr wieder dabei sein, und Oliver Bernhardt hatte unlängst angedeutet, die Entscheidung, ein weiteres Jahr dranzuhängen, nicht übers Knie brechen zu wollen. Einzig Igor Filobok konnte die in ihn gesetzten (zu hohen?) Erwartungen nicht erfüllen und sein Talent in Bad Nauheim nicht im erhofften Maß einbringen. Mit ihm dürfte wohl in Zukunft bei den Roten Teufeln nicht mehr zu rechnen sein.
Die Zukunft heißt für Bad Nauheim Oberliga West. In die Vorfreude auf künftige Derbys mit Nachbar Frankfurt mischen sich in diesen Tagen allerdings die Negativ-Schlagzeilen aus dem Westen. In Essen kämpfen die Moskitos nach wie vor ums nackte Überleben (Präsident Joachim Herden: »Kurzfristig brauchen wir eine fünfstellige Summe«), in Herne hat Ralf Pape den Geldhahn zugedreht. Die Eishallenbetreiber-Gesellschaft, ein Unternehmen der Pape-Gruppe, hat zudem einen Insolvenzantrag gestellt, so dass am Gysenberg nun auf Unterstützung der Stadt Herne gehofft wird, um überhaupt eine Spielstätte zu haben. Ein Zehnerfeld soll im Oktober an den Start gehen.
Abschlussfeier am Gründonnerstag
Keine Frage: Für Gesprächsstoff ist mit Blick auf die Saisonabschlussfeier am Gründonnerstag reichlich gesorgt. Ab 18 Uhr wollen die Roten Teufel die Spielzeit 2010/2011 die Spielzeit mit den Fans im Stadion ausklingen lassen.